Nürnberg/Haidmühle. Rund 1.800 Kinder in Deutschland erkranken jährlich an Krebs. Durch die Diagnose ändert sich nicht nur das Leben der Betroffenen schlagartig, sondern auch das ihrer Familien. Hilflose Eltern, die um das Leben ihres Kindes bangen, auf der einen Seite. Niedergeschlagene Geschwister, die notgedrungen zurückstecken müssen und mit ihren Ängsten oft alleine bleiben, auf der anderen. Die Elterninitiative krebskranker Kinder e.V. Nürnberg (EKK) unterstützt seit 1981 vom Schicksal gebeutelten Menschen. Unter anderem betreibt der Verein eine Wohnung in Haidmühle, in der sich Familien krebskranker Kinder vom meist recht tristen und kräftezehrenden Krankenhaus-Alltag erholen können.
Vor rund vier Jahren hatte die Organisation die rund 60 Quadratmeter große Räumlichkeit im „Haus Dreisessel“ in Haidmühle geerbt. „Die vormaligen Eigentümer haben ihren gesamten Besitz sowie ihr Bargeld sozialen Vereinen hinterlassen“, erklärt Irina Satzinger, Schatzmeisterin der Elterninitiative krebskranker Kinder e.V. Nürnberg. „Ein Sechser im Lotto – leider konnten wir uns aber nicht mehr bedanken.“ Schnell einigte sich der mehr als 400 Mitglieder starke Verein darauf, die Wohnung nicht zu verkaufen, sondern sie zu sanieren. Der Gedanke dahinter: Krebskranke Kinder sollen dort mit ihren Eltern und Geschwistern Urlaub machen können. Nur für einen kurzen Moment die Krankheit vergessen – in der Ruhe des Bayerischen Waldes.
„Familien sollen hier wieder zusammenwachsen“
„Wird bei einem Kind Krebs diagnostiziert, konzentriert sich oft ein Elternteil komplett auf dessen Pflege. Ehen zerbrechen an dieser Extrembelastung, finanzielle Probleme häufen sich“, weiß Irina Satzinger zu berichten. „Mit dieser Wohnung möchten wir auch dafür sorgen, dass die Familien wieder enger zusammenwachsen.“ Sie und ihr Mann Michael wissen, wovon sie sprechen. 2005 erkrankte ihre Tochter an Leukämie. Während dieser schwierigen Zeit wurden die Franken auf EKK aufmerksam und erfuhren Unterstützung durch die ehrenamtlichen Helfer. Aus Dankbarkeit, dass ihr Kind den Krebs besiegte, engagieren sie sich seitdem für den Verein.
Die Nürnberger Organisation hilft nicht nur finanziell, sie bietet unter anderem auch pädagogische und psychologische Betreuung für Kinder an – oder sorgt für kliniknahe Wohnmöglichkeiten. „Wir haben auch ein wöchentliches Elternkaffee samt Erfahrungsaustausch eingerichtet, oder kommen für zusätzliche Personalkosten auf der Krebsstation auf“, macht Irina Satzinger deutlich. Allein für die Bezahlung der Zusatzkräfte hat die Initiative im vergangenen Jahr einen sechsstelligen Betrag ausgegeben. Geld, das gut investiert ist, wie die 52-Jährige betont. Immer wieder besucht sie selbst krebskranke Kinder. Immer wieder belasten sie deren Schicksale aufs Äußerste – und reißen alte Wunden auf.
„… ansonsten drohen seelische Folgeschäden“
Doch Familie Satzinger will – im Rahmen ihrer Vergangenheitsbewältigung – genauso wie die Elterinitative krebskranker Kinder e.V. Nürnberg nicht wegschauen, sondern helfen. Das wird vor allem dann nötig, wenn die Patienten aus medizinischer Sicht als geheilt gelten. Denn die langwierigsten Folgen sind oftmals die psychischen. „Die Erlebnisse müssen unbedingt aufgearbeitet werden. Ansonsten kommt es zu seelischen Folgeschäden.“ Ausflüge und Sommerfeste gehören deshalb genauso zum Programm der fränkischen Einrichtung wie die Haidmühler Wohnung. Auch dank dem Entgegenkommen einiger regionaler Handwerker konnte diese Ende 2014 in neuem Glanze eröffnet werden. Seitdem ist sie gut besucht und ausgelastet, wie Irina Satzinger erzählt.
„Wir haben aber gelernt, dass das, was nichts kostet, nichts wert ist. Deshalb verlangen wir 30 Euro pro Nacht. Dieses Geld kommt wiederum unseren anderen Projekten zugute“, rechnet die Schatzmeisterin vor. Ist die gemütlich eingerichtete Wohnung mit Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Bad einmal nicht belegt, wird auch an „normale“ Urlauber vermietet. Der daraus generierte Erlös wird finanziell schwachen Familien krebskranker Kinder zur Verfügung gestellt. „Alles in allem ist diese Wohnung ein Glücksfall für uns – und für diejenigen, die wir unterstützen.“
Was fehlt, ist die öffentliche Wahrnehmung
Dass es in Haidmühle, an der deutsch-tschechischen Grenze, in der in den 70er Jahren erbauten Anlage „Haus Dreisessel“ überhaupt eine derartige Einrichtung gibt, ist bislang größtenteils im Verborgenen geblieben. Daher hat sich die EKK auf ihre Fahnen geschrieben, das Projekt künftig besser zu vermarkten und somit noch mehr Geld durch die Vermietung einzunehmen. „Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft“, stellt Irina Satzinger fest.
Und auch der CSU-Ortsverband Haidmühle hat diesen Gedanken aufgegriffen. „Wir werden diese Einrichtung demnächst nicht nur finanziell, sondern auch ideell unterstützen“, betonte CSUler Heinz Scheibenzuber bei der jüngsten Übergabe einer 500-Euro-Spende. Nicht nur die Satzingers und die EKK werden es ihnen danken, sondern auch viele krebskranke Buben und Mädchen, die mit ihren Familien nach Haidmühle kommen…
Helmut Weigerstorfer
_____________________
Wer den Verein ideel oder materiell unterstützen möchte –> Infos unter www.ekk-nuernberg.de/so-helfen-sie-spenden/
Spendenkonto:
Elterninitiative krebskranker Kinder e.V. Nürnberg
Sparkasse Nürnberg
IBAN: DE92 7605 0101 0001 9079 20
BIC: SSKNDE77XXX
Der Verein ist als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt.