
14 Songs zwischen Schwermut, Ohrwurm und Melancholie gibt’s von „Unplaces“ zu hören. Fotos: Thomas Solecki
NRT – das hieß einmal „uNoRTe“, nur ohne Vokale, und war eine Band aus Bochum und Hannover, die 2012 gegründet wurde und unter diesem Namen eine LP und eine EP veröffentlicht hatte. Dann wurde allerdings deutlich offensichtlich, dass man sowohl gegen die Abkürzung des Tokioter Flughafens als auch den gleichnamigen Fernsehsender in Sachen Web-Präsenz den Kürzeren zog. Also musste ein neuer Name her. „Wir wollen uns aber nicht verabschieden von unseren geliebten Unorten. Daher haben wir freischaffend – und nicht ganz korrekt, wie immer – den englischen Begriff ‚Unplaces‘ als neuen Bandnamen gewählt“, hieß es dazu auf der Band-Website.
Mit „Changes“, das nun wirklich passender kaum betitelt hätte sein können, legen Dorette Gonschorek (Gesang, Gitarre, Trompete, Sounds), Petra Franetzki (Bass) und Daniel Fasold (Schlagzeug) nun dieser Tage ihr neues Album vor. Schick im Digipak kommt „Changes“ mit 14 Songs zwischen Schwermut, Ohrwurm und Melancholie, zwischen Post-Punk, Rock und Wave in einer knappen Stunde durch die Lautsprecher – wunderbar warm produziert und enorm unterhaltsam.
Mit schickem Trompeten-Solo und knackigen Gitarren
Die Musik ist aber dennoch nicht ganz einfach zu konsumieren, weil sie eine gewisse Schwere transportiert, die man beim Nebenherhören nicht immer brauchen kann. Die 14 Songs atmen zu jeder Minute den Duft der 80er-Jahre, wobei die oftmals durchaus rabiaten Gitarrenklänge eine gewisse Räudigkeit transportieren, die das Album auch für diejenigen Musikliebhaber interessant macht, die mit Wave-Synthie-Klängen an sich eher weniger anzufangen wissen.
Neben den 13 Eigenkompositionen, die allesamt auf einem kompositorisch sehr hohen Level sind, so dass nicht wirklich einzelne Songs herausstechen, gibt es zudem mit dem Talk-Talk-Evergreen „Such A Shame“ ein Zuckerl aus dem Jahr 1984 mit schickem Trompeten-Solo und knackigen Gitarren im Hintergrund.
Aber auch die Eigengewächse wie das düstere „The Left Behind“ oder das ruppige „Mister Bot“, bei dem sich Gitarre und Synthies ein besonders schönes Gegensätzlichkeits-Duell liefern, haben es in sich und zeigen eine Band, die genau weiß, wo sie musikalisch zu Hause ist. Ein wenig erinnert das, was da etwa in dem überlangen „Against Ourselves“ zu hören ist, an die Briten Portishead und deren Überhit „Glory Box„. Aber Unplaces sind eigenständig genug, so dass man nicht das Gefühl hat, hier etwas schon mal Gehörtes wiedergekäut zu bekommen.
Mit einem Viertel Rotwein im Herbst oder Winter – oder…
„Changes“ ist ein Album für die sprichwörtlichen gewissen Stunden. Das Ganze ist am besten bei Zufuhr eines Viertels Rotwein bei kleiner (Kerzen-)Flamme unter dem Kopfhörer zu genießen. Vorzugsweise im Herbst und Winter – es geht allerdings auch bei Sonnenschein im Juni. Kuschelige Gedanken kann man sich beim Betrachten der schicken Schwarzweiß-Fotos im liebevoll aufgemachten Digipak machen.
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 1. Juni 2018
- Label: Tangrami Records
- Songs: 14
- Spielzeit: 58:02 Minuten
- Preis: 18 Euro