Zwiesel. Das erhebliche Haushaltsdefizit des Ortscaritas-Kindergartens St. Sebastian und des Stiftungskindergartens Am Kirchplatz – Träger ist hier die Stiftung Kinderbewahr- und Suppenanstalt – , das auf einen niedrigen sechsstelligen Betrag angewachsen ist, bereitet allen Verantwortlichen der Stadt Zwiesel derzeit großes Kopfzerbrechen, wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Stadt Zwiesel und der Kindergartenträger heißt. Auf der einen Seite ist die Lage für die Kindergärten existenzbedrohend, andererseits steht die Frage im Raum, ob die Stadt verpflichtet ist, sich am Defizit der vergangenen Jahre zu beteiligen – und ob sie das bei der derzeitigen Haushaltslage überhaupt darf. Bürgermeister Franz Xaver Steiningers Standpunkt ist ebenso klar wie unumstößlich: „Wir haben als Stadt Zwiesel die moralische Verpflichtung, das Defizit mitzutragen.“ Und dabei sei es nebensächlich, welche Versäumnisse von beiden Seiten – wohlgemerkt vor seiner Amtszeit – zu dieser finanziell schwierigen Situation geführt haben, so das Gemeindeoberhaupt. Steininger und Stadtpfarrer Dekan Martin Prellinger sind sich einig: „Wir brauchen eine schnelle und tragfähige Lösung, mit der alle leben können.“
Hintergrund: 2004 regte der Diözesan-Caritasverband (DiCV) die Träger an, statt einer 50:50-Aufteilung des Betriebskostendefizits zwischen Caritasverband und Kommune zur diözesanüblichen Aufteilung 40:60 zu wechseln. Dazu mussten die bestehenden Defizitverträge neu geschlossen werden. Über die neue Aufteilung bestand zwischen Stadt und Träger Einigkeit und auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit ihrem Kindergarten strebte eine Neuaufteilung des Defizits an. So wurden von Seiten des Trägers die Verträge gekündigt, in der gemeinsamen Absicht, sofort einen neuen Vertrag abzuschließen, der nahtlos einen Ausgleich der Verschuldung ermöglicht. Lediglich der Vertrag mit dem AWO-Kinderhort blieb erhalten, dieser wurde 2006 seitens der Stadt gekündigt.
Die Verhandlungen ziehen sich seit 2008 hin
Aber zu einer Unterzeichnung kam es daraufhin nicht. 2007 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen, die Stadt legte einen Vertrag vor und bot an, das Defizit ab 2004 (Kinderhort ab 2006) rückwirkend mit 60 Prozent zu übernehmen. Mit der AWO wurde eine Einigung erzielt. Die kirchlichen Kindergartenträger und der Diözesancaritasverband wollten aber auf Grundlage des bestehenden Vertragsmusters verhandeln, da dieser allen anderen Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft in der Diözese Passau entsprach. Der von der Stadt zu Beginn der Verhandlungen vorweggenommene Defizitausgleich wurde vom kommunalen Prüfungsverband bemängelt, so dass auch diese Zahlungen eingestellt werden mussten. Die Folge: Die Verhandlungen ziehen sich seit 2008 mehr oder weniger bis heute hin und wurden erst 2012 wieder aufgenommen. Es bestand aber immer der Wille, alle Träger gleich zu behandeln und gleiche Bedingungen im Defizitausgleich herzustellen, auch für die zurückliegenden Jahre.
Was man dem damaligen Stadtrat aus Steiningers Sicht vorwerfen muss, ist, dass keine Rücklagen für einen nach neuem Vertragsabschluss zu erwartenden Defizitausgleich in den Haushalt eingestellt wurden. Für ihn ein altbekanntes Problem: „Das spiegelt sich in der gesamten Projekt- und Finanzplanung der letzten Jahrzehnte ab. Wir haben inzwischen einen Investitionsstau von rund 70 Millionen Euro allein bei den Pflichtleistungen, da sind freiwillige Leistungen wie der Defizitausgleich der Kindergärten noch gar nicht eingerechnet.“ Der städtische Pflichtanteil von 50 Prozent gemäß Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) wird ohnehin jährlich bezahlt. Ein weiteres Problem: Vom Investitionsstau sind die Gebäude, in denen sich die Kindergärten befinden, betroffen. Steininger sagt, dass im Vertragswerk auch geregelt werden muss, in welcher Form sich die Stadt an den Gebäudekosten beteiligt. Hier kann die Stadt entweder eine fiktive Miete ausgleichen oder sich an Erhaltungs- und Reparaturkosten beteiligen.
Die Berechnung für das zu tragende Defizit ist im Fall Zwiesel nicht einfach. Auch Dekan Prellinger bestätigt, dass in den vergangenen Jahren bereits Zuschüsse unter anderem für eine Dachsanierung und dem Bau der Kinderkrippen geflossen sind. Wie hoch diese tatsächlich waren, muss laut Steininger erst noch exakt ermittelt werden. Bezüglich der vertraglichen Prüfung hat man sich an den Bayerischen Gemeindetag und den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband gewendet, wie die Situation dort bewertet wird. Der Investitionsstau birgt aber noch ein weiteres Problem. Wegen der angespannten Haushaltslage erhält die Stadt Zwiesel derzeit finanzielle Stabilisierungshilfen, 2014 waren das 1,7 Millionen Euro. Es steht die Frage im Raum, ob mit einem Defizitausgleich für freiwillige Leistungen die Stabilisierungshilfe gefährdet wird oder sogar zurückgezahlt werden muss.
„Wir können uns politische Eitelkeiten nicht leisten“
Vorbehaltlich dieser Prüfung durch das Finanzministerium stellt sich der momentane Stand der Verhandlungen so dar:
- Für die Vergangenheit (bis 2014) sollen die aufgelaufenen Defizite eventuell mit einer Pauschale abgegolten werden, falls hierfür noch eine Rechtsgrundlage besteht. Laut Prüfer sind hier zwei Varianten denkbar. Eine Nullrunde, da keine Vertragsgrundlage vorhanden ist oder Zahlung der gleichen Defizitvereinbarung wie bei der AWO.
- Für das Jahr 2015 haben die kirchlichen Träger Vertragsentwürfe entsprechend der AWO erhalten. Die Verträge wurden mittlerweile unterzeichnet.
- Für die Jahre ab 2016 wird mit allen Trägern neu verhandelt, da zwischenzeitlich auch die Verträge mit der AWO von der Stadt zum 31. August 2015 gekündigt wurden.
Aus Steiningers Sicht ist in den zurückliegenden Jahren viel falsch gelaufen, das muss jetzt wieder ins Reine gebracht werden. Steininger mahnt in diesem Zusammenhang Besonnenheit auch im Stadtrat an: „Wir können uns politische Ränkespiele und Eitelkeiten in dieser Causa nicht leisten.“ Dabei steht für ihn und Dekan Prellinger an aller erster Stelle die moralische Verpflichtung, den Erhalt und den ordnungsgemäßen Betrieb der Kindergärten sicher zu stellen. „Dazu müssen wir alle an einem Strang ziehen, damit das gute Betreuungsangebot erhalten bleibt. Das sollte bei den Verhandlungen im Vordergrund stehen. Schließlich geht es um die Zukunft unser Kinder und unserer jungen Familien.“
da Hog’n