Cham. „Es wird einem nicht leicht gemacht bei der Jobsuche“, sagt Alexandra (richtiger Name der Redaktion bekannt) und schüttelt den Kopf. Die 39-Jährige musste schon viele Enttäuschungen bei einer Vielzahl von Bewerbungsgesprächen hinnehmen. Der Grund: Sie ist alleinerziehende Mutter. „Ich schreibe Bewerbungen, bei denen ich meine zwei Kinder dem möglichen Arbeitgeber mitteile. Dann schreibe ich Bewerbungen, bei denen ich angebe, kinderlos zu sein. Das macht einen Riesenunterschied“, sagt sie – denn: „Kommst Du auf den Kinder-Stapel, wanderst Du sogleich in den Papierkorb. Bei kinderlos wirst Du tatsächlich auf ein Bewerbungsgespräch eingeladen.“ Mit einem Job hat’s bis heute nicht geklappt. Alexandra und ihre Tochter Sylvia (ihr Sohn ist bereits erwachsen) müssen von Hartz IV leben – wie derzeit rund 4,4 Millionen weitere Empfänger in Deutschland. Mit wie viel Geld die beiden ihren Alltag bestreiten müssen, was das alles mit ihrem Selbstwertgefühl macht und wie es für sie weitergehen wird, darüber berichtet sie im dritten und letzten Teil der Hog’n-Serie „Hartz-IV-Mama klagt an“.
„Der Witz ist ja“, sagt Alexandra beim Blick auf ihren Jobcenter-Leistungsbescheid, „dass einem Kindergeld und Elterngeld als Einkommen angerechnet wird.“ Dies könne doch nicht sein. Das Geld gehöre doch eigentlich ihrer Tochter, die Kleidung und Schuhe benötige, Essen und Trinken, für die ein Kindergartenplatz bezahlt werden müsse, für deren Wohl Strom, Wasser und Heizung anfallen… „Das Kindergeld sollte nicht angerechnet werden, weil das kein tatsächliches Einkommen ist.“ Und sie betont nochmals: „Das Geld, das ich als Mutter für mein Kind bekomme, gehört meinem Kind. Dass es ordentlich angezogen ist, dass es am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, dass der Kigaplatz gesichert ist…“
Politik und Wirtschaft in die Verantwortung nehmen
Denn der Kigaplatz werde den Kindern von Arbeitssuchenden nicht ganz bezahlt, berichtet die 39-Jährige, deren Tochter Sylvia von klein auf „Vollzeit“ im Kindergarten ist, damit Mama Alexandra ihrer Arbeit nachgehen kann – wenn sie denn eine hat. „Da musst Du einen gewissen Teilbetrag aus der eigenen Tasche zahlen.“ Beim Mittagessen kann sie für ihre Tochter einen Zuschuss beantragen. „Da bekommst du das Essen dann günstiger, es kostet trotzdem noch einen Euro pro Tag. Das macht 25 Euro im Monat.“ Hinzu kommen Ausgaben für Ausflüge, die auch nur zum Teil vom Amt übernommen werden.
