Cham. Alexandra (richtiger Name der Redaktion bekannt) ist frustriert. Die 39-Jährige ist gelernte Hauswirtschafterin und hat viel Erfahrung in der Gastronomie. Doch trotz einer soliden, beruflichen Grundlage und dem unbedingten Willen, arbeiten gehen zu wollen, muss sie heute von Hartz IV leben. Der Grund: Keiner will sie einstellen, weil sie einen „Makel“ hat, wie sie sagt: Sie ist alleinerziehende Mutter. Und alleinerziehende Mütter – genauso wie Väter – gehören aus Sicht der meisten Arbeitgeber zu einer „Risikogruppe“, die keiner im Betrieb haben will, klagt Alexandra. Das habe sie die Vergangenheit gelehrt. Chronologie eines Arbeiterschicksals.
Eigentlich wollte sie nach dem Quali Automechanikerin werden. Technische Dinge hatten sie bereits von Kleinauf begeistert. Das liege ihr im Blut, wie sie sagt. Auch deshalb, weil ihr Vater KfZ-Mechaniker ist. „Doch er hat mich nicht lasssen.“ Frauen sollten seiner Meinung nach „saubere Jobs“ haben, im Büro arbeiten. Und keine dreckigen Finger bekommen. Klischeedenken. Sie ist dann mehr oder weniger freiwillig in die Hauswirtschaftsschule gegangen. Damals war sie 16.
„Da bist Du unten durch, auch bei so manchem Freund von früher“
Nach dem Abschluss ist Alexandra sogleich in der Gastronomie gelandet. Weil dort damals noch mehr Geld zu verdienen war, erzählt sie heute. Sie hat dann in verschiedenen Häusern gekellnert, ist von einem Betrieb zum nächsten „gesprungen“, wie sie sagt. Ihr Sohn Stefan ist dann zur Welt gekommen – der Vater hatte sich schnell davon gemacht. Sie hat nebenher noch in der Wäscherei gejobbt, um sich und ihren Sohn über Wasser zu halten. Doch dort haben sie irgendwann auf Dreischicht-Betrieb umgestellt. Das Maß war erstmal voll. „Ich hab gesagt: Sorry, es geht nicht mehr. Ich verdiene hier nicht mehr genügend Geld für mich und Stefan. Das funktioniert hier nicht, ich probier’s woanders.“
Alexandra hat daraufhin „einen rigorosen Cut“ gemacht, hat ihren Sohn und ihre sieben Sachen eingepackt und innerhalb von einem Monat sämtliche Zelte im Bayerischen Wald abgebrochen. „Ich habe einen 40-Tonner gemietet, alles reingeschmissen und bin ab nach Baden-Württemberg.“ In die Nähe von Ulm. In eine Gegend, in der es viele gastronomische Betriebe gibt. Ihre Entscheidung für den Ulmer Raum fiel genau aus diesem Grund. „Ich hab mir noch am selben Wochenende eine Wohnung gesucht und sie eingeräumt.“ Damals war sie Anfang 20.
Die ersten Jobs bekam sie recht schnell. Die Urlaubsaison rund um den Bodensee hatte gerade erst begonnen. „Meinen Sohn habe ich ganztags in den Kindergarten gegeben. Das war anfangs hart für mich.“ Doch es galt, das Geld für Miete und den Lebensunterhalt zu verdienen. Fernab der Heimat, wo sie zum ersten Mal einen Hauch von Unabhängigkeit, von Freiheit verspürte. Auch im Rückblick bereut sie ihren abrupten Abschied aus dem Bayerwald nicht. „Es war die richtige Entscheidung.“ Sie würd’s auch heute wieder tun, sagt sie. „Ich würd’s machen, keine Sekunde drüber nachdenken.“ Und ergänzt: „So schade, wie es sich anhört, aber ich bin dort mehr zu Hause als bei uns. Hier bekommst Du diesen Halt gar nicht mehr. Wenn Du nach 15 Jahren wieder heimkommst, schauen sie Dich alle an – dann bist Du der Außenseiter. Da bist Du unten durch, auch bei so manchem Freund von früher – weil Du diejenige warst, die über den Tellerrand geschaut hat.“ Doch sie war froh darüber, einmal vom Woid weggezogen zu sein, eine andere Region mit anderen Menschen kennengelernt zu haben, beteuert sie.
