Hinterschmiding. Der Rücktritt von Gemeinderätin Manuela Kerschbaum, die Absetzung von Bauhofleiter Andreas Raab aufgrund einer Trunkenheitsfahrt, mehrere Strafanzeigen sowie ein erster Bürgermeister, der ausschließlich über das gemeindeinterne Mitteilungsblatt seinen Unmut über gewisse Vorkommnisse kundtut. „Gegenwärtig wird versucht, mit viel Energie die gemeindliche Arbeit und insbesondere die politische Arbeit im Gemeinderat zu stören, welche in Gänze auf den privaten Bereich überschwappt.“ Fritz Raab sieht sich als Opfer von Intrigen, die seiner Ansicht nach gegen ihn, seine Familie sowie seinen politischen Führungsstil gesponnen werden. Das Amt schaffe Leiden, teilt Raab mit.
Auf die Äußerungen des Hinterschmidinger Bürgermeisters im Mitteilungsblatt (da Hog’n berichtete) folgt nun die direkte Antwort der Gemeinderäte: Elf der vierzehn Mitglieder haben gemeinsam einen Offenen Brief verfasst, der auch dem Onlinemagazin da Hog’n vorliegt. Der Brief im Wortlaut:
„Im aktuellen Mitteilungsblatt der Gemeinde Hinterschmiding Ausgabe November 2018 beschreibt 1. Bürgermeister Fritz Raab u.a. die „Absetzung des Bauhofleiters“ und die „Störung der gemeindlichen Arbeit“. Wir unterzeichnenden Gemeinderatsmitglieder möchten hierzu Stellung nehmen und einige Anmerkungen richtigstellen.
Absetzung des Bauhofleiters
Wir sprechen uns nach wie vor dafür aus, Personalangelegenheiten in der Gemeinde nicht in die Öffentlichkeit zu tragen, sondern mit Rücksicht auf betroffene Personen intern zu behandeln. Nachdem Bürgermeister Raab die Personalie Bauhofleiter und Klärwärter leider nunmehr öffentlich darstellt, sehen wir uns gezwungen, seine Feststellungen ins rechte Licht zu rücken.
„Ausgewogene Entscheidung des Gemeinderats“
Grundsätzlich sind wir der Überzeugung, wenn ein Mitarbeiter mit seinem privaten Verhalten dem Ruf der Gemeinde schadet, sollte dies Konsequenzen haben. Aufgrund der familiären Situation, Vater Fritz Raab, 1. Bürgermeister und sein Sohn Andreas Raab, Bauhofleiter und Klärwärter, übernahm der 2. Bürgermeister Hubert Blöchl die personalrechtliche Verantwortung. Hubert Blöchl wollte aufgrund dieser heiklen Konstellation eine Entscheidung jedoch nur mit breiter Zustimmung des Gemeinderats treffen. Das Verhalten von Andreas Raab sollte nicht strenger oder milder geahndet werden, wie das eines jeden anderen Mitarbeiters in so einer Situation auch. Die Diskussion im nicht-öffentlichen Teil im Gemeinderat verlief über alle Fraktionen hinweg sachlich, ruhig und offen. Fritz Raab war aufgrund seiner persönlichen Beteiligung nicht anwesend. Die deutliche Mehrheit des Gemeinderats war und ist sich einig, mit dem Entzug der Funktion des Bauhofleiters auf unbestimmte Zeit eine ausgewogene Entscheidung getroffen zu haben.
