Landkreis Regen. Das Schicksal von Flüchtlingen und Asylbewerbern bewegt derzeit viele Menschen. Viele Bürger wollen helfen, zahlreiche Menschen informieren sich. Doch wenn man die Gespräche an so manchem Stammtisch bzw. die Diskussionen in sozialen Netzwerken verfolgt, bekommt man häufig vermeintliche „Tatsachen“ zu lesen, die sich am Ende als Falschmeldungen herausstellen. Der Landkreis Regen um Pressesprecher Heiko Langer haben die hartnäckigsten Gerüchte auf deren Wahrheitsgehalt überprüft. „Wir wollen Fragen beantworten und so den Lesern die Möglichkeit geben, sich umfassend zu informieren und ein eigenes Bild zu machen“, sagt Langer, der den Hog’n-Lesern (am Ende des Artikels) einen kurzen Einblick in die Flüchtlingsstatistik des Landkreises Regen gewährt.
Handy? Oft die einzige Möglichkeit, die Familie zu kontaktieren
Gerücht: Asylbewerber nehmen den Deutschen Sozialleistungen weg und belegen Platz, der eigentlich für Obdachlose und andere Bürger gebraucht wird.
Kein Flüchtling oder Asylbewerber nimmt einem deutschen oder EU-Bürger etwas weg. Die Leistungen für Asylbewerber werden aus einer anderen Haushaltsstelle beglichen. Zudem sind Sozialleistungen nicht gedeckelt. Der Staat unterstützt immer hilfsbedürftige Bürger. Obdachlose müssen beispielsweise von der Kommune, in der sie sich aufhalten, untergebracht werden. Hier wären eigentlich die Gemeinden gefordert – doch in der Regel nehmen Obdachlose diese Hilfe, die ihnen eigentlich zustehen würde, nicht in Anspruch. Kein Deutscher müsste demnach auf der Straße leben. Es gibt aber auch kein Gesetz, das ein Leben auf der Straße verbietet.
Gerücht: Asylbewerber bekommen mehr Geld als Hartz-IV-Empfänger.
Das ist definitiv falsch. In der Erstunterkunft bekommen alleinstehende Asylbewerber ein Taschengeld in Höhe von 143 Euro ausgezahlt. In der „normalen Unterkunft“, sprich in der Gemeinschaftsunterkunft oder dezentralen Unterkunft, sind es maximal 325,61 Euro. Davon müssen die Empfänger ihr Essen und die Getränke sowie Hygieneartikel einkaufen – auch Dinge des persönlichen Bedarfs wie Kleidung, Tabak oder Zugtickets sind davon zu bezahlen. Ist ein Asylbewerber anerkannt, dann muss er aus der Unterkunft ausziehen. Der Staat unterstützt ihn dann mit maximal 359 Euro monatlich. Das sind zirka 40 Euro weniger als einem Hartz-IV-Empfänger zustehen.
Gerücht: Die Asylbewerber brauchen keine Hilfe, die haben sogar Handys. Also kann es ihnen nicht schlecht gehen.
Es ist richtig, dass die meisten Asylbewerber ein Handy dabei haben. Es ist oft die einzige Möglichkeit mit der Familie oder Freunden in Kontakt zu bleiben. Viele nutzten auch die GPS-Möglichkeiten des Telefons aus, sprich: das Mobilgerät weist den Fliehenden als Navigationsgerät den Weg. Zudem muss ein Asylbewerber in seiner Heimat nicht arm gewesen sein. Viele haben aber durch Krieg und Verfolgung alles verloren. Oftmals kommt die Notsituation überraschend, wie etwa in Syrien durch den Krieg. Wenn Sie heute fliehen müssen, würden Sie ihr Handy zu Hause liegen lassen?
Straffreiheit für Asylbewerber bei Diebstahl? Definitiv nicht richtig!
Gerücht: Flüchtlinge nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg.