Für Lebensmittel, Klamotten, Freizeitaktivitäten – Alexandra möchte ihrem Kind auch mal ein Eis kaufen oder mit ihr ins Bad gehen – fallen weitere 100 Euro im Monat für das Wohl ihrer Tochter an. „100 Euro, die sich einfach mal schnell so zusammenläppern, wenn man dem Kind ein bisschen was bieten möchte.“
Zu früheren Zeiten, erinnert sich Alexandra, habe es in den größeren Firmen noch die sogenannte Hausfrauen-Schicht gegeben, in denen vor allem Hausfrauen und Mütter ihrer Arbeit nachgehen konnten, während die Kinder im Kindergarten weilten. „Das wäre doch mal wieder was – das könnte man wieder einführen.“ Die Politik sei hier gefragt. Die großen Firmen gehörten mehr in die Verantwortung genommen. „Wir haben für so viele Dinge Geld übrig – etwa für irgendwelche Brunnenbau-Projekte in Afrika“, sagt Alexandra. Das sei sicher irgendwo sinnvoll, sagt sie, doch: „Warum muss ich in Afrika anfangen, wenn vor der Haustür die Hütte brennt? Ich muss doch erst einmal schauen, dass es den eigenen Leuten in der Umgebung gut geht.“
Das Klischee vom Hartz-IV’ler auf der faulen Haut nervt
Am meisten nervt Alexandra jedoch das mittlerweile gängige Hartz-IV’ler-Klischee, dass diese den ganzen Tag eh nur auf der faulen Haut liegen würden. Das darf man sich als Arbeitslosengeld-Empfänger heute gar nicht mehr erlauben, sagt sie. Denn es gehe um vertragliche Vereinbarungen mit dem Jobcenter, die es einzuhalten gelte. „Das heißt: Wenn ich dieser oder jener Auflage nicht nachkomme, gibt’s irgendwann gar kein Geld mehr. Ich muss mich regelmäßig melden, muss nachweisen, dass ich mich bewerbe und aktiv nach Jobs umschaue. Ich muss abliefern, immer aktiv sein, stets ein gewisses Quantum an Bewerbungen verschicken.“
Von der Behörde bekomme sie zudem regelmäßig sogenannte Vermittlungsvorschläge vorgelegt. Zum Beispiel als Servicekraft in einer Pizzeria. Dienstag bis Samstag oder Mittwoch bis Sonntag, jeweils Vollzeit von 17 bis 23 Uhr. „Dabei wissen die Leute vom Jobcenter aber, dass ich gar nicht so arbeiten kann, da ich zu dieser Zeit für meine Tochter da sein muss“, kommentiert Alexandra ratlos und fügt hinzu: „Die schicken’s mir trotzdem zu, weil Du Dich da zu bewerben hast.“ Eine Pro-forma-Bewerbung, um dann – im Falle eines Bewerbungsgesprächs – mit dem Arbeitgeber in Verhandlung um andere Arbeitszeiten treten zu können. „Wenn ich mich nicht bewerbe, bekomme ich eine Sperrzeit.“ Solche Bewerbungen sind ihrer Meinung nach sinnlose Unterfangen. Mittlerweile habe sie schon alles abgegrast, was sie – Alexandra hat in ihrem letzten Job vor der Arbeitslosikgeit einen schweren Arbeitsunfall erlitten – in ihrem Berufsbereich (noch) machen könne. „Ich kann nur noch doppelt und dreifach diejenigen Betriebe anschreiben, bei denen ich mich ohnehin schon mal beworben habe.“ Viele Vermittlungsangebote sind der alleinerziehenden Mutter zufolge nicht vereinbar mit der Kinderbetreuung, da diese zu den Abendstunden in ihrem Landkreis nicht angeboten werde.
Knapp 1.000 Euro bleiben den beiden zum (Über-)Leben
Zwischendurch hatte Alexandra eine Teilzeitstelle angenommen – die sie, nachdem sie bemerkt hatte, dass sie dabei „draufbezahle“, relativ schnell wieder aufgab. „Ich wollte das einmal ausprobieren und schauen, ob ich dann mehr Geld in der Tasche habe, wie wenn ich nur vom Arbeitslosengeld allein lebe.“ Das, was sie in ihrem Teilzeit-Job verdient hatte, reichte zum Leben jedoch nicht.“ Der Rest wurde dann vom Amt aufgestockt – gleichzeitig sei ihr jedoch das Kindergeld wieder auf ihr Einkommen angerechnet und abgezogen worden. Zudem musste sie für die Benzinkosten – zur Arbeit und wieder zurück waren es 30 Kilometer – überwiegend selbst aufkommen. Vom Amt gab’s pro gefahrenen Kilometer lediglich einen Zuschuss von 15 Cent. Bei den heutigen Benzinpreisen sei das zu wenig, zumal sie wegen ihrer Tochter zweimal täglich hin und her fahren musste, um sie vom Kindergarten abzuholen. Die 30 Kilometer durfte sie jedoch nur einmal täglich beim Amt in Rechnung stellen. Ergebnis des Teilzeit-Experiments: Es rechnet sich nicht.
Seit April bleiben Alexandra und ihrer Tochter nun 794,24 Euro zum Leben – die Miete in Höhe von rund 650 Euro muss sie (bis auf einen Heizkostenzuschuss in Höhe von 80 Euro) davon auch bezahlen. „Da ist Sylvias Unterhalt und das Kindergeld schon mit drinnen. Mehr gibt’s nicht.“ Da die Wohnung um zwei Quadratmeter größer war als das Amt es für angemessen hielt, blieb ein höherer Mietzuschuss aus. Die Alternative wäre gewesen in eine andere Wohnung umzuziehen – doch das hätte wiederum negative Auswirkungen auf die Koordination Tochter-Kindergarten-Hausmeisterjob gehabt.
Letzteren führt sie für 150 Euro im Monat auf geringfügiger Beschäftigungsbasis aus. Als Hartz-IV-Empfängerin darf sie bis zu 165 Euro dazu verdienen, ohne dass dieser Betrag gegengerechnet wird. Somit bleiben knapp 1.000 Euro zum (Über-)Leben für die beiden. „Es ist also nicht so, dass wir im Luxus schwelgen, so wie’s uns immer unterstellt wird, dass wir fürs Nichtstun einen Haufen Geld in den A**** gestopft bekommen…“, regt sich Alexandra auf. „Doch was erwarten sie denn? Wie muss denn ein Harzt-IV’ler rumrennen? Mit der Jogginghose? Mit fettigen Haaren? Ungepflegt?“
Keine Angst vor der Zukunft: „Unkraut vergeht nicht“
Da die Sommer-Saison gerade erst wieder begonnen hat, ist sie derzeit guter Dinge im Gastro- und Service-Bereich tätig werden zu können. „Ob ich das körperlich noch schaffe, steht auf einem anderen Blatt. Ich möchte nur schauen, dass ich aus dem Hartz-IV-Dings rauskomme, weshalb ich in den sauren Apfel beißen muss. Was mein Körper sagt, darauf kann ich nicht hören.“ Dass sie gesundheitlich durchaus eingeschränkt sei, wolle sie einem möglichen Arbeitgeber nicht offenbaren. Das interessiert den ohnehin nicht, sagt sie. „Angst vor der Zukunft habe ich keine. Unkraut vergeht nicht.“
Stephan Hörhammer
Schauen, hoffen, auffordern als ob das die Politiker die für die Politik der Prekarisierung der letzten Jahre und Jahrzehnte verantwortlich sind beeindrucken würde. Dieses Politik und Wirtschaftssystem bieten nicht mehr allen Teilhaben und dient nur noch einer Minderheit incl. den Politikern die sich selber feudale Bezüge und Altersversorgungen generieren und das ist die Aufgabe von manipulierten Statistiken wie zB.der Arbeitslosenstatistik diese Sachverhalte zu vertuschen.
