„Du lieber Himmel“ – ist man versucht zu sagen: Was ist denn bitteschön mit Muse passiert? Unselige Erinnerungen an das letzte Album von Linkin Park kommen einem in den Sinn, wenn man sich „Simulation Theory“, das neueste Werk der britischen Art-Rock-Instanz anhört. Dabei geht das Ganze mit „Algorithm“ sogar noch gewohnt hochwertig, dramatisch und mit jenen wundervollen Harmonien vollgestopft los. Lediglich das kraftlose E-Schlagzeug lässt bereits Übles erahnen. Und leider, leider… Insgesamt ist das achte Studioalbum der Band um Sänger und Gitarrist Matthew Bellamy, Schlagzeuger Dominic Howard und Bassist Christopher Wolstenholme ein eher durchwachsenes Stück Musik geworden – ein Rohrkrepierer gar, wenn man es mit den Sternstunden in der Muse-Diskographie vergleicht.
Das zweite Stück „The Dark Side“ ist ein pulsierendes Etwas – und überzeugt mit theatralischen Bellamy-Vocals und einem immer noch enorm dramatischen Songaufbau. Da macht es nicht viel, dass die Gitarren praktisch nicht mehr erkennbar sind und in Synthie-Manier vor sich hinmäandern. „Pressure“ läutet dann aber die Abwärtsspirale ein. Hektisch, vermeintlich dreckig, dabei aber eher uninspiriert, wurschtelt man sich hin zum Happy-Go-Lucky-Refrain, der das Malheur aber letztlich auch nicht verhindern kann.
Kunst? Das wäre nur ein Euphemismus für Mist!
„Propaganda“ ist dann ganz schlimm. Vor allem der pseudo-weinerliche Gesang, der wohl irgendwie in Richtung Prince gehen soll, ohne dessen laszive Erotik auch nur ansatzweise zu erreichen, nervt. Und obendrauf sitzt ein einfach nur scheußlicher Refrain, den mit „Kunst“ zu beschreiben auch nur ein Euphemismus für Mist wäre. Schnell weiter.
„Break It To Me“ speit ein tolles, dissonantes Gitarrenriff aus, ehe über elektronisch klingende Drums, deren Beat immerhin in die Beine geht, ein orientalischer Singsang gelegt wird, der auch eher wieder aus dem Ohr raus will, als darin zu verweilen. Was ist nur aus der Band geworden, die mit der „Exogenesis“-Trilogie, „United States Of Eurasia“ oder „Thoughts Of A Dying Atheist“ echte Kunst-Rock-Wunderwerke geschrieben hat? Was?
„Something Human“ schlägt dann wieder etwas versöhnlichere Töne an, ist es doch ein locker-flockiges Stück Pop, das mit flirrenden Melodien und unbeschwerter Leichtigkeit überzeugt. Bellamys Stimme sorgt zwar für das nötige Quäntchen Schwermut, aber die Fröhlichkeit überwiegt – und steht Muse in diesem Falle gar wunderbar zu Gesicht. „Thought Contagion“ ist hingegen sperrig, aber nicht schlecht – auch wenn davon nicht viel im Großhirnspeicher zurückbleiben wird. „Get Up And Fight“ ist ein Song, dessen Refrain im Stadion bestimmt prima funktionieren wird – vor allem dann, wenn links, rechts, vorne, hinten, oben und unten Pyros eingesetzt werden. Die Strophen sind dagegen wieder eher B-Ware.
Beim nächsten Mal sieht’s hoffentlich wieder besser aus
Das letzte Drittel leitet „Blockades“ ein, ein hektisches Stück in alter Muse-Tradition. „Dig Down“ und „The Void“, die dieses durchwachsene Album abschließen, rauschen auch wieder eher in der Rubrik „unter ferner liefen“ am Hörer vorbei. Und das, liebe Muse, ist eindeutig zu wenig. Die anfängliche Befürchtung eines kompletten Rohrkrepierers à la Linkin Parks „One More Light“ erfüllt sich gottlob zwar nicht. Aber eine echte Empfehlung lässt sich auch nicht aussprechen. War schon das 2015er-Werk „Drones“ kein Killeralbum im Sinne von „The Resistance“ oder gar „Origin Of Symmetry“, ist „Simulation Theory“ das wohl schwächste Album im Muse-Katalog.
Nun gut, Schwamm drüber – beim nächsten Mal sieht’s hoffentlich wieder besser aus!
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 9. November 2018
- Label: Warner Music
- Songs: 11
- Spielzeit: 42:10 Minuten
- Preis: ca. 16 Euro