Zwiesel. „Nordkorea hat Kim-Il-Jong, Türkei hat Erdogan, Sudan hat Umar-Al-Bashir … und Mia San Mia in Zwiesel dahoam“ – so kommentiert ein Facebook-Leser den Alleingang von Bürgermeister Franz Xaver Steininger (parteilos), der am Montagabend per Pressemitteilung Zwiesels „Austritt aus der Vereinsmitgliedschaft der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald“ (FNBW) verkündete. Per „Eilhandlung“ habe er diesen Schritt durchgeführt – und allem Anschein nach ohne Rückspräche mit dem Zwieseler Stadtrat, dessen Vertreter Steiningers Vorgehen als „rechtswidrig“ und „unverschämt“ kritisieren. Auch Regens Landrat Michael Adam hat sich inzwischen in die Diskussion eingeschaltet. Bei Facebook hat er geäußert: „Da ist wirklich die Staatsräson in Gefahr, wenn es ein Bürgermeister so weit treibt. Das hat auch nichts mehr mit einer charakterlich machtbewussten, starken Amtsführung zu tun. Es ist einfach nur dreist!„
„Ganze bayerische Kommunalpolitik schaut nun nach Zwiesel“
„Das Stimmungsbild? Einhellig: Kopfschütteln“, berichtet Adam auf seiner Facebook-Seite von den Reaktionen zahlreicher Teilnehmer an der Jahreshauptversammlung des TVO in Aldersbach. „Kopfschütteln nicht darüber, dass Bürgermeister Steininger gegen die FNBW ist – das ist sein gutes Recht. Kopfschütteln darüber, dass Bürgermeister Steininger mit voller Absicht – denn dumm ist er ja nicht – gegen eindeutige kommunalrechtliche Vorgaben verstößt, um so vor aller Öffentlichkeit einmal auszuprobieren, ob er damit am Ende durchkommt“, schreibt Regens Landrat weiter, der in dieser Angelegenheit eigenen Aussagen zufolge lange versucht habe, „im Hintergrund im Guten mit dem Bürgermeister zu sprechen“. Adam sei bemüht darum gewesen, „viele Konflikte zu neutralisieren“. Doch das Maß sei nun voll: „Ich habe es satt, dauernd irgendwelche Unzulänglichkeiten auszugleichen.“
Rechtsaufsicht und Gerichten bleibt laut Adam nun gar nichts anderes übrig, „als hier voll reinzugrätschen“. Denn am Ende würde es laut Adam die komplette Staatsräson untergraben, wenn Steininger damit durchkäme. „Dann könnte künftig jeder Bürgermeister über den demokratisch gewählten Stadtrat hinweg nach Belieben herrschen wie ein absolutistischer König.“ Es gehe hier dem Landrat zufolge längst nicht mehr um Zwiesel. „Die ganze bayerische Kommunalpolitik schaut nun nach Zwiesel, ob Bürgermeister Steininger damit durchkommt.“
„Eilhandlung erforderlich, um Schaden von Zwiesel abzuwenden“
„Um weiteren Schaden von der Stadt Zwiesel abzuwenden, war hier eine Eilhandlung erforderlich“, begründet Steininger, der, wie bereits häufiger berichtet, über einen längeren Zeitraum hinweg kein gutes Haar an der Zusammenarbeit mit der FNBW lässt, seinen Schritt. „In den nächsten Wochen und Monaten sollen mit den Fraktionen, den touristischen Leistungsträgern und allen weiteren touristisch Verantwortlichen im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungsprozesses (ISEK) die touristische Neuausrichtung ab 2017 intensiv besprochen und gemeinschaftlich im Konsens festgelegt werden“, kündigt Zwiesels Bürgermeister sogleich das weitere Vorgehen an.
