Grainet. „In der Schule, im Kunstunterricht, war ich eigentlich immer sehr gut“, sagt Florian Hannig mit aller Bescheidenheit, streift sich kurz mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger durchs blonde Barthaar – und lacht verschmitzt. Am Gymnasium in Freyung, wo der 35-jährige Graineter die Schulbank drückte, begann einst seine künstlerische Laufbahn, wenn man so will.
Die Begeisterung für die Musik ist ihm quasi in die Wiege gelegt worden: Früh lernte er das Gitarre spielen, war Mitglied in diversen (Schul-)Bands („Feed Back“). Seit 1998 tourt er mit der Partyband „Jive“ erfolgreich durch die Lande. Die meisten kennen Florian Hannig daher nahezu ausschließlich von seinen musikalischen Auftritten („Sammer of Love„, „The Double Trouble„) – bei Volksfesten, Hallenpartys oder Stadtfesten. Doch er hat noch eine ganz andere Passion, die nicht vielen bekannt sein dürfte – womit wir wieder beim ersten Satz dieses Artikels angelangt wären.
Übers Elternhaus und den Kunstunterricht zum Kunststudium
„Ja doch, ich habe eine sehr musische Erziehung genossen“, sagt er. Der Vater: Leiter des örtlichen Männerchors – die Mutter: Aquarell-Malerin mit einer Schwäche für Stillleben und Landschaftsporträts. Durch sie hat er die ersten Kontakte zum Umgang mit Pinsel und Farbe geknüpft. Diejenigen Lehrkräfte, mit denen er sich in seiner Schulzeit auseinandersetzen durfte, vermittelten ihm zusätzliche Motivation – was schließlich dazu führte, dass „da Hannig Flo“, wie er von den meisten genannt wird, sich für ein kunstpädagogisches Studium entschloss. Und da er auch an der Münchner LMU das Glück hatte, von sehr kompetenten Dozenten, die sein Talent für die Malerei erkannten, gefördert zu werden, ging er nach 13 Semestern mit dem Magister-Abschluss von der Uni.
13 Semester? Also sechseinhalb Jahre? Ist das nicht a bisserl lang? „Nein“, sagt Florian Hannig entschieden. „Es bringt nichts, ein so weitreichendes Fach in kürzester Zeit durchzudrücken, wie das Dank der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen ja heute fast Gang und Gäbe ist…“, ergänzt er, ohne dass man dabei die Kritik am heutigen Uni-System überhören könnte. Es gelte ihm zufolge vielmehr: Je länger, desto besser. Während seiner Zeit an der Hochschule kristallisierte sich für ihn ein Schwerpunkt heraus, der ihn bis heute nicht losgelassen hat: Weg vom Pädagogischen, hin zum Grafischen, hin zur Malerei. „Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich lieber für mich selbst Kunst schaffen möchte als andere Kunst zu lehren.“
„Müssen Leute sein, die mich nachhaltig beeinflusst haben“
Der 35-Jährige hat sich seitdem auf großformatige Porträts – hier insbesondere von Freunden und bekannteren Gesichtern aus Film und Musik – sowie „freie, abstrakte und gegenstandslose Malerei“ spezialisiert. Letzteres klingt irgendwie unkonkret? Ist es auch! Denn: „Beim Gegenstandslosen geht’s weniger ums Inhaltliche, sondern mehr ums Spannungsverhältnis aus Farbe, Struktur und Formen. Der freischaffende Künstler spricht dabei vom „gesteuerten Zufall“.
Bei der Wahl der Gesichter, die er meist mit Acryl-Farben („das kommt meiner Art zu malen am besten entgegen“) auf die Leinwand bannt, ist vor allem eins wichtig: Es müssen Leute sein, „die mich nachhaltig beeinflussen“. Wie zum Beispiel der Münchner Komiker und Volkssänger Karl Valentin. „Er ist der Prototyp des bairisch-sprachigen Humors – trocken und zeitlos schön“, kommt der Graineter schnell ins Schwärmen. Ein echter Situationskomiker. „Valentin war auch als Person sehr tiefsinnig – und nicht nur oberflächlich clownesk.“ Besonders gut zu porträtieren ist er Hannig zufolge wegen seiner markanten Gesichtszüge – mit tiefen Falten, großer Nase und hervorstechendem Kinn.
Porträts von Monaco Franze, Elmar Sammer und Severin Freund
Auch der „Monaco Franze“ alias Helmut Fischer zählt zu denjenigen, die ihn zum Griff nach dem Pinsel bewegt haben. Ebenfalls ein Typ, ein Charakterkopf, der einen nachhaltigen Eindruck beim Künstler hinterlassen hat. „Die Serie hab ich hunderte Male gesehen. Der ewige Stenz ist halt ein echtes Münchner Original, der idealisierte Prototyp eines Bewohners der Landeshauptstadt“, beschreibt Hannig, dem durch sein Studium die Münchner Kultur ans Herz gewachsen ist.
Doch es gibt auch regionale Größen, die er bereits gemalt hat – wie zum Beispiel Elmar Sammer, Mitglied der Gruppe „Landluft“ und Hannigs Bandkollege bei „Sammer of Love“. Mehr als sechs Jahre hat er als Heranwachsender bei ihm Gitarren-Unterricht genommen, ließ sich von ihm die Kniffe im Umgang mit dem Saiteninstrument zeigen. „Elmar Sammer ist mein musikalischer Hero. Er ist sehr facettenreich, sehr intelligent – und bei ihm stimmt’s einfach vom Menschlichen her.“
Ein weiterer, von Hannig porträtierter Waidler, der es mittlerweile zu weltweitem Sportler-Ruhm gebracht hat, ist der Waldkirchener Severin Freund. Dem Weltmeister und Olympiasieger im Skispringen wurde Ende März dieses Jahres ein rauschender Empfang in seiner Heimatstadt bereitet, bei dem Florian Hannig dem frischgekürten Gesamtweltcup-Sieger sein Bild überreichen durfte.
Karl Valentin: „Die Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“
Beim Schaffungsprozess, also bei der Pinselei selbst, arbeitet er meist mit sehr schnellen Bewegungen, hantiert dabei sehr gestisch (Stichwort: „Action-Painting„): „In meinen Werken kann man den Pinselstrich definitiv noch erkennen“, sagt er und schmunzelt. Die Energie, die er in seine Arbeit steckt, werde so sichtbar. „Man weiß eigentlich nie so genau, wann ein Bild fertig ist“, fährt Hannig fort – und ist beim Erzählen völlig in seinem Element. Erst wenn sich „das richtige Gefühl“ bei ihm einstellt – und das kann eine ganze Weile dauern -, legt er den Pinsel zur Seite und ist (dann meist) zufrieden.
„Jedes Werk ist ein Prozess“, fährt der Graineter bedeutungsschwanger fort – ohne jedoch dabei geistig abzuheben und in Sphären abzudriften, in die ihm höchstens noch Picasso, Gauguin oder van Gogh folgen können. „Es ist ein Prozess des Schaffens, der Reibung – das hat für mich nichts mit Entspannung zu tun“, gibt er dabei offen zu – und zitiert jenen Karl Valentin, den er so verehrt: „Die Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“
Hannigs Vorbilder: Giacometti, Cézanne, Twombly
Vorbilder? Ja, die hat Florian Hannig auch. Alberto Giacometti etwa, den berühmten Schweizer Maler, Grafiker und Bildhauer. „Er hat einen suchenden Strich und ist zeichnerisch sehr konstruktiv.“ Oder Paul Cézanne, den Vater der Moderne. Oder Cy Twombly, den US-amerikanischen Maler und wichtigsten Vertreter des abstrakten Expressionismus. „Absolut orgastisch, was er mit Farbe und Leinwand macht“, erzählt der Graineter begeistert.
Seine erste Einzel-Ausstellung hatte Hannig, dessen Bilder, wie er sagt, nur in absoluten Ausnahmefällen käuflich zu erwerben sind, Anfang des Jahres im Kunstraum in der Waldkirchener Schmiedgasse. „Face to Face“ hieß die Präsentation, in der sinnigerweiße eine große Bandbreite seiner Porträt-Bilder zu sehen war. „Meine Erwartungen sind dabei übertroffen worden: Viele Leute sind gekommen, das Feedback war durchwegs positiv.“ Die nächste Ausstellung möchte er dann mit seinen Werken aus dem Bereich der abstrakten Malerei bestücken.
Danach gefragt, ob auch jeder seine Art von Kunst „versteht“ bzw. diese auch als Kunst wahrnimmt, sagt Florian Hannig mit einem Schulterzucken: „Die Kunst liegt immer im Auge des Betrachters. Als Künstler muss man immer auch ein gewisses Selbstbewusstsein entwickeln – das hab‘ ich mittlerweile.“ Ob er irgendwann einmal davon leben kann, weiß er nicht. Doch darum geht’s ihm auch nur in zweiter Linie. Im Vordergrund steht bei ihm immer die Freude am Schaffen.
Stephan Hörhammer