Breitenberg. „Die Vorbesitzer haben uns gesagt: Der Woid, der hält einen fest – oder er spuckt einen aus“, erzählt Alexander Popitz und lacht. Die Vorbesitzer der „Villa Breitenberg“ hatten offensichtlich das Gefühl, ausgespuckt worden zu sein. Denn jetzt haben der Münchener und sein Partner Guido Hettler ihr Glück in dem ganz besonderen Haus aus dem Jahr 1904 gefunden. Sie haben die Villa Breitenberg gekauft, sanieren sie gerade und wollen Ende Mai das Gästehaus eröffnen.
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Alexander Popitz und Guido Hettler haben die „Villa Breitenberg“ gekauft und machen daraus ein besonderes Gästehaus.
Es ist wohl der Traum vieler Menschen: ein schönes altes Haus kaufen, es nach den eigenen Vorstellungen renovieren und einrichten – und ein kleines Hotel daraus machen. Es ist aber auch eine große Herausforderung – vor allem, wenn man aus München in den Bayerischen Wald kommt und hier ganz neu anfängt. Und noch dazu ein so großes, so altes Haus wie die Villa Breitenberg kauft. Ein Haus mit insgesamt 30 Zimmern, tausend Quadratmetern Wohnfläche, dazu fast zweihundert Quadratmeter im Nebengebäude. Die Grundstücksfläche misst beachtliche dreitausend Quadratmeter.
„Ein paar Schönheitsreparaturen hier, eine Wand einreißen dort“
„Wir haben’s a bisserl unterschätzt“, gibt Alexander Popitz zu. „Das Haus ist größer und schwieriger zu erhalten, als man das auf den ersten Blick denkt.“ Die Baumaßnahmen sind am Ende viel umfangreicher ausgefallen. Kurz vor der Eröffnung gibt es daher noch viel zu tun. Der Schreiner verlegt im Nebengebäude Böden, die beiden Hausherren packen beim Bettenaufbau im Hauptgebäude selbst mit an, der Garten sieht teilweise noch wie ein Schlachtfeld aus. Und schon in ein paar Tagen kommen die ersten Gäste.
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Im ehemaligen Kutscherhaus, dem Nebengebäude, sind Seminarräume und eine Ferienwohnung untergebracht.
„Wir haben gedacht: Ein paar Schönheitsreparaturen hier, ein Bad einbauen und eine Wand einreißen dort – alles ganz easy“, erzählt Guido und lächelt ob der naiven Herangehensweise. Als sie das Haus im vergangenen Jahr gekauft hatten, gab es nicht für jedes Zimmer ein eigenes Bad. Denn das Gebäude wurde ursprünglich nicht als Gästehaus konzipiert.
Die Villa Breitenberg diente Anfang des 20. Jahrhunderts als Landarzt-Sitz. Erbaut hat sie ein Landarzt namens Koschminsky in den Jahren 1904 bis 1907. Der Baustil: Wiener Moderne – was die Villa zu einem völligen Fremdkörper in der Region machte. Einzig das Baumaterial war typisch Bayerwald: das Fundament aus Granit erbaut, die Mauern mit Granit verkleidet.
Es gab Patientenzimmer für Leute, die eine längere Anreise oder schwerere Krankheiten hatten und daher über Nacht bleiben mussten. Viel später, in den 80er Jahren, funktionierte der Münchner Künstler Gerd Grüneisl die Villa schließlich zum Seminarhaus um und vermietete die Patientenzimmer an Gäste. Ein Bad pro Stockwerk reichte damals aus. Zu dieser Zeit war ein Etagenbad noch nichts, über das sich die Gäste empört hätten – heutzutage kann man damit wohl niemanden mehr anlocken. Daher findet nun der umfangreiche Umbau statt.
Das Flair des Hauses sollte spürbar bleiben
Um für jedes Zimmer ein Bad einbauen zu können, mussten die neuen Besitzer erst einmal Wände herausreißen, sogar den Grundriss verändern. Deshalb ist die Renovierung am Ende größer und teurer ausgefallen, als ursprünglich gedacht: „Es hat sofort Forderungen zum Brandschutz nach sich gezogen, weil wir den Bestandsschutz dadurch verloren haben“, berichtet Alexander Popitz. Eine Reihe von ungeplanten Zusatzmaßnahmen folgten.
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Regionale Firmen wie „Franz Bettenbauer“ sorgen in der Villa Breitenberg für das passende Interieur.