„Du bist immer jemand von der ganz untersten Gehaltsklasse“
Warum sie doch wieder zurückgekehrt ist? Aufgrund einer „verhängnisvollen Affäre“, wie sie heute mit einem eher gequälten Lächeln zugibt. Bei einem Heimatbesuch ist ihr ein alter Bekannter über den Weg gelaufen. Sie gingen aus – „und wie’s der Teufel haben will, stand dann irgendwann die Entscheidung ins Haus: Soll ich zu Dir ziehen oder Du zu mir?“ Woraufhin sie antwortete: „Okay, ich geh zurück in den Woid.“ Mit Sack und Pack ist sie dann heimgekehrt, hat ihre letzte Arbeitsstelle als Zugbegleterin bei der Deutschen Bahn gekündigt. Wenig später hatte sich Tochter Sylvia angekündigt. Damals war sie Mitte 30.
„Da bin ich erstmal aus allen Wolken gefallen“, sagt sie. Sie war fassungslos, stellte sich immer wieder die Frage: Will ich das überhaupt noch? Sie hatte drei Wochen Zeit sich zu entscheiden. Die Angst, am Ende wieder alleine mit Kind dazustehen, war riesig. „Du kriegst als alleinstehende Mutter nicht die Jobs, die Du sonst kriegst. Du bist immer jemand von der ganz untersten Gehaltsklasse – weil Du ein Kind hast. Du zählst dann zu einer Risikogruppe. Als Alleinerziehende bist Du immer Risikogruppe. Wenn Dein Kind krank wird und Du bei ihm zu Hause bleibst und es pflegst, dann kostest Du den Betrieb Geld. Weil Du dann ja nicht in der Arbeit bist.“
Alexandras Verzweiflung war groß. Die Augen hat sie sich aus dem Kopf geheult. „Ich hab tatsächlich überlegt, ob ich nicht einen Termin beim Arzt machen soll“. Ihre Gedanken: Das Theater mache ich kein zweites Mal mehr durch – „weil ich weiß, was es heißt, wenn man mittendrin dann alleine dasteht. Wie man sich da wieder durchs Leben kämpfen muss.“ Ihr Sohn war schon aus dem Gröbsten raus, schon fast erwachsen und auf dem Weg, sein eigenes Leben zu führen. „Und ich stand vor der Wahl: Das Leben wieder so in Angriff nehmen, dass ich verschiedene Jobs annehmen kann, Schichten machen kann, mir Urlaub leisten kann. Oder ich krieg jetzt das Kind und fange wieder von vorne an.“ Alexandra entschied sich am Ende für ihre Tochter. Abtreiben kam für sie nicht in Frage. „Ich hab dann gesagt: Das ist jetzt so und fertig, hab die Situation akzeptiert – und dann hab ich’s eben durchgezogen.“
Ihre Tochter war damals neun Monate alt, als sich ihr Partner von ihr trennte. „Umorientiert“ habe er sich, wie sie es heute nennt. „Weil ihm die Verantwortung zu viel wurde.“ Und ein Kind bedeute nunmal Verantwortung zu übernehmen. „Da war ich dann auch so radikal um ihm zu sagen, dass er sich zum Teufel scheren kann. Ich hab eins groß bekommen, da bekomm ich das zweite auch groß.“ Ängste hatte sie zu dem Zeitpunkt keine mehr – „das war für mich eher ein Befreiungsschlag“. Warum sollte sie sich jahrelang mit einem Menschen „rumquälen“, wenn am Ende keiner etwas davon hat? Am wenigsten ihre Tochter? Zusammenbleiben um jeden Preis ist nicht Alexandras Sache nicht. „Deswegen hab ich einen Strich gezogen.“
Heute hat sie ein normales Verhältnis zum Vater ihrer Tochter. „Wenn was ist, ruf ich ihn an – und er ist da.“ Er sei ein guter, fürsorglicher Vater. Er holt Sylvia meist am Donnerstag vom Kindergarten ab, dann bleibt sie übers Wochenende bei ihm. Oder mal von Freitag bis Sonntag. „Er hat doch noch Verantwortungsgefühl entwickelt.“
„Entweder Sie arbeiten jetzt auch die Spätschicht – oder Sie gehen“
Nach Evas Geburt nahm sich Alexandra ein Jahr Elternzeit. „Luxus“, wie sie’s nennt. Danach ging’s wieder auf Jobsuche. Ein neues Kaffeehaus hatte in der Stadt gerade seine Pforten neu geöffnet. „Ich hab gesagt: Jetzt leistet Du’s Dir mal ohne Kind zu sein – und gehst einen Kaffee trinken.“ Drinnen angekommen, herrschte das totale Chaos. „Als Gastrofrau hab ich gleich erkannt, dass da einiges schief läuft.“ Die Betreiberin stand kurz vor dem Kollaps, war aufgrund des Andrangs und des offensichtlichen Personalmangels völlig überfordert. Nach einer dreiviertel Stunde wurde Alexandra der bestellte Kaffee serviert. „Das arme Mädel hatte Tränen in den Augen. Sie war fertig und tat mir leid. Ich hab ihr meine Hilfe angeboten und bin dann sogleich hinter die Theke. In einer Stunde hab‘ ich ihr das ganze Café geschmissen“, erinnert sie sich und lacht. Der Kaffee ging dann aufs Haus. „Sie hat mich hinterher gefragt: Kommst Du morgen auch wieder? Und übermorgen?“ Das war ihr Bewerbungsgespräch. Sie wurde eingestellt als Bedienung.
Ein Jahr hatte sie diesen Job „mitgemacht“ – bis schließlich die Insolvenz kam. Eine Insolvenz, die absehbar war, wie sie sagt. „Als das Ende nahte, hab‘ ich Bewerbungen geschrieben und das sinkende Schiff rechtzeitig verlassen.“
Danach hatte sie sich „umorientiert“, hat in einer Spielothek zu arbeiten begonnen. Doch auch dort war sie nicht lange. „Die stellen Dich ein, versprechen Dir, Du kannst Vollzeit von früh bis nachmittags arbeiten.“ Mittendrin wurde ihr dann mitgeteilt: „Entweder Sie arbeiten jetzt auch die Spätschicht bis nachts um eins – oder Sie gehen.“ Trotzdem sie von Anfang an gesagt hatte, dass sie ein Kind habe und nur zu den Zeiten arbeiten könne, zu denen ihre Tochter im Kindergarten sei. „Meine Kleine war mit neun Monaten schon im Kinderhort – fast die gesamte Woche über von früh bis spät. Um halb 8 hab ich sie hingebracht, um dreiviertel fünf wieder abgeholt – damit ich Vollzeit in die Arbeit gehen kann. Damit wir über die Runden kommen.“ In diesem Jahr kommt Sylvia in die erste Klasse. „Da muss ich dann auch schauen, dass sie die Ganztagsbetreuung kriegt, denn sonst stehst Du dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung“, sagt Alexandra, nippt an ihrem Kaffee und schaut aus dem Fenster.
Stephan Hörhammer
Im nächsten Teil der Hog’n-Serie „Hartz-IV-Mama klagt an“ erfahrt Ihr, wie es mit Alexandra nach dem Rauswurf aus der Spielothek weiterging. Wie sie einen neuen Job in der Gastro-Branche fand, der sie am Ende fast um ihre Gesundheit brachte – und wie sie schließlich zur Hartz-IV-Empfängerin wurde.
- Hartz-IV-Mama klagt an (2): „Alleinerziehende sind nicht wirtschaftlich“
- Hartz-IV-Mama klagt an (3): „Schauen, dass es den eigenen Leuten gut geht“
mit der Agenda 2010 bzw. den Hartz-Gesetzen wurde das Grundgesetz für Teile der Bevölkerung ausser Kraft gesetzt! Von fordern und fördern so gut wie keine Spur mehr, es geht nur noch um fordern bzw. einsparen um Mittel für andere und anderes frei zu machen (wie zB. eine Summe von 1,5 Milliarden Euro, die die Jobcenter in den letzten drei Jahren aus dem Hartz IV Fördertopf umgeschichtet haben um damit ihre eigenen Verwaltungskosten und Tariferhöhungen ihrer eigenen Mitarbeiter zu finanzieren) , quasi eine Enteignung durch die Hintertür.