Falsch! Richtig ist: Flüchtlinge und Asylbewerber dürfen erst drei Monate, nachdem sie nach Deutschland gekommen sind, arbeiten. Danach finden nur die wenigsten eine Stelle, da der Status zunächst ungeklärt ist und nur wenige Arbeitgeber das Risiko eingehen, dass ihr Mitarbeiter abgelehnt und abgeschoben wird. So zeigt die Realität, dass viele Asylbewerber erst nach der Anerkennung eine Stelle finden. Bewerben können sie sich auch nur auf Stellen, bei denen sich keine Deutschen, keine EU-Bürger oder auch keine Schweizer-Bürger beworben haben, denn diese hätten immer einen Vorrang vor dem Asylbewerber.
Gerücht: Warum zahlt man den Asylbewerbern Geld aus? Wäre es nicht einfacher und günstiger, sie mit Sachleistungen zu versorgen?
Derzeit bekommt ein alleinstehender Asylbewerber neben der Unterkunft Geldleistungen von maximal 325,61 Euro zugesprochen. Damit muss er seinen Lebensunterhalt bestreiten. Eine komplette Umstellung auf Sachleistungen wäre nicht möglich, da das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass auch Asylbewerbern ein Existenzminimum an Bargeld zusteht. Dies wird als Taschengeld bezeichnet und beträgt für einen alleinstehenden Erwachsenen 143 Euro. Hinzu kommen mittlerweile Gelder für die Verpflegung in Höhe von 141,85 Euro. Auch für Gesundheitspflege (7,19 Euro) und Bekleidung (33,57 Euro) bekommt ein Erwachsener Geldleistungen.
Im Landkreis Regen versorgen sich die Asylbewerber in der Regel selbst. Sie müssen einkaufen gehen und kochen. Für die Behörden ist es eine Vereinfachung, wenn Geld ausgezahlt wird. Der Verwaltungsaufwand ist zwar auch hier hoch, doch deutlich geringer als Sachleistungen zu den Asylbewerbern zu bringen. Es ist also in aller Regel die günstigere Lösung.
Gerücht: Wenn ein Asylbewerber etwas stiehlt, dann endet dies straffrei und der Landkreis kommt für die Kosten auf.
Das ist definitiv nicht richtig. In Deutschland sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Dies heißt, dass ein Diebstahl, der von einem Asylbewerber begangen wird, auch bestraft wird. Es besteht die Möglichkeit beim ersten Delikt – und wenn eine Ware mit sehr geringem Wert gestohlen wird – das Verfahren einzustellen. Diese Möglichkeit wird sowohl bei Deutschen als auch bei Asylbewerbern von der Justiz angewendet – aber in der Regel nur beim ersten Vergehen. Falsch ist zudem, dass der Landkreis Geschäften einen möglichen Schaden ersetzt.
Ausländer belasten Sozialkassen? Ohne Zuzüge sähen wir alt aus
Es gibt ein Gerücht, wonach ein Asylbewerber in einem Kaufhaus eine Lederjacke angezogen hat und diese dann nicht mehr ausziehen wollte. Nachdem er sich beharrlich geweigert hatte, soll der Landkreis Regen die Jacke bezahlt haben. Ist dies richtig?
Definitiv nicht. Der Landkreis dürfte dies nicht zahlen, da er nur für die Regelleistungen aufkommt. Der Asylbewerber wäre in so einem Fall ein normaler Kunde – wie jeder andere auch. Der Ladenbesitzer müsste im Zweifelsfall die Polizei rufen und mit deren Hilfe sein Recht durchsetzen.
Gerücht: In Orten, in denen es Asylunterkünfte gibt, steigt die Kriminalitätsrate deutlich an.
Es gibt keinen erkennbaren Anstieg bei kriminellen Handlungen, es gibt keinen Anstieg im Bereich der Gewaltverbrechen, wie Raub oder Vergewaltigungen. Nachdem in der Statistik auch Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht erfasst werden, kann es in manchen Orten zu einem Anstieg kommen, da es immer wieder Asylbewerber gibt, die vergessen, sich bei Fernreisen die erforderliche Erlaubnis zu holen. Diese Meldevergehen gelangen dann in die Statistik, weisen aber auf keinerlei Gefährdung oder ähnliches hin. Nachdem die Asylbewerber mittlerweile auch mehr Reisemöglichkeiten haben, hat sich die Zahl der Meldevergehen deutlich reduziert, so dass wir in der Regel bezüglich der Asylbewerber keine Auswirkungen auf Kriminalitätsstatistiken mehr sehen können.