Wie zum Beispiel: stabilere Türen. Auch wenn es mühsam und kostspielig war, die alten Türen zu verstärken – neue kamen nicht in Frage. Das Flair des Hauses sollte spürbar bleiben. „Dass die Türen und Fenster vielleicht nicht hundertprozentig schließen, das wollten wir so. Wir wollten, dass es nicht hundert Prozent perfekt ist“, sagt Guido Hettler. „Ich denke, unsere Gäste werden das auch honorieren“, ergänzt Alexander Popitz. Den Charme des Hauses „herauszukitzeln“ ist das erklärte Ziel der beiden. „Es macht Spaß, alte Sachen wieder zu entdecken. So manches ist im Haus versteckt gewesen. Die alten Bestandsdielen etwa waren mit Resopal und Verlegeböden zugedeckt.“
Popitz wollte als gelernter Schreiner bei der Renovierung viel selber machen. Doch schnell stellte er fest: „Es ist ein riesiger Unterschied, ob man eine Wohnung herrichtet oder ein so großes Haus. Selbst so Sachen wie Vorhänge aufhängen oder Lampen anbringen wird da schnell zu einer größeren Nummer.“ Deshalb haben regionale Firmen, Schreiner, Maurer und Fliesenleger aus dem Ort und der näheren Umgebung die meisten Arbeiten übernommen. Auch das Nebengebäude der Villa erstrahlt mittlerweile – rein äußerlich – im neuen Glanz. Innen befindet sich indes noch eine größere Baustelle. In dem ehemaligen Kutscherhaus – dort war zu Zeiten des Landarztes Anfang des 20. Jahrhunderts die Wohnung des Kutschers sowie die Kutsche samt Pferden untergebracht – entstehen Gruppenräume und eine Ferienwohnung. „Das Nebengebäude war eine Ruine“, berichtet Guido Hettler. „Zwar haben alle Fachleute gesagt: Abreißen! Wir bauen es euch genauso wieder auf wie es vorher war. Doch wir wollten die 80 Zentimeter dicken Granitmauern erhalten, die alten Steingerichte um die Fenster und auch die alten Türen.“
Die Küche, in der Guido für die Gäste kulinarische Besonderheiten zaubern will, haben die beiden dagegen völlig neu eingerichtet. Vorher gab es hier nur eine dreißig Jahre alte Selbstversorgerküche, die die Hygienevorschriften einer Restaurant-Küche nicht erfüllt hätte. „Da standen irgendwelche Haushaltskühlschränke drin. Das geht einfach nicht. Das muss mit der richtigen Temperatur gekühlt sein, die Sachen müssen getrennt gelagert werden“, weiß der Küchenchef. Er will in seiner nagelneuen Küche vor allem anspruchsvolle vegetarische Gerichte für seine Gäste zubereiten. Alles bio-zertifiziert. Fleisch kommt durchaus auch auf den Teller. „Wir finden den Ansatz gut, wenn man ein Tier geschlachtet hat, dass man dann möglichst alles verwerten soll – von der Nase bis zum Schwanz. Das ist natürlich eine Herausforderung, wenn es nicht nur ums Schnitzel braten geht.“
„Wollten ein altes Haus, das nicht zu Tode saniert ist“
Die beiden Neu-Waidler haben viel Geld in die Hand genommen, um die Villa Breitenberg im neuen Glanz erstrahlen zu lassen. Der Grundstock dafür war da: „Wir haben es nicht selber verdient, ich habe geerbt. Doch jetzt brauchen wir die Bank, das geht dann ganz schnell“, erzählt der 60-jährige Alexander Popitz.
Er und Guido Hettler (54) sind seit gut 20 Jahren ein Paar. Vor einigen Jahren kam die Idee auf, gemeinsam noch einmal etwas völlig Neues auf die Beine zu stellen. „Wir hatten Lust aufs Land zu ziehen. Und wir wollten mal probieren, ob wir zusammen auch arbeiten können“, erzählt der Ältere der beiden und fügt hinzu: „Die Idee, dass ich bis zur Rente im öffentlichen Dienst bleiben müsste, hat mich schockiert.“ Er war fünfzehn Jahre lang Veranstaltungsmeister am Prinzregententheater in München, ist gelernter Schreiner. Guido ist Koch. Ab sofort 24 Stunden am Tag gemeinsam zu arbeiten und zu leben, das ist natürlich eine Herausforderung. Doch die beiden haben vorab schon mal ausprobiert, ob sie auch arbeitstechnisch miteinander auskommen: „Ich hatte am Theater gekündigt, dann habe ich ein Jahr lang bei Guido als Küchenhilfe gejobbt“, erzählt Alexander Popitz. „Und es ging gut“, freut sich sein Partner und lacht.
Also haben sie nach einer Immobilie gesucht, aus der sie ihr persönlich gestaltetes Hotel machen können. In Breitenberg haben sie mit der Villa schließlich das Haus gefunden, das ihren Vorstellungen entsprach. „Wir wollten ein altes Haus, das nicht zu Tode saniert ist“, sagt Guido Hettler. „Andere waren zu teuer – und die ganz schönen Häuser waren in einem desolaten Zustand.“
„Schaut jeden Morgen ein bisschen anders aus – bombastisch“
Als Münchner ins tiefste Niederbayern – und dazu noch als homosexuelles Paar. Ein Abenteuer. „Wir haben mit allem Möglichen gerechnet, was uns hier erwartet“, sagt Alexander Popitz. Sie haben aber schnell festgestellt: Die Leute haben überhaupt kein Problem damit, gehen ganz normal mit ihnen um. „Es interessiert nicht wirklich.“ Die beiden fühlen sich in Breitenberg sehr wohl. Sie lieben die vielen Möglichkeiten, die die Region bietet – und wollen ihren Gästen den Zugang dazu erschließen. Sie wollen ihr Haus professionell, aber sehr persönlich führen: abends mit ihren Gästen zusammensitzen und ihnen erzählen, was man hier erleben kann: „Wer nicht aus der Region stammt, kann überraschende Entdeckungen in der Gegend machen“, weiß der 60-Jährige nach einem Jahr Bayerwald.
Auch den Böhmerwald und Österreich gibt es zu erkunden – doch das Beste liegt laut Alexander Popitz direkt vor dem Fenster: „Ich liebe den Sternenhimmel. Den sieht man in der Stadt ja gar nicht, weil es zu hell ist. Und morgens geht die Sonne über dem Böhmerwald auf und dann ist das Tal hier noch mit Nebel angefüllt. Das schaut jeden Morgen ein bisschen anders aus, das ist einfach bombastisch.“
Er ist sich sicher, dass das Experiment „Villa Breitenberg“ auch langfristig klappen wird: „Wenn uns die Zukunftsangst befällt, dann schauen wir einfach aus dem Fenster.“ Und Guido Hettler ergänzt: „Das ist was Besonderes für uns Städter, aber ich glaube, dass uns das auch in fünf oder zehn Jahren noch fasziniert.“
Sabine Simon