Regen. Die neue Waschmaschine im Keller ist nur über ein paar Stufen zu erreichen, das Bad ist eigentlich viel zu eng – und die Auffahrt zum Haus ist beschwerlich begehbar und zudem steil. Barrierefreiheit sieht irgendwie anders aus. Wie, das hat Referent Markus Donhauser vergangene Woche vielen Zuhörern in der Aula der Siegfried-von-Vegesack-Realschule in Regen erläutert. Der Regensburger Architekt berät an der Bayerischen Architektenkammer zum Thema Barrierefreiheit und war auf Einladung des Regionalmanagements der Arberland Regio GmbH zum Fachvortrag „Barrierefreies Wohnen: Neubau, Umbau, Förderung“ in die Kreisstadt gekommen. Zudem informierte Kreisbehindertenbeauftragter Helmut Plenk über die Möglichkeiten staatlicher Unterstützung für Menschen mit Handicap.
„Schon in jungen Jahren an Barrierefreiheit denken“
„Barrierefreiheit ist ein Thema für alle Altersgruppen und bedeutet mehr Komfort und Lebensqualität in jeder Lebenslage“, betonte Regionalmanager Stephan Lang zu Beginn der Veranstaltung, zu der neben zahlreichen Bürgermeistern und Kreisräten auch etliche kommunale Senioren- und Behindertenbeauftragte, Architekten sowie Vertreter von Handwerksbetrieben aus der Bau-, Innenausbau- und Sanitärbranche gekommen waren. Eine Bewegungseinschränkung durch Krankheit, Unfall oder Alter könne jeden treffen. Auch Kreisseniorenbeauftragte Christine Kreuzer verwies auf die Brisanz der Barrierefreiheit in ihrem Grußwort: „Clever ist, wer schon in jungen Jahren an ein barrierefreies Wohnumfeld denkt – allein schon im Hinblick auf den Abstellplatz für Kinderwagen oder den Transport von Getränkekisten und anderen sperrigen Gegenständen.“
Um Hindernisse so gut es geht zu vermeiden, sei beim Bauen, Modernisieren und Sanieren von Wohngebäuden eine vorausschauende Planung wichtig. Zwar würden in Einfamilien- und Reihenhäusern im Gegensatz zu öffentlichen Gebäuden und Häusern mit mehr als zwei Wohnungen keine gesetzlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit gestellt, „dennoch kann ich zur freiwilligen Entscheidung für ein barrierefreies Quartier nur raten“, betonte Experte Markus Donhauser und zeigte exemplarisch auf, wie schon kleine Maßnahmen den Wohnkomfort älterer, körperlich wie kognitiv eingeschränkter Personen und Pflegebedürftiger erhöhen.
Ein beidseitiger Handlauf an Treppen zum Beispiel. Oder augenfällige Markierungen an Stufen, denn: „Nicht jede Maßnahme zur Barrierefreiheit muss gleich auf Rollstuhlfahrer zugeschnitten sein“, weiß Donhauser – wenngleich ihnen und den Nutzern von Rollatoren beim Neu- und Umbau freilich die größte Aufmerksamkeit zukomme. Anhand von Fotos und Wohnungsgrundrissen stellte der Architekt eine Vielzahl an Möglichkeiten vor, um Menschen mit Einschränkungen ein selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter zu garantieren: Ausreichend breite und nur bis maximal sechs Prozent geneigte Wege auf dem Grundstück etwa, dazu ein Bodenbelag ohne Stolperschwellen und Kanten. Die Überwindung kleiner Treppen am und im Haus mittels Rampen oder Fahraufzügen – oder eine barrierefreie Klingelanlage, die auch von sehbehinderten oder hörgeschädigten Menschen problemlos betätigt werden kann.