Gerücht: Die vielen Ausländer belasten unsere Sozialkassen so sehr, dass wir um unsere Zukunft fürchten müssen.
Im Gegenteil: Ohne Zuzüge sähen wir alt aus. Wirtschaft und Industrie fordern schon lange mehr Zuzüge als in den vergangenen Jahren. Zuletzt kamen im Jahr 2014 rund 500.000 Menschen mehr nach Deutschland als das Land verlassen haben. Die Bertelsmann- Stiftung hat die Zahlen analysiert. Demnach zahlten die Menschen ohne deutschen Pass im Schnitt 3-300 Euro mehr an Steuern als sie an staatlichen Leistungen erhielten. Der Überschuss betrug hier im Jahr 2012 rund 22 Milliarden Euro. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Menschen, die zu uns kommen, in der Regel bereits eine Schulausbildung haben. Ihren bisherigen Lebensunterhalt und die Schulbildung haben andere Staaten oder die Familie bezahlt. Eine Weiterqualifizierung ist wesentlich günstiger als eine mehrjährige Schulbildung, insofern profitieren die Staats- und Sozialkassen hier.
Lauter junge Männer? Familien schicken die stärksten Mitglieder…
Gerücht: Asylbewerber bekommen eine bessere Krankenversorgung als Hartz-IV-Empfänger.
Asylbewerber bekommen nur notwendige Behandlungen. Bevor ein Asylbewerber zum Arzt geht, muss dies vom Landratsamt genehmigt werden. Facharztbesuche erfolgen nur, wenn der Amtsarzt dies für zwingend notwendig erachet. Lediglich akute Notfallbehandlungen sind ohne vorherige Genehmigung gestattet.
Gerücht: Asylbewerber werden bei den Tafeln bevorzugt.
Es gibt keine staatlichen Regelungen bei den Tafeln. Weder die Kommunen noch das Landratsamt greifen hier ein. Die Tafeln regeln selbst, welchen Bürgern sie einen Zugang gewähren. Die Tafeln sammeln Lebensmittel und verteilen sie gegen einen symbolischen Betrag an Menschen, die Hilfe benötigen. In der Regel müssen diese Menschen die Bedürftigkeit nachweisen. Viele Langzeitarbeitslose und Geringverdiener nutzen das Angebot der Tafeln, aber auch viele Rentner und auch Migranten zählen zu den Kunden. Ein Prinzip bei den Tafeln ist, dass alle Bedürftigen gleich behandelt werden. Wer Unterstützung durch Lebensmittelspenden benötige, der soll sie auch bekommen, zumindest solange der Vorrat reicht.
Gerücht: Es kommen fast nur Männer, sie lassen ihre Frauen und Kinder einfach zurück.
Es ist richtig, dass die Mehrzahl der Asylbewerber männlich ist, wobei in den vergangenen Wochen – vor allem aus Syrien – auch viele Familien nach Deutschland geflüchtet sind. Grundsätzlich gilt, dass der Weg nach Deutschland, lang, beschwerlich und auch gefährlich ist. So entscheiden sich viele Familien dazu, dass sie die stärksten Familienmitglieder schicken – das sind dann meist junge Männer. Die Familien hoffen darauf, dass die Männer nicht nur als Asylbewerber anerkannt werden. Sie hoffen auch darauf, dass sie Arbeit finden und dass die Familienangehörigen dann nach Deutschland nachkommen dürfen. Dies gilt aber nur für engste Familiengangehörige wie Ehepartner und Kinder bis 16 Jahre.
Deutschland trägt Hauptlast? Statistik zeigt, dass dies falsch ist
Gerücht: Europa und speziell Deutschland trägt die Hauptlast der weltweiten Flüchtlingsproblematik.
