Haidmühle. Etwa 7.500 Schüler im Landkreis Freyung-Grafenau hatten heute frei. Das gleiche gilt für den Landkreis Regen. Die Feuerwehren melden 44 Einsätze aus der vergangenen Nacht: Neun Verkehrsunfälle und zahlreiche gesperrte Straßen wegen Schneebruch. Die Waldbahn hat den Betrieb auf mehreren Strecken eingestellt. Wanderwege und Loipen sind gesperrt, weil Bäume umgestürzt sind bzw. nach wie vor umstürzen können. Wer sich durch all die Eilmeldungen in den Sozialen Medien klickt, sieht Schneechaos überall.
Ein Blick aus dem Fenster heute Morgen zeigt: Auch vor unserer Haustür sind über Nacht etwa 30 Zentimeter Schnee gefallen. Alles tief verschneit draußen – doch außergewöhnlich viel Schnee ist es nicht. Immerhin haben wir Januar und wir wohnen auf einer Höhe von etwa 850 Metern über dem Meer. Übertreiben die denn alle?
„Kindergarten geschlossen, nur Not-Betreuung“
Der Schneepflug biegt pünktlich um kurz nach sieben ums Eck. Straße frei, ich könnte ins Auto steigen und meinen Sohn in den Kindergarten fahren. Beim Frühstück ploppt aber bereits eine Nachricht auf dem Handy auf: „Kindergarten geschlossen, nur Not-Betreuung.“ Wir bleiben also daheim.
Neun von 34 Kindern kommen zur Not-Betreuung, wie ich auf Nachfrage erfahre. Weil die Eltern auf die Schnelle keine Alternative hatten. Wenn Oma und Opa nicht spontan die Kinder betreuen können und Mama und Papa zur Arbeit müssen, braucht man eben auch an solchen Tagen den Kindergarten. Die beiden Mitarbeiterinnen, die im Dorf wohnen und nicht ins Auto steigen müssen, um zur Arbeit zu gelangen, übernehmen den Notdienst. Auch an den Schulen gibt es Not-Betreuung: Falls jemand heute Morgen nicht mitbekommen haben sollte, dass die Schule ausfällt, ist in jeder Einrichtung jemand vor Ort, der sich um die Kinder kümmert – vor allem dann, wenn zu Hause keiner mehr da ist.
Dass die Schüler heute frei haben, hat das Schulamt gemeinsam mit dem Tiefbauamt entschieden. Wegen Schneebruch sei die Verkehrssicherheit der Schulbusse nicht gewährleistet, wie Karl Matschiner, Pressesprecher des Freyung-Grafenauer Landratsamts, mitteilt. Einen Vergleich zum Winter 2006, in dem es hierzulande außergewöhnlich viel Schnee gab, will er allerdings nicht ziehen, da in niederen Lagen nahezu kein Schnee gefallen sei. Dies bestätigt auch sein Regener Amtskollege Heiko Langer: Im Zwieseler Winkel habe es in der Nacht extreme Schneefälle gegeben, in Viechtach dagegen sei fast kein Schnee gefallen.
„Keiner kann in den Boden reinschauen“
Die angespannte Lage in Teilen der Region hat zwei Gründe: Zum einen ist teils außergewöhnlich viel Schnee über Nacht gefallen. Ich messe im eigenen Garten nach: Etwa 70 Zentimeter der weißen Pracht liegen bei uns in Frauenberg in der Gemeinde Haidmühle. Fast die Hälfte davon fiel innerhalb eines Tages. Zum anderen: Der Schnee ist nass und schwer. Das merke ich beim Schneemann-Bauen mit meinem Sohn sofort: Ich muss die große, mittlere Kugel für den Bauch wieder kleiner machen, da ich sie nicht heben kann. Mein Schwiegervater schaufelt bereits das Dach des Gewächshauses frei – und stellt dabei fest, dass es teils eingebrochen ist.
Am meisten leiden jedoch die Bäume unter der schweren Schneelast. Nach dem schweren Sturm im Sommer 2017 sind alle damals umgestürzten und entwurzelten Bäume mittlerweile gefällt. Aber, so hat mir unser Förster erklärt: „Keiner kann in den Boden reinschauen.“ Auch wenn man es den Bäumen nicht ansieht: Einige weitere Wurzeln sind wohl vom Sturm beschädigt, die Bäume könnten in den nächsten Jahren umstürzen. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass es bei Neuschnee zahlreiche Meldungen von gesperrten Straßen gibt.
Als zu Hause alles frei geschaufelt ist und der Schneemann Nase, Augen und Mund bekommen hat, wäre Zeit für einen Spaziergang. Aber nur im Dorf, nicht im Wald: Die Gemeinde rät dringend davon ab, die Wanderwege zu benutzen. Auch andere Städte und Gemeinden rufen heute dazu auf, sich nicht unnötigerweise im Wald aufzuhalten. Auf die Loipe kann ich heute auch nicht. Ebenfalls gesperrt.
Kein längerfristiges Schneechaos zu erwarten
Winter pur und Schnee ohne Ende – ein Segen für den Tourismus. Normalerweise. Momentan schadet der viele Schnee dem Fremdenverkehr jedoch: Der Nationalpark hat Tier-Freigelände, Nationalparkzentrum Falkenstein und Haus der Wildnis gesperrt. Aufgrund der Schneebruchgefahr bleibt auch der Baumwipfelpfad bis auf Weiteres geschlossen. In den Skigebieten laufen nicht alle Lifte, die Sessellifte oder auch die Gondelbahn am Arber können nicht in Betrieb genommen werden.
Der Kreisbrandrat des Landkreises Regen sieht die Lage in seinem Zuständigkeitsgebiet bereits wieder „im grünen Bereich“, wie auf der Internetseite des Landratsamts zu lesen ist. Die Schulen bleiben jedoch auch am morgigen Donnerstag im Landkreis Regen geschlossen. Selbiges gilt für den Landkreis Freyung-Grafenau. In den Augen so mancher Waidler eine überzogene Maßnahme. Wobei die Sicherheit der Kinder immer Vorrang haben sollte.
Auch Hogn-Wetterexperte Martin Zoidl sieht kein längerfristiges Schneechaos auf uns zukommen: „Das Tief, das für die starken Schneefälle der vergangenen Nacht verantwortlich war, zieht bis zum morgigen Donnerstag in Richtung Balkan/Italien weiter. Auch wenn rückseitig immer wieder noch Schneeschauer möglich sind, beruhigt sich die Lage insgesamt. Eine neue Wetterfront zieht erst gegen Freitag bzw. Samstag auf. Derzeit sieht es aber nicht danach aus, als ob diese besonders ergiebig ausfällt. Man sollte dabei auch immer im Hinterkopf behalten, dass wir uns im Hochwinter befinden.“ Eben.
Sabine Simon