Noch am selben Abend wurden wir in Kenntnis gesetzt, dass Andreas Raab aufgrund unserer Entscheidung nunmehr arbeitsunfähig erkrankt bzw. erkrankt ist. Arbeitsrechtlich wollen wir das, sowie die beleidigende Rückmeldung an den 2. Bürgermeister nicht bewerten, doch sind wir sehr überrascht, genau diese Argumentation im aktuellen Gemeindebrief lesen zu müssen. Der 2. Bürgermeister bzw. der Gemeinderat sei verantwortlich für die Arbeitsunfähigkeit von Andreas Raab und die daraus resultierende „nahezu abwassertechnische Handlungsunfähigkeit“ und Mehrarbeit der Mitarbeiter der Gemeinde. Bei Krankheit u.ä. besteht ein „Notfallplan“ für die Kläranlage und dieser Plan muss nun unter Aufsicht des 1. Bürgermeisters anlaufen. Der Gemeinderat schätzt, und das sagen wir in aller Deutlichkeit, die Arbeit des Klärwärters Andreas Raab und wünschen ihm, er möge bald wieder seinen Dienst für die Gemeinde aufnehmen können.
Störung der gemeindlichen Arbeit
Wir verurteilen sämtliche anonyme Anzeigen, die unsere Gemeinde bzw. unseren 1. Bürgermeister überziehen, halten sie für unfair, lästig und meist gegenstandslos. Wir unterzeichnenden Gemeinderatsmitglieder aus allen drei Fraktionen arbeiten trotz dieser Vorfälle und Anschuldigungen verantwortungsbewusst und konstruktiv zusammen, hart in der Sache aber stets fair. Entscheidungen im Gemeinderat fallen nach unserer Einschätzung unabhängig von Fraktion und Parteizugehörigkeit, sondern nach eigenen Überzeugungen. Daher können wir eine „Zerstörung der positiven Arbeit der regierenden Partei“, wie Bürgermeister Raab mitteilt, keineswegs feststellen. Unsere geschätzte und langjährige Kollegin Manuela Kerschbaum ist zurückgetreten, da nach einer Verleumdung für sie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint. Wir bedauern das sehr.
Vielen Dank für Ihr offenes Ohr und Ihr Verständnis!
Sabine Betz (CSU), Hubert Blöchl (FWG Herzogsreut), Andreas Breit (CSU), Roland Duschl (FWG Herzogsreut), Richard Eller (FWG Herzogsreut), Roland Hackl (CSU), Manuela Kerschbaum (ÜWG), Otto Krückl (CSU), Kaspar Sammer (FWG Herzogsreut), Kai Spänig (ÜWG), Michael Stockinger (ÜWG)“
Zweiter Bürgermeister Blöchl: „Die Situation ist angespannt“
Die drei übrigen Gemeinderäte wollen sich dazu entweder überhaupt nicht äußern (Harald Pauli), sich aus dem Thema raushalten (Walter Poxleitner) oder sind der Meinung, dass die ganze Angelegenheit rund um den ehemaligen Bauhofleiter und Sohn des Bürgermeisters Andreas Raab eine rein zivilrechtliche Angelegenheit sei – und mit dessen Arbeit für die Gemeinde nichts zu tun habe (Marco Stadler). Bürgermeister Fritz Raab beantwortet Fragen seitens des Onlinemagazins da Hog’n weiterhin nicht.
Ob nach dem Offenen Brief nun die Arbeit im Gemeindegremium wieder vertrauensvoll vonstatten gehen kann, hänge vor allem von der Reaktion des Bürgermeisters ab, teilt dessen Stellvertreter Hubert Blöchl auf Hog’n-Nachfrage. „Leicht wird es sicher nicht“, blickt Blöchl in die Zukunft. „Die Situation ist angespannt.“ Blöchl hatte bereits in einer vorausgehenden Gemeinderatssitzung die aktuelle Informationspolitik von Bürgermeister Raab kritisiert. Die Bürger würden über die örtliche Presse hinaus nicht mehr ausreichend über Gemeinderatsbeschlüsse und das Geschehen in der Gemeinde informiert. Auch Sitzungsprotokolle würden nicht mehr auf der Homepage veröffentlicht werden.
