Passau. Es ist kurz vor 10 an diesem sonnigen Mittwoch im Dezember. Die Türen des großen Verkaufsraums sind noch nicht geöffnet, trotzdem haben sich schon einige Kunden davor versammelt. Sie wollen die ersten sein, die die neuen Waren begutachten und eventuelle Schnäppchen ergattern können. Geschäftsführer Manuel Bauer erscheint am Eingang und schließt die Tür auf. Wie jeden Morgen werden alle Kunden von ihm und seinem Kollegen Manuel Dorn persönlich begrüßt.
Manuel Bauer stammt aus dem Landkreis Traunstein. 1999 kam der gelernte Fachinformatiker und Handelskaufmann nach Passau. Der heute 47-Jährige war schon immer ein Flohmarkt-Fan, wie Gründer der Trödelbuam erzählt. „Früher habe ich es geliebt, auf Märkten nach antiken Schätzen und Einzelstücken zu suchen.“
Wenn aus einer Idee eine Win-Win-Win-Situation wird
2009 trat er eine Stelle als Leiter und Ausbilder bei der Arbeiterwohlfahrt (kurz: AWO) an. „Mir hat vor allem der Kontakt mit meinen Mitarbeitern und den Kunden gefallen“, erinnert er sich. Etwa drei Jahre später wurden die Passauer AWO-Betriebe geschlossen. Bereits während der Bewerbungsphase war für ihn klar, dass er keinen reinen Bürojob mehr machen möchte: „Die menschliche Seite des Jobs, die ich bei der AWO so geliebt habe, fehlte mir bei vielen ausgeschrieben Stellen.“
Als junger Familienvater wollte er jedoch schnellstmöglich wieder in Lohn und Brot kommen. Ein Programm des Jobcenters, das sich an Arbeitsuchende richtet, die sich selbstständig machen möchten, erweckte seine Aufmerksamkeit. „Das war meine Chance“, blickt der gebürtige Waginger zurück. Gemeinsam mit zwei Bekannten stürzte er sich frohen Mutes in die einjährige Trödelbuam-Testphase. „Wir orientierten uns an dem Konzept, das mir noch von der AWO her bekannt war“, erzählt Bauer. „Zu unserem Glück fanden wir ein leerstehendes Gebäude, das sich vor dem Abriss befand – deshalb war die Miete sehr günstig.“
Das ehemalige PELL-Zentrum bot genug Platz und Möglichkeiten für die Umsetzung des Projekts. Das Angebot der drei Männer bestand darin, einzelne Möbelstücke kostenfrei abzubauen und mitzunehmen. Diese wurden dann in den gemieteten Räumen ausgestellt und zum Verkauf angeboten. „Vielen Kunden kam dieser Service sehr gelegen – wenn man kein Auto hat, ist es schwer, nicht mehr benötigtes Mobiliar abzutransportieren. Die Käufer der Ware wiederum freuten sich über das ein oder andere Schnäppchen“, beschreibt Manuel Bauer die Win-Win-Win-Situation des Konzepts, das auch ihn und seine Mitarbeiter bis heute ernährt.
Nach Ablauf der Testphase wurde das Gebäude schließlich abgerissen – der gelernte Handelskaufmann wollte jedoch mit seinem Unterfangen unbedingt weiter machen. Doch die Suche nach bezahlbaren Geschäftsräumen gestaltete sich schwieriger als erwartet, zumal Manuels ehemalige Partner vorzeitig ausgestiegen waren. Im Juli 2014 wurde er dennoch fündig. Die neue Lage in der Wiener Straße 14 in Passau habe ihn zwar anfangs etwas abgeschreckt, denn: „Das Gebäude befindet sich genau am anderen Ende der Stadt, da hatte ich schon Sorge, dass niemand vorbeikommt.“ Doch dank der Nähe zur österreichischen Grenze führte der Durchgangsverkehr anfangs vor allem Kunden aus dem Nachbarland zu ihm. Große Werbung war also nicht nötig – Mundpropaganda reichte aus, erzählt Manuel Bauer.
„Alles, was man im und rund ums Haus brauchen kann“
Und die Strategie ging auf. Nach und nach sprach sich die Eröffnung des Geschäftes mit dem vielsagenden Titel „Die Trödelbuam“ herum. Der einprägsame Name nach bayerischer Mundart lockte viele Interessenten an. Also beschloss Geschäftsführer Manuel Bauer schon nach kurzer Zeit, auch komplette Haushaltsauflösungen in sein Portfolio mitaufzunehmen.
Um alle Anfragen zeitnah bearbeiten zu können, wurde im Dezember des vergangenen Jahres Manuel Dorn eingestellt. Der 38-Jährige kommt ursprünglich aus Erfurt. Nachdem dieser seine jetzige Frau während eines Auslandsaufenthalts kennen gelernt hatte, beschloss das Paar 2015 nach Passau zu ziehen. Seitdem arbeitet „der zweite Manuel“ im sog. Innenteam des Geschäfts. „Das Innenteam ist vor allem für Preisauszeichnungen, Verkauf und Organisatorisches zuständig“, erklärt Dorn seinen Aufgabenbereich.
Um den Trödelbuam zu noch mehr Bekanntheit zu verhelfen, betreut er zudem die Social-Media-Kanäle. „Ich habe eigentlich Kunst und Architektur studiert, das Visuelle war mir schon immer sehr wichtig“, erzählt der zweifache Familienvater. Besonders wichtig sei ihm der Aspekt der Wertschätzung: „Wenn unser Außenteam, das aus zwei Festangestellten sowie drei weiteren Helfern besteht, ein Möbelstück bei einem Kunden abholt, ist es für diesen schön zu wissen, dass es nicht auf dem Schrottplatz landet. Und auch die Käufer der Ware freuen sich über ein neues Teil, das man nicht in jedem x-beliebigen Möbelhaus findet.“ Chef Manuel Bauer ergänzt: „Ich sag immer: Wir bieten alles, was man im und rund ums Haus brauchen kann.“
„So langsam beginnen sie, den Wert einzelner Dinge zu schätzen“
Der Umgang zwischen den Mitarbeitern ist recht familiär: „Wir verzichten auf unnötige Hierarchien – zur Not kann jeder hier alles machen“, beschreibt der Trödelbuam-Gründer die Arbeitsstrukturen. Ihm gehe es vor allem darum, die Leute zum Lächeln zu bringen. Denn sowohl durch das Angebot des kostenlosen Möbel-Abbaus als auch durch günstige Haushaltsauflösungen seien die Trödelbuam eine große Hilfe für Kunden jeden Alters. „Wenn wir die Möbel weiterverkaufen, setzen wir die Preise prinzipiell nur so hoch an, dass wir unsere Unkosten decken – und von den Einnahmen leben können“, erklärt er.
Schließlich gehe es auch darum, der Kundschaft bezahlbare Ware anbieten zu können. Das wissen vor allem die Stammkunden, die teilweise mehrmals pro Woche vorbeikommen, zu schätzen. „Zu unseren Käufern zählen alle möglichen Leute – egal, ob Student, Arbeitsuchender oder Akademiker. Vor allem seit den letzten zwei Jahren gehören auch viele Geflohene dazu, die einen Gutschein vom Staat erhalten haben, um sich eine Erstausstattung für ihre Wohnung leisten zu können.“ Für Manuel Dorn ist genau dieser Part enorm wichtig: „Wenn ich merke, dass wir den Leuten wirklich helfen können, bin ich glücklich.“
Um Interessierten eine möglichst große Auswahl bieten zu können, verzichten die Trödelbuam auf ein nicht-zugängliches Lager. Stattdessen versuchen sie alle Teile in den Verkaufsräumen zu präsentieren. Aus diesem Grund sei eine Reservierung der Verkaufsobjekte derzeit nicht möglich: „Kunden zahlen bei uns direkt bar und haben dann eine Woche lang Zeit, die Sachen abzuholen. Natürlich geben wir Interessenten gerne Auskunft darüber, ob Artikel, die wir etwa auf Facebook oder Instagram gepostet haben, noch vorhanden sind. Schließlich soll keiner eine lange Anfahrt in Kauf nehmen müssen, um dann enttäuscht zu werden“, beschreibt Manuel Bauer die Konditionen.
Auch eine Interessentenliste gebe es: Sollte ein Kunde auf der Suche nach einem bestimmten Stück sein, werde er informiert, sobald dieses im Laden vorhanden ist. Abbau und Abholung von Möbeln, Verkauf günstiger Einzelstücke und (in selteneren Fällen) auch die Entsorgung von Möbeln – all das gehört zum Repertoire der Passauer Trödelbuam. Letzteres versuchen die Mitarbeiter jedoch möglichst zu vermeiden. „Ich habe den Eindruck, dass die Menschen so langsam wieder damit anfangen, den Wert einzelner Dinge zu schätzen“, meint Manuel Dorn. „Genau das möchten wir unterstützen. Deshalb bieten wir auch den kostenlosen Abtransport einzelner Teile an – somit verhindern wir, dass diese verschrottet oder unsachgemäß entsorgt werden.“
Es gibt so gut wie nichts, was die Trödelbuam nicht haben
Und selbst für defekte Teile würden sich immer wieder Abnehmer finden. Durch ehemalige AWO-Kontakte schauten auch Kunden aus Rumänien oder dem Kosovo ab und an im Geschäft vorbei. „Gegenstände, die wir nicht auf der Verkaufsfläche anbieten, packen wir gesondert zusammen. Wenn etwas dabei ist, geben wir es ihnen gerne gratis mit.“ Die Tatsache, dass die Interessenten vor allem aus den genannten Staaten kommen, erklärt sich der Geschäftsführer wie folgt: „Vor allem früher gab es viele deutsche karitative Einrichtungen und Intensivhilfen dort. Ich denke, dass sich das eingeprägt hat.“ Und auch der Durchgangsverkehr spiele eine gewisse Rolle.
Vasen, Bücher, Lampen, Küchen, Elektronik, Betten und Sofas: Es gibt so gut wie nichts, was die Trödelbuam nicht vorhalten können. Und anders als es der Name vermuten lässt, handelt es sich hierbei nicht ausschließlich um „Trödel“, sondern um teils antike Einzelstücke, Gegenstände des täglichen Gebrauchs oder Deko-Artikel der besonderen Art. Das Schöne daran: Die Trödelbuam unterstützen Menschen auf verschiedenste Weise – und zeigen, dass dies auch mit Gebrauchtwaren ganz gut funktionieren kann.
Malin Schmidt-Ott