Als Argumente und „Gesamtzusammenhänge“ führt Steininger eine Reihe von Punkten ins Feld (hier die komplette Übersicht), u.a. denjenigen, dass „trotz mehrfacher Aufforderung durch die Stadt Zwiesel von der FNBW kein Vertrag zugesandt“ worden sei. Die letzte Aufforderung mit Fristsetzung zur Rücksendung einer Vertragsausfertigung bis 28. Juni sei dem Rathaus-Chef zufolge ergebnislos verstrichen. „Das ist ein unseriöses Handeln und zeigt mangelndes Interesse an einer kooperativen Zusammenarbeit. Geld ja, Zusammenarbeit nein.“
Des Weiteren teilt Steininger mit, dass etwa „die Rechnungsstellung für unverlangte PCs und Telefone ohne Rechtsgrundlage erfolgte. „Die Rechnung wurde zwar seitens der Stadt Zwiesel zurückgewiesen, jedoch mit der Bitte, die Rechtsgrundlage durch die FNBW GmbH offenzulegen.“ Bis heute sei hierzu keine Antwort erfolgt. „Stellt man einem Partner, ja eigentlich dem Auftraggeber einfach nach Belieben eine Rechnung, ohne dass dieser die Leistung beauftragt hat? Das ist hochgradig undurchsichtig, inkompetent und zerstört das Vertrauen. Die Stadt Zwiesel sollte offensichtlich einmal mehr finanziell über den Tisch gezogen werden“, poltert der Zwieseler Bürgermeister.
„Neue Phase des Konfliktes mit der Stadtratsmehrheit eingeläutet“
Heiß diskutiert ist im Netz die „Gretchenfrage“ (Franzchenfrage?), nämlich ob Franz Xaver Steininger den Ausstieg aus der FNBW im Alleingang entscheiden könne. Laut Landrat Adam könne er das nicht: „Das weiß er auch. Deshalb hat er es als Eilhandlung deklariert“, schreibt Regens Landrat in der Diskussion auf seiner Facebook-Seite. „Ich kann aber beim besten Willen keinerlei wirkliche Eilbedürftigkeit im Sinne des Kommunalrechts erkennen. Die Fakten liegen seit Wochen auf dem Tisch. Und selbst eine Woche vor einer Deadline hätte er mit verkürzter Ladungsfrist noch eine eilige Stadtratssitzung einberufen, um die Sache vom zuständigen Stadtrat beschlussmäßig behandeln zu lassen. Ich denke, er hat bewusst versucht, eine vermeintliche Eilbedürftigkeit zu erzeugen, um selbst ohne Stadtrat entscheiden zu können.“
Und Adam weiter: „Unabhängig von der Rechtslage braucht der Bürgermeister sich nicht zu wundern, wenn er Krieg mit der Mehrheit des Stadtrats hat. Denn man kann ein demokratisch gewähltes Entscheidungsgremium nicht bewusst so vorführen. Da helfen auch keine Märtyrer-Legenden nach dem Motto: Was soll der Bürgermeister schon ausrichten, wenn der Stadtrat nur gegen ihn ist? Für mich ist er – und nur er allein – hier schuld an einer völlig unnötigen politischen Eskalation. Hier hat der Bürgermeister eine ganz neue Phase bzw. ‚Qualität‘ des Konfliktes mit der Stadtratsmehrheit eingeläutet.“
Steininger: „Aktuelle Aufregung ist sachlich nicht zu verstehen“
Während Landrat Michael Adam als Amtsleiter der zuständigen Kommunalaufsicht der Stadt Zwiesel fest davon überzeugt ist, dass „so ein Verhalten des Ersten Bürgermeisters der Stadt Zwiesel bei Weitem nicht durch das Kommunalrecht gedeckt ist“, lässt Bürgermeister Steininger auf Hog’n-Nachfrage zu diesem Thema folgendes mitteilen:
„Der erste Bürgermeister ist grundsätzlich nach Art. 37 I Nr. 1 GO für die laufenden Angelegenheiten zuständig und ist nach Art. 37 III GO befugt, dringliche Anordnungen zu treffen und unaufschiebbare Geschäfte zu besorgen. Die Dringlichkeit wurde meinerseits bereits in der Pressemitteilung thematisiert. Ich musste hier in sehr kurzer Zeit und mit gutem Vorsatz abwägen, wie ich von der Stadt Zwiesel einen möglichen Schaden abwenden kann. Da bei einem erst am 01.01.2017 eintretenden Vereinsaustritt bis dahin kein Schaden entsteht, jedoch bei der Vielzahl ungeklärter und neu entstandenen Situation u.U. die Zuweisungen im Rahmen der Stabilisierungshilfe gefährdet sind oder gar zurückbezahlt werden müssen (ich darf erinnern, 2013, 2014 und 2015 insgesamt 3.050.000 EURO) lag die Faktenlage auf der Hand.
Dringliche Anordnungen, landläufig Eilhandlungen genannt, sind abschließend, d.h. es ist in der Folge noch der Stadtrat zu informieren. Das habe ich informell natürlich bereits gemacht, offiziell wird das in der nächsten Stadtratssitzung erfolgen.
Eilhandlungen sind keine Besonderheiten und werden i.d.R. 5 bis 15 mal im Jahr durchgeführt. Insofern ist die aktuelle Aufregung aus sachlichen Gründen nicht zu verstehen.“
„Mir geht es darum, dass wir eine gemeinsame Lösung finden“
Auf die Frage hin, welche Folgen der Vertragsaustritt seiner Meinung nach mit sich bringen werde, teilt Zwiesels Rathaus-Chef mit:
„Wie schon erwähnt, ist der mögliche Austritt ja erst in einem halben Jahr, zum 31.12.2016. Wir haben mangels vertragsreifer Vorlagen gemäß aktueller Beschlusslage seit Mitte 2014 mit der FNBW GmbH keinen Vertrag, warten also schon über zwei Jahre darauf. Ich frage mich, woran es liegt, dass die Stadt Zwiesel von den Verantwortlichen der FNBW noch keinen gültigen Vertrag zurück bekommen hat. Das ist aus meiner Sicht keine sachliche Zusammenarbeit.
Ich wünsche mir, dass in Zwiesel die politischen Mandatsträger die mittlerweile fast unüberbrückbaren Gräben zwischen Stadtrat und dem Großteil der Beherbergungsbetriebe wieder schließen. Was für einen Sinn macht es für die Stadt, wenn der Stadtrat mit Mehrheit hüh sagt, aber die Bürgerinnen und Bürger (also Wähler) mehrheitlich eine ganz andere Richtung wollen. Um eine Richtung zu finden, wie die Stadt Zwiesel handeln soll, brauchen wir tragfähige Mehrheiten. Was allerdings eine Stadtratsmehrheit ohne Bürgermehrheit anrichtet, hat die Stadt Zwiesel mit dem Bürgerbegehren gegen die Fußgängerzone leidlich spüren müssen. Ich verstehe mich in dem Prozess als Vermittler zwischen den Beherbergungsbetrieben und dem Stadtrat.
Gegenläufige und spannungsgeladene Richtungsstreits sind kontraproduktiv. Stadtrat und die Beherbergungsbetriebe sollen an einen Tisch und sich das „auskarteln“. Ob in einer großen Besprechung oder mit den einzelnen Fraktionen, das ist Sache der Vermieter. Ich unterstütze und helfe gerne in der Sache, das ist ureigenste Aufgabe des Bürgermeisters. Mir geht es darum, dass wir eine gemeinsame, gute Lösung für die Stadt Zwiesel finden. So wie ich zum Gespräch bereit bin, wünsche ich es mir von allen Beteiligten.“
Von Seiten des Aufsichtratsvorsitzenden der FBNW, Frauenaus Bürgermeister Herbert Schreiner, den Vertretern der FNBW-Mitgliedschaftsgemeinden sowie FNBW-Geschäftsführerin Monika Dombrowsky wird in Bälde eine gemeinschaftliche Pressemitteilung zum Stand der Dinge aus Sicht der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald erwartet.
da Hog’n