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass dies falsch ist. Derzeit kommen in Deutschland auf 1.000 Einwohner etwas mehr als drei Asylbewerber. In Ungarn sind es 7,3 auf 1.000 Einwohner, in Schweden sogar 8,4. In Ländern, die deutlich näher am Kriegsgeschehen liegen, wie die Türkei oder der Libanon, steigen die Zahlen auf 21 und 232 Flüchtlinge pro 1.000 Einwohner. In Jordanien sind es 87. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass im europäischen Vergleich Deutschland als einwohnerstärkstes Land die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Im Verhältnis zur Bevölkerung liegt Deutschland aber nur auf Rang vier – nach Ungarn, Schweden und Österreich. (Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Eurostat).
da Hog’n
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Einblick in die Landkreisstatistik
Immer wieder werden auch bezüglich der Asylbewerber im Landkreis Regen falsche Zahlen genannt. Wir wollen hier einen Einblick in die Statistik geben.
ORTE
In folgenden Orten im Landkreis Regen gibt es mittlerweile Flüchtlingsunterkünfte: Bayerisch Eisenstein, Bischofsmais, Bodenmais, Böbrach, Drachselsried, Regen, Ruhmannfelden, Teisnach, Viechtach, Zwiesel. In den elf dezentralen Unterkünften, der einen Gemeinschaftsunterkunft und den Unterkünften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben derzeit rund 750 Menschen.
UNTERKUNFTSARTEN
Gemeinschaftsunterkunft: Die Gemeinschaftsunterkunft wäre eigentlich die vom Gesetzgeber vorgesehene Regelunterkunft. In der Gemeinschaftsunterkunft leben in der Regel mindestens 80, meist aber weit über 100 Asylbewerber. Nachdem der Staat nicht genügend Gemeinschaftsunterkünfte zur Verfügung hatte und auch nicht schnell genug neue eröffnen konnte, wurden andere Formen der Unterbringung, wie die dezentrale Unterbringung (siehe nächster Punkt), geschaffen. Im Landkreis Regen gibt es derzeit nur eine Gemeinschaftsunterkunft. Sie ist in Böbrach zu finden. Eine neue soll in Viechtach entstehen – in Regen soll die dezentrale Unterkunft in einem Ortsteil zu einer Gemeinschaftsunterkunft erweitert werden. Die Bewohner sind in der Regel für die Dauer ihres Asylverfahrens dort untergebracht. Sie müssen sich dort selbst versorgen: Es gibt Gemeinschaftsküchen, in denen sie ihr Essen zubereiten können.
Dezentrale Unterkunft: Im Landkreis Regen gibt es derzeit zwölf dezentrale Unterkünfte. Die meisten davon sind in ehemaligen Pensionen zu finden. Hier leben zwischen 25 und 70 Menschen. Sie sollten dort für die Dauer des Asylverfahrens untergebracht werden. Auch hier müssen sich die Bewohner selbst versorgen – gekocht wird meist in Gemeinschaftsküchen.
Not- oder Erstunterkunft: Im Landkreis Regen gibt es momentan zwei Notunterkünfte. In einem ehemaligen Supermarkt in Ruhmannsfelden finden bis zu 60 Menschen eine erste Bleibe. In einem ehemaligen Schulgebäude in Zwiesel ist Raum für bis zu 140 Menschen. Eigentlich sollten die Asylsuchenden in zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen, wie sie beispielsweise in Deggendorf geschaffen wurden, für die ersten Tage einquartiert werden. Nachdem aber diese zentralen Erstunterkünfte, wie die Bayernkaserne in München, überfüllt sind, werden die Flüchtlinge nun auch in sogenannten Notunterkünften in den Landkreisen untergebracht.
In den Notunterkünften schlafen die Menschen meist in großen Schlafsälen. Hier gibt es wenig Komfort. Im Vordergrund steht die humanitäre Versorgung. Sie haben ein Dach über dem Kopf, können sich und ihre Kleidung reinigen und bekommen etwas zu essen und zu trinken. Zudem werden alle Ankommenden dort ärztlich untersucht. Hier werden die Menschen auch im Asylwesen erfasst, die Daten werden aufgenommen und der Asylantrag wird gestellt. In der Regel sollten die Flüchtlinge dort nur wenige Tage bleiben – aufgrund der hohen Zahl an Neuankömmlingen kann es jedoch vorkommen, dass die Menschen dort mehrere Wochen untergebracht sind.
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