Was für ein verdammtes Brett! Mein lieber Schwan, was Max Cavalera da auf dem elften Soulfly-Studioalbum „Ritual“ mit seinen Mitmusikern Marc Rizzo an der Gitarre, Mike Leon am Bass und seinem Sohn Zyon am Schlagzeug abliefert, ist vergleichbar mit einem mächtigen Schlag in die Eingeweide – oder, wie es Napalm Death’s Front-Brüllwürfel Barney Greenway mal über ein Konzert seiner Band sagte: „Eine Tonne positiver Wut!“
20 Jahre gibt es Soulfly nun schon – so lange liegt also auch der Split von Sepultura zurück. Während diese jedoch keine nachhaltig guten Alben mehr auf die Kette bekommen, ist Maxe wie von selbiger gelassen und hatte mit dem ersten Trio – „Soulfly“ (1998), „Primitive“ (2000) und „3“ (2002) gleich eine wahre Ethno-Thrash-Attacke vorgelegt, die sich (bis heute) gewaschen hat. „Prophecy“ (2004) und „Dark Ages“ (2005) waren aus dem gleichen Holz geschnitzt – und dann, so muss ich zugeben, hatte ich die Band, die 2008 „Conquer“, 2010 „Omen“, 2012 „Enslaved“ und 2013 „Savages“ zum Besten gab, bis zum 2015er Werk „Archangel“ ein wenig aus den Augen verloren.
Voll auf die 12! Wenn Onkel Maxe zur Dreisaitigen greift…
Aber dann flatterte neulich „Ritual“ auf den Schreibtisch – und was soll ich sagen? „Ritual“, der Song und Opener, geht dermaßen auf die Zwölf, dass ich im ersten Moment nicht so recht wusste, ob wir jetzt 1998 oder doch das Jahr 2018 schreiben. Rizzo und Maxe schroten nach dem Tribal-Intro und dem „Rattamahatta“-Gedächtnis-Dissonanz-Riff ein dermaßen brachiales Stumpf-Bollo-Riff raus, dass man selbst im eher heimeligen Büro einen zünftigen One-Man-Moshpit starten möchte – Wall of Death gegen das Whiteboard inklusive. So muss das sein, wenn Onkel Maxe zur Dreisaitigen greift und seine Zotteln schüttelt!
Eine knappe Dreiviertelstunde dauert das rituelle Massaker, das sicher keinen Preis in Sachen filigraner Technik und feingeistigem Gesang gewinnen wird, dafür aber in Sachen Energie und Power so schnell keine Gefangenen macht. „Evil Empowered“ ist ein Double-Bass-Monster, das nur kurz eine doomig-stampfende Pause macht, was tatsächlich Assoziationen zu einem unaufhaltsam näher heranrollenden Stahlkoloss weckt.
Beim hektischen „Dead Behind The Eyes“ kommt Randy Blythe von Lamb Of God als Gast zu Vocal-Ehren, was in einem enorm intensiven Hin-und-Her der beiden Schreihälse mündet. „Under Raputre“ zeigt den zweiten Gastauftritt – Ross Dolan von Immolation. „Demonized“ und „Blood On The Street“ sind extrem flinke Nackenbrecher, während „Feedback!“ beim Gitarrenriff eine deutliche Motörhead-Schlagseite aufzeigt – und „Um, dos, treis, quatro – not a fucking regret!“, ja, das ist Punk pur.
Chilliger Abschluss am Ende des jeweiligen Orkans
Höhe- und Kontrapunkt gleichermaßen – und ein Ritual im Soulfly-Camp – ist der soulige, sphärische und enorm chillige Abschluss mit „Soulfly XI“. Auf jedem der bisherigen Alben befand sich ein derartiger „Ort der Erholung“ am Ende des jeweiligen Orkans, der einen zur Ruhe kommen lässt und wieder erdet.
Keine Frage: Soulfly sind endgültig wieder da – und knüpfen mit dem neuen Album wieder ganz und gar an alte Zeiten an.
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 19. Oktober 2018
- Label: Nuclear Blast Records
- Songs: 10
- Spielzeit: 44:16 Minuten
- Preis: ca. 18 Euro