Zumindest ich vertrete durchaus radikalere Ansichten mit denen man sich sicher nicht bei jedem beliebt macht aber in meinen Augen ist das für die Verarmten und Verelendeten durch Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte in meinen Augen die Einzigste wirklich früchtetragende Möglichkeit sich soziale und wirtschaftliche Teilhabe zu sicher. Hier mein Statement:
kürzlich war zu lesen:
„Ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland – und damit rund 16,1 Millionen Menschen – waren einer Statistik zufolge im vergangenen Jahr von Armut oder sozialer Ausgrenzung konfrontiert.“
Wenn von diesen 16 Millionen nur 1/4 also 4 Millionen, beschließen würden eine eigene Armee zu bilden, bewaffnet mit Strumgewehren und RPG’s um ihre wirtschaftlichen und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, dann wäre Politik der Verelendung und Verarmung ganzer Landstriche und Bevölkerungsgruppen (zB. Agenda 2010 bzw. Hartz-Reformen uvm.) schnell beendet. Ich darf darauf hinweisen, dass die Summe an Politikern, Richtern, Staatsanwälte, Polizei von mir aus auch Bundeswehr nur ein Paar Hundertausend beträgt, wobei nur Polizei und Bundeswehr (die bewaffnete Speerspitze der Teufel) relevant sind und davon auch nur diejenigen die ihre Seele und ihr Fleisch dem Teufel, also der verantwortlichen Politik, verkauft haben. Also eine bewältigbare Ausgangssituation.
Mir wird es immer ein Rätsel bleiben wie so viele Millionen sich von einem so erbärmlichen Haufen Scheiße von Politikern/innen die dieses Land in den letzten Jahren und Jahrzehnten malträtierten ein Leben von wirtschaftlicher und sozialer Ausgrenzung aufnötigen und verordnen ließen ohne denen ihre Grenzen und ihr Ende aufzuzeigen!
Wenn das eintritt können den Politikern ihre feudalen Luxusrenten und Bezüge auf oder unter Hartz4-Niveau oder 0 gekürzt. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgeben und ich bete jeden Tag dafür, das das passiert, die dummen selbstgefälligen Politikfressen möchte ich dann zu gerne sehen!
Gut geschrieben Erich und voll deiner Meinung. Ich habe kein Mitleid mit den Deutschen, Die wollen geknechtet werden.
die Arbeitslosenstatistik ist nicht anderes als eine Argumentations- und Rechtfertigungshilfe für die Politik bzw. dem System, um ein krankes, korruptes, das Millionen keine reguläre auskömmliche Teilhabe am Arbeitsmarkt mehr bietet, nur noch einer Minderheit, einschließlich den Politiker selbst, dienendes Politik und Wirtschaftssystem am Leben zu erhalten. Um die Ursache für Altagsarmut und Altersarmut die unweigerlich auf, nicht ein Paar Tausend, sondern mehrere Millionen Bürger zu kommen wird zu rechtfertigen, nach dem Motto, sieh her die Arbeitslosenzahl ist niedrig also muss der Umstand das du arm bist, wirtschaftlich und sozial ausgegrenzt und am Abgrund lebst an dir selber liegen.
Wenigstens wurden die Lebenshaltungskosten erhöht.
Also das Existenzminimum.
In den letzten 4 Jahren bei den HartzIV Empfängern immerhin um 27 Euro,
bei den Abgeordneten reichte es nur für 1.290 Euro…
kürzlich war zu lesen:
„Das ganze System Hartz IV ist darauf ausgelegt, es den Menschen möglichst schwer zu machen, Geld vom Staat zu bekommen“, sagt Steidl. „Man nennt das ,vertreibende Hilfe’. Das bedeutet, die Hürde, die man überwinden muss, um Unterstützung zu bekommen, ist so hoch, dass viele Leute es gar nicht erst versuchen.“
Quelle:
Abendzeitung
Ein Tag im Jobcenter
Am kürzeren Hebel: Der Münchner Hartz-IV-Report
und ebenso war vor kurzem zu lesen:
Laut einer Meldung (basierend auf einer Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfoschung) verzichten 3,1 – 4,9 Millionen Antragsberechtigte auf Hartz IV und leben so in verdeckter Armut. Herrscht doch in diesen Ämter ein unhöflicher und oft menschenunwürdiger Ton. Hinzu kommt das Drohzenario, das in diesen Ämtern aufgebaut wird und so manchen Anspruchsberechtigten davon abhält, zum JobCenter zu gehen.
Noch Fragen?!