Raab ließ im September-Mitteilungsblatt verlautbaren: „Nachdem sich unbegründete Dienstaufsichtsbeschwerden häufen und letztlich anonyme und nicht haltbare Anzeigen und sonstige infame Aktionen gegen mich, gegen Familienmitglieder, gegen Mitarbeiter der Gemeinde sowie der Verwaltungsgemeinschaft und auch im weitesten Sinne gegen Entscheidungen im und vom Gemeinderat, die nahezu immer aus einer bestimmten Richtung stammen, bei der Rechtsaufsichtsbehörde, PNP und dgl. eingehen, sehe ich mich gezwungen, den Informationsservice erheblich zu reduzieren, weil immer wieder Bezug auf die Infos im gemeindlichen Mitteilungsblatt genommen wird. Es wird nur nach evtl. Fehltritten gesucht – aber vergeblich.“
da Hog’n
Jeder wägt seine Worte genau ab
(Kommentar)
Bürgermeister Fritz Raab hat selbst dazu beigetragen, dass die Situation angespannt ist. Er hat sich dazu entschieden, seine Sicht der Dinge im Mitteilungsblatt der Gemeinde zu veröffentlichen. Und das, obwohl die Entscheidung, seinen Sohn als Bauhofleiter abzusetzen, im nichtöffentlichen Teil der jüngsten Gemeinderatssitzung fiel. Er scheut im Mitteilungsblatt auch nicht davor zurück, klar Stellung zu beziehen und zu betonen, dass die Absetzung gegen seinen Willen erfolgt ist. Andererseits scheut er aber davor zurück, dem Onlinemagazin da Hog’n Fragen zu Thematik zu beantworten.
Offenbar breite überparteiliche Mehrheit im Gemeinderat
Die Reaktion der Gemeinderäte, mit einem öffentlichen Brief zu antworten, den wiederum Fritz Raab vor seiner Veröffentlichung nicht erhalten hat, ist folgerichtig. Der Bürgermeister hat die Diskussion darüber, ob sein Sohn zu Recht von seiner Position abgesetzt wurde oder nicht, mit deutlichen Worten in die Öffentlichkeit getragen. Nun reagieren auch die Gemeinderäte öffentlich. Und auch sie wollen sich nur in einem schriftlich formulierten Brief äußern. Egal, welchen der Beteiligten man befragen möchte: Jeder wägt seine Worte genau ab. Anonyme Anzeigen scheinen in der Gemeinde nicht unüblich zu sein – und keiner will da hineingezogen werden.
Eine offene Diskussion über die Absetzung des Bauhofleiters ist unter den gegebenen Umständen kaum möglich. Die Positionen sind mit den schriftlichen Äußerungen des Bürgermeisters und der Gemeinderatsmitglieder klar abgesteckt. Das „Leidgschmatz“ in den Wirtshäusern und auf den Straßen wird sicher vorerst nicht leiser werden. Ob es weitere anonyme Anzeigen in der Gemeinde geben wird, sei dahingestellt. Sicher ist: Jeder Beteiligte überlegt sich mittlerweile ganz genau, was er zu wem sagen will, kann und darf.
Unter diesen Umständen gestaltet sich die zukünftige Zusammenarbeit im Gemeinderat sicher schwierig. Die Tatsache, dass elf von vierzehn Mitgliedern des Gremiums den öffentlichen Antwortbrief zu den Aussagen des Bürgermeisters unterzeichnet haben, zeigt aber auch, dass es eine breite überparteiliche Mehrheit im Gemeinderat zu geben scheint, die „sachlich, ruhig und offen“ diskutieren kann, wie die Mitglieder schreiben.
Konflikte offen und konstruktiv austragen
Für die Gemeinde Hinterschmiding bleibt zu hoffen, dass dieser Zusammenhalt über die Mehrheit des Gemeinderates hinaus auch im Rest der Bevölkerung da ist – und Konflikte offen und konstruktiv ausgetragen werden, statt über anonyme Strafanzeigen und öffentliche Stellungnahmen.
Kommentar: Sabine Simon