Ergebnis: die Verarmung und Verelendung ganzer Landstriche und Bevölkerungsgruppen! Der Umbau des Gesundheitswesen und die damit verbunden Streichungen von Leistungen der gesetzlich Versicherten kommt da noch erschwerend oben drauf! Daran ändern auch manipulierte Statistiken (wie z.H. die Arbeitslosenstatistik, Statistiken zur Vermögensverteilung usw.), die von der Medien-Mafia gebetsmühlenartig verbreitet werden, nichts!
Die Folge für die Zukunft ist ein Zunami an Altersarmut dieser prekär Beschäftigten und von längerer Zeit von Arbeitslosigkeit betroffener Menschen, was die Politiker die dafür verantwortlich sind aber nicht mehr interessieren wird, weil sie dann selbst schon selbst mit feudalen Altersbezügen im Ruhestand sind. Auch Weise, Alt und Becker, Clement, Müntefering und die anderen wird es nicht mehr interessieren weil sie dann unter ähnlichen Konditionen wie zB. Intendant des WDR (rund 370000 Euro im Jahr verdient er und außerdem hat die Anstalt bereits 2,9 Mio für seine Pension abgezweigt) sich in den Ruhestand verabschiedet haben oder werden. Zurück bleibt das Prekariat das Flaschen sammelt, unter den Brücken haust, in Mülleimern wühlt und bei den Tafeln gefüttert werden damit sie nicht auf andere Gedanken kommen.
Welche Ausmaße diese Politik der wirtschaftlichen und sozialen Ausgrenzung inzwischen angenommen hat war kürzlich auf HartzIV org zu lesen, nämlich wie z.B.
Hartz IV Sanktionen gnadenlos – auch gegen Familien mit Kindern
oder
Kein Hartz IV Schonvermögen: Eltern müssen Haus verkaufen
oder
Laut einer Meldung (basierend auf einer Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfoschung) verzichten 3,1 – 4,9 Millionen Antragsberechtigte auf Hartz IV und leben so in verdeckter Armut. Herrscht doch in diesen Ämter ein unhöflicher und oft menschenunwürdiger Ton. Hinzu kommt das Drohzenario, das in diesen Ämtern aufgebaut wird und so manchen Anspruchsberechtigten davon abhält, zum JobCenter zu gehen.
oder
In Deutschland gibt es immer mehr Menschen, die in Armut leben. Dabei sind nicht nur Erwerbslose stark von Armut betroffen, sondern auch immer mehr Alleinerziehende.
Stimme zu!
Das Jammerbild, das die SPD heute noch darstellt, ist aus den damaligen „Fehlentscheidungen“ nach unserer Volkeswahrnehmung hervorgegangen, weil diese Arbeiterpartei unter Schröder ihr Stammvolk verraten hat und sich der Oberschicht, die eh gut dastand, zugewandt hat und deren Säckel füllte. Der Kanzler der Bosse, wie er damals genannt wurde, hat da mit seinen, zum Teil heute noch aktiven Mitstreitern, ganze Arbeit geleistet! Nun sucht die SPD krampfhaft ihre Wurzeln aus der Ära Brandt und findet sie nicht mehr. Die Agenda 2010 hatte sicher auch ihre guten Seiten, aber die verbrannte Erde auf dem Boden der Unter- und Mittelschicht kann sie nicht verdecken. Und heute traut sich keiner der SPD-Granden die Kehrtwende mehr zu, weil es sie selber den Kopf kosten könnte. Siehe Martin Schulz! Der muss nun dafür herhalten als Prellbock der alten Versäumnisse, während Schröder bei Gazprom ausgesorgt hat, La Fontain links gerutscht ist, Müntefering selber Wohlstandsschlagzeilen produziert, der damals „junge“ Oppermann in der 2. Reihe den Arsch ruhig hält und opportuniert, die SPD in Bayern, wie immer, kein Land sieht……und wir kleinen Leute weiter gemolken werden, weil keiner dagegen aufsteht! Und die Opfer ganz unten auf der Nahrungskette, siehe o. g. Dame aus dem Artikel, müssen weiter beten und hoffen……worauf?