Von derzeit 76.000 Menschen sind gut 16.000 älter als 65
Im Wohninnenbereich stellten meist zu enge Türdurchlässe, Flure und Bäder das größte Problem für Personen mit körperlicher Einschränkung. Doch auch dafür gebe es Lösungen, wie Markus Donhauser demonstrierte: „Durch das Versetzen von Türen und Wänden, den Tausch der Badewanne durch eine bodengleiche Dusche oder das Reduzieren zweier Wohnebenen auf nur eine lässt sich eine barrierefreie Wohnraumanpassung erreichen.“ Zum Ende seines Vortrags informierte der Architekt über unterschiedliche Förderprogramme, die den barrierefreien Umbau und Neubau unterstützen. Erst kürzlich hat die Architektenkammer Bayern eine Beratungsstelle am Landratsamt Deggendorf eingerichtet, um Betroffenen aus der Region jeden ersten Donnerstag im Monat kostenfrei Lösungen zur Barrierefreiheit ihres Wohnumfelds aufzuzeigen.
Welch großer Handlungsbedarf im Landkreis Regen besteht, erläuterte Kreis-Behindertenbeauftragter Helmut Plenk anhand von aktuellen Zahlen und Fallbeispielen an: Von den derzeit 76.000 Menschen sind gut 16.000 älter als 65 Jahre, was einem Anteil von 21 Prozent entspricht – mit steigender Tendenz: Bis zum Jahr 2050 wird der Anteil der über 65-Jährigen auf knapp 30 Prozent geschätzt. 8300 der 76.000 Landkreisbewohner gelten als schwerbehindert. „Diese Menschen sowie zahlreiche Senioren sind auf Wohnungen angewiesen, die ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechen“, stellte Plenk klar.
Im Rahmen seines Wohnbauprogramms bezuschusst der Freistaat Bayern eine behindertengerechte Anpassung von Eigen- und Mietwohnraum mit bis zu 10.000 Euro leistungsfreiem Darlehen. Gefördert werden zum Beispiel der Umbau einer Wohnung zum behindertengerechten Zuschnitt mit ausreichend großen Bewegungsflächen, der Einbau behindertengerechter sanitärer Einrichtungen wie bodengleicher Duschplätze mit Stütz- und Haltesystemen sowie die Installation baulicher Anlagen, die die Folgen einer Behinderung mildern, etwa ein Aufzug oder eine Rampe für Rollstuhlfahrer oder ergänzende Beschriftungen in Reliefschrift für Blinde.
„Wie alt wird man?“ – „Wie wird man alt?“
Werden bestimmte Einkommensgrenzen eingehalten – bei einem Einpersonenhaushalt bis zu 19.000 Euro, beim Zweipersonenhaushalt bis zu 29.000 Euro – fließen Zuschüsse: „Zum Einkommen zählen alle Einkünfte aus einer Rente sowie Zinsen, nicht jedoch das Blinden- oder Pflegegeld sowie privates Vermögen“, erklärte Helmut Plenk. Hilfestellung beim Förderantrag leisten er selbst sowie Kreisseniorenbeauftragte Christine Kreuzer und das Landratsamt Regen.
In Sachen Barrierefreiheit sei der Landkreis auf einem guten Weg – auch im Tourismus, betonte Herbert Unnasch, Geschäftsführer der Arberland Regio GmbH. Er stellte aber gleichzeitig klar, dass noch etliche Maßnahmen zur Weiterentwicklung erforderlich seien, „um Menschen mit Handicap alle Lebensbereiche zugänglich zu machen“. Regionalmanager Stephan Lang pflichtete bei – gerade angesichts der beständig steigenden Zahl an Senioren. So sei die Frage „Wie alt wird man?“ genauso wichtig wie jene nach den Annehmlichkeiten im Lebensabend – nämlich: „Wie wird man alt?“
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Fotos: Poschinger
- Die nächsten Termine an der „Beratungsstelle Barrierefreiheit“ im Landratsamt Deggendorf sind am 7. Juli und 1. September zwischen 14.30 und 16.30 Uhr. Eine Anmeldung unter Tel. 089/139880-80 ist erforderlich.
- Einen Überblick über Fördermöglichkeiten und Ansprechpartner erteilt das Internet unter www.arberland-regio.de/de/barrierefreiheit.
- Das Regionalmanagement-Projekt „Zukunftsperspektiven und Lebensqualität“ wird gefördert vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat.