Fürsteneck. Heinz Binder ist eher der pragmatische Typ. Das wird im Gespräch schnell deutlich. Mit ausufernden Erklärungen hat er nichts am Hut. Das, was er erzählt, basiert auf seinem Wissen, das er sich in den vergangenen 15 Jahren angeeignet hat. Seit 2002 ist der 63-Jährige ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Fürsteneck. „Nebenbei“ hat er sich als Heizungsbauer selbstständig gemacht. Eine Doppelbelastung, die sicher mit ein Grund dafür war, dass der CSU-Politiker im vergangenen Jahr mit Herzproblemen, die inzwischen aber als überwunden gelten, zu kämpfen hatte. Mit neuem Elan nimmt Binder nun ein für die kleine Kommune außerordentliches Projekt in Angriff: die Dorferneuerung in Fürsteneck. Darüber, über seine Vorgehensweise als Kommunalpolitiker und die Rolle seiner Kommune im Landkreis Freyung-Grafenau spricht der Fürstenecker im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n.
Herr Binder, verdienen Sie als ehrenamtlicher Bürgermeister genügend Geld, um „überleben“ zu können?
Nein. Unsere Gemeinde ist so konzipiert, dass der jeweilige Amtsinhaber einen zweiten Beruf braucht, um genügend Geld zu verdienen. Hauptsächlich bin ich als selbstständiger Heizungsbauer aktiv, wobei beide Aufgaben wohl gleich viel Zeit in Anspruch nehmen.
Heizungsbauer und Bürgermeister in Personalunion
Ist diese Doppelbelastung zielführend?
Auch wenn ich mich daran stören würde, könnte ich es nicht ändern. Ich wusste, dass sich die Gemeinde Fürsteneck lediglich einen ehrenamtlichen Bürgermeister leisten kann. Dennoch habe ich mich 2002 dazu entschieden, dieses Amt anzustreben. Irgendwo hat diese Doppelbelastung auch Vorteile, wie ich in den vergangenen Jahren lernen durfte. Probleme im jeweiligen Beruf kann ich dadurch abbauen, dass ich diese kurz zur Seite lege und mich um meine anderen Aufgaben kümmere. Eine Vorgehensweise, die sich in den vergangenen Jahren bewährt hat.
Würde die Gemeinde Fürsteneck mit einem hauptamtlichen Bürgermeister Binder besser dastehen?
Auf alle Fälle (mit Nachdruck). Ist ja klar, dann hätte ich für einzelne Themen mehr Zeit und könnte diese auch besser und länger ausarbeiten. In kleinen Kommunen wie bei uns ist der Bürgermeister sowieso allgegenwärtig. Haben Bürger Probleme, stehen sie auch an Sonn- und Feiertagen vor meiner Haustüre. Oftmals soll ich mich auch um Angelegenheit kümmern, die über die Aufgaben eines Bürgermeisters hinausgehen. Aber mei, so is‘ hoid. Irgendwie ist es auch wieder schön, dass ich bei allen möglichen Dingen als Ansprechpartner gesehen werde. Offensichtlich haben die Fürstenecker Vertrauen in mich.
Man kennt sich eben auf dem Dorf. Ist es aus Ihrer Sicht schwerer oder einfacher, Bürgermeister einer kleinen Gemeinde zu sein?
Im Gegensatz zu Kollegen, die eine Großstadt leiten, habe ich es einfacher. Natürlich investiere ich genauso viel Zeit wie etwa der Bürgermeister von Passau, Freyung oder Waldkirchen. Natürlich haben wir auch nicht die finanziellen Möglichkeiten solcher Städte, was ich aber nicht weiter schlimm finde. In Orten wie Fürsteneck ist hingegen der Zusammenhalt größer. Hier ist man auch stolz auf das gemeinsam Erreichte. Und es ist ja nicht so, dass ich als Bürgermeister alles alleine entscheiden kann – die Zeit der Alleinherrscher ist längst vorbei. Ohne Gemeinderat oder Verwaltung geht nichts.
Der eigentliche Gemeindemittelpunkt ist Atzldorf
Themawechsel: Die Kommune heißt offiziell „Gemeinde Fürsteneck“, alle öffentlichen Einrichtungen wie Verwaltung, Feuerwehr und Kindergarten befinden sich jedoch im Ortsteil Atzldorf. Warum ist das so?
Die Gemarkung Atzldorf ist seit jeher das eigentliche Zentrum der Kommune. Historisch begründet ist in diesem Ortsteil die Schule, der Kindergarten, die Feuerwehr und die Gemeindeverwaltung. Die Ortschaft, die heute Fürsteneck heißt, war früher unter dem Namen „Dorf“ bekannt. Namensgeber für unsere Gemeinde ist das Schloss Fürsteneck, das weit über die Gemeindegrenzen hinaus vielen ein Begriff ist. Diesen Bekanntheitsgrad wollte man nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen.
Neben Philippsreut ist ihre Kommune die kleinste Gemeinde im Landkreis Freyung-Grafenau. Außerdem sind sie 2014 ohne Gegenkandidat wiedergewählt worden. Fühlt man sich angesichts dieser Tatsachen überhaupt als vollwertiger Bürgermeister?
Auf alle Fälle. Ich fühle mich durchaus als vollwertiger Bürgermeister. Wir haben einen eigenen Gemeinderat, haben innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft eine eigene Verwaltung – wir brauchen uns vor niemandem verstecken.
Sie sind inzwischen seit 15 Jahren Rathaus-Chef, haben viele Höhen und Tiefen miterlebt. Welche Rolle spielt im täglichen Geschäft die eigene Erfahrung?
Eine sehr große. Es gibt praktisch keine Ausbildung zum Bürgermeister, weshalb man viele Dinge selber lernen muss. Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll, dass eine Person mehr als eine Periode im Amt bleibt. Man benötigt einfach eine gewisse Einarbeitungszeit. Berücksichtigt man diese, können sechs Jahre sehr schnell vergehen. Wird man jedoch wiedergewählt, kann man größere Projekte besser abhandeln und auch auf Hintergrundwissen zurückgreifen, das vor allem bei der Kommunikation mit der Regierung und den Ministerien sehr wichtig ist.
Im nächsten Jahr soll mit der Dorferneuerung begonnen werden
Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit dem „großen Bruder“ Perlesreut. In der Marktgemeinde ist der Sitz der Verwaltungsgemeinschaft, zu der Fürsteneck gehört.
Richtig. Das Miteinander innerhalb der VG ist vorbildlich. Die Mitarbeiter machen keinen Unterschied, für welche Kommune sie gerade etwas erledigen müssen. Dass es hin und wieder einmal zu Differenzen kommt, ist selbstverständlich. Diese Diskrepanzen sind allerdings schnell wieder aus der Welt geschafft und sorgen darüber hinaus dafür, dass man sich immer wieder selber hinterfragt. Gerade in der heutigen, schnelllebigen Zeit ist man als Bürgermeister auf gute Mitarbeiter in der Verwaltung angewiesen.
Zum Beispiel bei Großprojekten wie der geplanten Dorferneuerung in Fürsteneck. Wie geht’s voran?
Die Planungen sind so gut wie abgeschlossen. Können wir nun das Finanzielle schnell lösen, sind für das kommenden Jahr die ersten Baumaßnahmen geplant. Uns war wichtig, bei diesem Projekt die Wünsche der Bürger zu berücksichtigen. Außerdem haben wir viele andere Kommunen besucht, die erst kürzlich eine Dorferneuerung vollzogen haben. Endlich können wir dieses Thema, das uns bereits seit vielen Jahren beschäftigt, in Angriff nehmen. Ich freue mich.
Gleichzeitig aber auch ein Projekt, bei dem viele mitsprechen wollen.
Das stimmt natürlich. Es gibt viele Befindlichkeiten, die man beachten muss. Das Finanzielle, das Bauliche – aber auch die vielen Vorschläge unserer Bürger. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt – und das bekommt man eben, wie vorhin erklärt, erst, wenn man über einen längeren Zeitraum Bürgermeister sein darf.
Die ILE Ilzer Land und ihre Vorreiterrolle
Eine weitere „Baustelle“, die Sie zuletzt bearbeiten mussten, war die Schülerbeförderung. Gibt’s hier Neuigkeiten?
Eine heikle Angelegenheit im gesamten Ilzer Land, die aber inzwischen gelöst werden konnte. Ab dem neuen Schuljahr haben wir endlich ein neues ÖPNV-Konzept, das ich sehr gut finde. Vor allem deswegen, weil künftig Schüler und Privatpersonen im selben Bus befördert werden dürfen. Gerade ältere Leute, die vielleicht nicht mehr so mobil sind, kommt diese Neuerung zugute.
Können Sie die Einwände einiger Busunternehmen, was das neue ÖPNV-System betrifft, verstehen?
Dazu möchte ich mich nicht äußern, weil diese Äußerungen meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt waren.
Die Gemeinde Fürsteneck gehört zur ILE Ilzer Land, das bestfunktionierendste Konstrukt dieser Art. Jüngst wurde mit Valeska von Karpowitz gar eine eigenen Geschäftsstellenleiterin eingestellt. Worin liegt das Erfolgsgeheimnis dieses Zusammenschlusses?
Wir haben die ILE-Idee der Regierung von Niederbayern bereits kurz nach seiner Bekanntmachung im Jahr 2002 aufgegriffen und umgesetzt. Diesen Zeitvorsprung haben wir über die Jahre hinweg weiter ausbauen können. Ohne arrogant wirken zu wollen, aber: Wir nehmen hier eine Vorreiterrolle ein. Innerhalb des Verbundes hat jeder Bürgermeister seine Aufgabe. Ich zum Beispiel bin für die Bauhöfe der beteiligten Gemeinden zuständig. Die Vernetzung in den Handlungsfeldern trägt bereits Früchte, wir arbeiten unter anderem bei den Mähtätigkeiten noch enger zusammen. Und genau dann wird aus dem theoretischen Konstrukt der ILE ein praktischer Nutzen.
Abschließende Frage: Mit welchen Dingen soll man die Ära Heinz Binder als Bürgermeister der Gemeinde Fürsteneck in Verbindung bringen, wenn sie nicht mehr Amtsinhaber sind?
Generell bin ich kein Mensch, der sich selber ein Denkmal setzen möchte. Dennoch würde ich mich freuen, wenn man irgendwann einmal meine Amtszeit mit einem Aufschwung in Verbindung bringt. Bis etwa die Dorferneuerung abgeschlossen sein wird, werden sicher 20 Jahre vergehen. Dass ich dann noch Bürgermeister bin, ist eher unwahrscheinlich. Deshalb wird man nach Abschluss dieses Projektes auf meine Zeit zurückblicken.
Vielen Dank für das Gespräch – wir wüschen Ihnen eine erfolgreiche und vor allem gesunde Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer