Exenbach/Freyung-Grafenau. „Die Gesprächskultur hat sich auf politscher Ebene sehr verbessert: Noch vor nicht allzu langer Zeit wurden die Grünen für ihre Vorschläge im Kreistag ausgelacht – heute werden sie ernst genommen“, sagt Hans Madl-Deinhart, Kreisvorsitzender der Partei Bündnis 90/Die Grünen im Landkreis Freyung-Grafenau. Geprägt von der katholischen Landjugend-Bewegung in den 70ern, entschied sich der technische Angestellte vor gut 30 Jahren, sich politisch bei den Grünen zu engagieren. Wald-Sterben, Atom-Energie, Agrar-Wende – der gebürtige Simbacher, der heute in Exenbach (Gde. Grainet) im Bayerischen Wald zu Hause ist, wuchs mit den Kernthemen auf, die auch seiner Partei bundesweit Gehör verschafften.
Einer seiner langjährigen Weggefährten ist Hermann Schoyerer, Schatzmeister der Landkreis-Grünen. Der 59-Jährige kam Ende der 80er aufgrund des damaligen FRG-Kreisvorsitzenden Eike Hallitzky zu den alternativen Naturschützern. „Für mich war der Ausstieg aus der Atomkraft damals wesentlich. Ebenso das Thema Klima. Beides stand und steht immer noch bei den Grünen hoch im Kurs“, so der gebürtige Chamer.
Im Hog’n-Interview berichten sie über die aktuelle Situation der Partei im Landkreis, über Energiepolitik im Allgemeinen sowie Windkraft im Besonderen; über die Probleme der Landwirtschaft, über Ernährung, das ÖPNV-Konzept und viele weitere „grüne Themen“. Nicht ohne eine Portion Ärger gehen sie auf die scheinbar mehr und mehr „ergrünende“ CSU ein.
Nachwuchssorgen: „Auf dem Land haben wir Probleme“
Herr Madl-Deinhart, Herr Schoyerer: Die Grünen stehen im Landkreis ja nicht besonders im Mittelpunkt. Warum ist das so?
Hans Madl-Deinhart: Ja, die Arbeit in unserer Partei ist auf dem Land und insbesondere hier im Bayerischen Wald nicht ganz einfach. Sich als Grüne oder Grüner zu bekennen, heißt: gegen den Strom zu schwimmen. Sowohl in der Familie, als auch im gesamten Umfeld muss man sich da seiner Parteizugehörigkeit stellen – und das tun sich viele nicht an. Als Grüne haben wir einen relativ hohen Anspruch, was die thematische Arbeit betrifft – und auch das ist nicht unbedingt gefragt.
Hermann Schoyerer: Das ist ein schwieriges Terrain, u.a. wegen den Medien. Das erlebe ich so, seit ich hier bin. In Cham bin ich aufgewachsen, mit 18 bin ich von daheim weg. Ich hab in Bayreuth, Würzburg und München gelebt, darum ist auch mein Dialekt so abgeschliffen.
Haben die Grünen also – wie so viele andere Parteien – mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen?
Hans Madl-Deinhart: Es gab ja mal eine Grüne Jugend im Landkreis; so um die 15 Aktive, die sich regelmäßig getroffen haben. Doch das war schlagartig vorbei, als die meisten zum Studieren weggegangen sind. Auf dem Land haben wir Probleme – denn die jungen Leute wären ja eigentlich in einem Alter, in dem sie sich politisch engagieren würden. Wenn sie weggehen, bringen sie sich aber lieber vor Ort ein.
Die Landflucht aus den Regionen in die Metropolen wird zwar mit vielen Worten, aber wenigen Taten von unserer Regierung begleitet – das trifft die unpolitisch denkenden Jugendlichen und selbstkritischen Mitbürger…, so auch natürlich unseren Nachwuchs.
Und es sind keine Jüngeren mehr nachgekommen?
Hans Madl-Deinhart: Wenig. Wir sind ständig auf der Suche. Trotzdem haben wir eine steigende Tendenz zu verzeichnen. Wir haben eben mehr Qualität als Quantität – und können sagen, dass etwa die Hälfte der Mitglieder aktiv mitarbeitet.
Hermann Schoyerer: Das ist nicht nur ein Problem der Grünen. Für junge Leute ist es nicht attraktiv, bei einer Partei zu sein…
„Sind eine Art Motor, der etablierte Parteien am Leben hält“
Hm, wenn man sich da aber die Junge Union anschaut…
Hermann Schoyerer: Das sind ganz andere Dimensionen. In der JU bist Du ganz schnell drin und zahlst einen extrem niedrigen Beitrag. Ich sehe das ambivalent. Alle Jugendlichen, die sich in einer demokratischen Partei einbringen, sind erstmal positiv zu werten. Doch der ‚Blick über den Tellerrand‘ fehlt weitgehend. Wir arbeiten vorwiegend inhaltlich und langfristig – tut die JU das…? Da spielt eher der Freizeitfaktor eine größere Rolle. Die Grüne Jugend in Niederbayern, in Straubing oder Landshut, macht ordentliche inhaltliche Arbeit – und das kontinuierlich. In den Städten haben die auch keine Einbrüche zu verzeichnen.
Provokant gefragt: Sind die Grünen im Landkreis FRG vom Aussterben bedroht?
Hans Madl-Deinhart: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich denke, es macht zunehmend Spaß, bei den Grünen zu arbeiten. Die Erfolge sind sichtbar. Was wir vor 20 Jahren im Programm hatten, wir jetzt langsam umgesetzt…
…von den Schwarzen.
Hans Madl-Deinhart: Ja… Der Atomausstieg war ja von Anfang an unser Thema. Jetzt ist er passiert. Oder unsere kritische Einstellung zur Bundeswehr. Die Schwarzen haben schließlich die Wehrpflicht abgeschafft. Wenn in der Bevölkerung genügend Widerstand da ist, schwenken die Schwarzen auch um. Die wissen schon, wann sie welche Themen aufgreifen müssen. Siehe unser Ministerpräsident ‚Drehhofer‘!
Wenn die Regierungspartei grüne Themen übernimmt, sind die Grünen selbst nicht mehr so relevant, oder?
Hans Madl-Deinhart: Das stimmt so nicht. Uns fallen ja immer wieder neue Themen ein, auf die die Schwarzen von allein nicht kommen wollen. Wir sind so eine Art Motor, der die etablierten Parteien am Leben hält. Außerdem waren wir ja schon mal an der Bundesregierung beteiligt und haben maßgeblich zur Entstehung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes beigetragen. So etwas kann auch wieder kommen.
Hermann Schoyerer: Es ist offensichtlich, dass die Regierungspartei ohne Ende abkupfert. Viel von dem, was von Grünen vorgedacht wurde, fließt im Laufe der Jahre in Gesetzestexte oder Initiativen, die einen schwarzen Stempel haben. Und unsere grundlegenden Meinungen werden ständig durch die Realität bestätigt.
„Unsere Arbeit wird nicht von den Wählern honoriert“
Nervt Sie das – oder macht Sie das stolz?
Hermann Schoyerer: Es wäre schön, wenn man selbst a bisserl mehr davon hätte. Das ist, denke ich, unser Los, dass wir relativ viele zukunftsfähige Themen anleiern, vordenken – aber die Lorbeeren dann meistens andere ernten.
Hans Madl-Deinhart: Was uns sehr wohl nervt: Dass unsere Arbeit nicht unbedingt von den Wählern honoriert wird – und auch, dass die Darstellung in den Medien relativ einseitig ist. Wir haben nun einmal im Landkreis nur eine Zeitung, die das Informationsmonopol in der Hand hält, und die von den Leuten überwiegend gelesen wird. Somit gibt es wenig Gegenpole, die mehr und tiefergehende Informationen liefern könnte. Wir können uns nicht darüber beklagen, dass unsere Themen nicht in der Zeitung vorkommen. Aber wenn ich heute die Zeitung aufschlage, dann ist meist Seehofer und seine CSU weit vorne positioniert…
Hermann Schoyerer: Manchmal ist es schon sehr frappierend, wie ein und dasselbe Thema dargestellt wird, wenn man verschieden Medien vergleicht… Hier in unseren Breitengraden ist es so: Wenn Du von klein auf immer schon dieselben Informationsperspektive vorgesetzt bekommst, führt das nicht unbedingt zu einem breiteren Meinungsspektrum…
Windkraft: „In gut vier Jahren stehen die ersten Anlagen“
Lassen Sie uns zurückkehren zu den „harten Themen“ der Grünen im Landkreis. In Spiegelau soll ja in den kommenden Jahren die Windkraft im Bayerwald Einzug halten.
Hans Madl-Deinhart: Ich bin mit dem Thema ja in mehrerlei Hinsicht konfrontiert, weil ich ja auch Vorsitzender der Bürgerenergie Freyung-Grafenau eG bin, einer vor rund zwei Jahren gegründeten Genossenschaft, die in dieselbe Richtung wie die Grünen stoßen und für erneuerbare Energien kämpfen. Die Windenergie ist sehr wichtig, da sie auch bei uns im Bayerischen Wald verwirklicht werden kann – und muss, wenn wir uns von Atom- und Kohleenergie loslösen wollen.
Wir haben ja im Woid nur sehr wenige Gebiete, die für Windenergie geeignet sind. Rund um den Haidel haben wir das Problem mit der Messstation, die uns im Umkreis von 15 Kilometern Windenergie unmöglich macht. Der regionale Planungsverband Donau-Wald hat vor drei Jahren begonnen, Gebiete zu ergründen, die für Windenergie geeignet sind. Fündig geworden ist man dann beim Wagensonnriegel, der sich über die Gemeinden Kirchdorf, Rinchnach, Frauenau und Spiegelau erstreckt. Es handelt sich dabei um eine Fläche von 1.700 Hektar, die seit Juli 2014 offiziell Vorrangfläche für Windenergienutzung ist.
Es gibt Bürgerinitiativen, die sich dagegen aussprechen. Doch wir glauben dran, dass wir in gut vier Jahren mit einer Umsetzung der Windkraft-Anlagen rechnen können. Wir gehen davon aus, dass die Bürgerenergie-Genossenschaft heuer noch den Standort-Sicherungsvertrag mit den Staatsforsten machen kann, was die Grünen natürlich sehr wohlwollend begleiten.
Wie hoch sind die geplanten Anlagen?
Hans Madl-Deinhart: Neuere Anlagen haben um die 130, 140 Meter Nabenhöhe. Mit den Flügeln kommen wir dann auf rund 200 Meter. In Sachen 10-H-Abstandsregelung sind wir in diesem Gebiet zum Glück kaum betroffen. Momentan sind wir von den Gemeinderatsentscheidungen in Spiegelau und Frauenau abhängig – diese müssen dem Projektvorhaben zustimmen. Danach wird mit den konkreten Planungen begonnen. Am 10. Februar wird in Spiegelau eine Infoveranstaltung dazu abgehalten. Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth steht dem Projekt relativ positiv gegenüber – aber er sagt auch, dass die Bevölkerung ihren Segen geben muss.
„In FRG steht und fällt die Landwirtschaft mit der Milchwirtschaft“
Thema Landwirtschaft und Ernährung. Was haben die Grünen dazu zu sagen?
Hans Madl-Deinhart: Die Nachfrage nach biologischen und regionalen, gesunden Lebensmitteln steigt laufend, sodass das Angebot gar nicht nachkommen kann. Somit brauchen wir nicht nur eine Energiewende, sondern auch eine Agrarwende. Das heißt: Wir müssen wieder zurück zu kleineren Einheiten, zu einer gesünderen Produktion.
Hermann Schoyerer: Stichwort: Wasser. Unsere Grundwasser-Situation ist in Niederbayern nicht besonders rosig. Hier im Bayerwald schon noch – aber jenseits der Donau nicht mehr, da gibt’s massive Probleme mit der Trinkwasser-Belastung durch die intensive Landwirtschaft. Viele Gemeinden klären mit einem irren Finanzaufwand ihr Wasser, weil ja die Gülle der Tiere irgendwo hin muss …
Ein Problem: Die Betriebe werden immer größer…
Hans Madl-Deinhart: Ja, aber sie werden auch dazu gezwungen, sich immer weiter zu vergrößern. Die Bauern sind in einer Zwickmühle: Wenn sie ihre Betriebe nicht vergrößern, sind sie nicht mehr wettbewerbsfähig – und müssen irgendwann zusperren…
Hermann Schoyerer: Die bayerische Schweinezucht etwa wird’s in zwei bis drei Jahren eventuell nicht mehr geben – das rentiert sich nicht mehr. Die Gewinnspanne ist beim Schweinefleisch für die Bauern zu gering. Kein Wunder, wenn man die Endpreise bei Netto oder Aldi betrachtet…
Hans Madl-Deinhart: Im Landkreis steht und fällt die Landwirtschaft mit der Milchwirtschaft. Wir haben sehr viel Grünland, können aber aufgrund der Höhenlage, den Hanglagen und der Humus-Beschaffenheit nicht viel Feldwirtschaft betreiben. Wenn die Milchpreise künftig wieder fallen, weil ja europaweit die Kontingentierung weggefallen ist, befürchte ich, dass viele Milchbetriebe aufgeben müssen.
Ernährung: „Bio ist wichtig – regional fast noch wichtiger“
Ist das nicht alles etwas widersprüchlich? Auf der einen Seite, heißt es, ändert sich das Verbraucherverhalten – auf der anderen müssen kleinere Betriebe schließen und es gibt noch mehr „Massen-Tier-Ware“.
Hans Madl-Deinhart: Es gibt wieder mehr Leute, die bewusster leben. Die versuchen, Lebensmittel wieder selbst anzubauen, auch im Kleinen. Und die bei den Bauern nachfragen wegen Kartoffeln oder Fleisch. Meine Frau und ich brauchen mit unserem kleinen Garten beim Gemüse so gut wie nichts hinzukaufen. Es gibt einen zunehmende Zahl an Verbrauchern, die versucht, wieder mehr regionale und vernünftig-produzierte Lebensmittel zu konsumieren.
Aber beim Fleisch hört sich’s trotzdem bei den meisten auf. Sie wollen nicht das Zwei- bis Dreifache für ein Bio-Hendl ausgeben.
Hans Madl-Deinhart: Ich denke: Bio ist schon wichtig. Aber regional ist fast noch wichtiger. In einen Bio-Laden zu gehen, um ein biologisches Lebensmittel zu kaufen, das beispielsweise aus der Dritten Welt kommt – das Produkt ist vielleicht noch ‚bio‘ hergestellt, aber der Transportweg ist ja immens. Da wird das Bio-Siegel auch irgendwann mal hinfällig…
Hermann Schoyerer: Lebensmittel haben etwas mit dem Klima zu tun, das gehört zusammen. Woher kommt denn das Futter für unsere Tiere? Erst wird Regenwald in Süd-Amerika oder auf den Philippinen abgeholzt, um dann großflächige Soja-Monokulturen dort zu errichten. Das Soja wird über tausende von Kilometern nach Europa transportiert, wird bei uns verfüttert. Große Anteile des so erzeugten Fleisches werden dann von Mittel-Europa aus weiterexportiert nach Ost-Europa oder Afrika, weil es für uns keinen großen Wert hat. Oder es geht bei uns zum Schleuderpreis über die Ladentheke. Was ich sagen will: Die Zusammenhänge im Lebensmittel-Bereich sind extrem.
Hans Madl-Deinhart: Es ist deshalb notwendig, dass von mehreren Seiten agiert wird. Beispiel: TTIP. Wenn es nicht kritische Parteien und kritische Verbraucher gäbe, wäre dieses Handelsabkommen vermutlich bereits unter Dach und Fach. Genauso ist es wichtig, auch im Kleinen zu schauen, dass gewisse Themen zur Diskussion und ins Bewusstsein der Leute gebracht werden.
„Die Verbraucher werden durch die Werbung manipuliert“
Hat es nun der Verbraucher – wie immer wieder propagiert – selbst in der Hand, durch sein Konsumverhalten gewisse Dinge zu lenken, oder nicht?
Hans Madl-Deinhart: Das ist tatsächlich so, ja. Aber die Verbraucher werden auch manipuliert. Durch Werbung wird er in eine bestimmte Richtung getrieben – und wenn ich als Verbraucher da nicht einen bestimmten Widerstand erzeuge und mir ein kritisches Bewusstsein bewahre, laufe ich diesen Werbe-Trends nach.
Heißt also: Die Wirtschaft muss von Seiten der Politik besser kontrolliert werden.
Hans Madl-Deinhart: Ja, ganz klar. Das muss so sein.
Aber die Realität ist meistens eine andere…
Hans Madl-Deinhart: Ja, leider. Das sieht man an vielen Beispielen, wie etwa beim Strommarkt. Hier werden die Leute massiv manipuliert. Es hat geheißen: Die erneuerbaren Energien können wir uns nicht mehr leisten, weil der Strompreis zu teuer wird. Doch man hat im Prinzip nur die großen Konzerne gefüttert, die Milliarden an Gewinnen gemacht haben. Ich denke, dass es nichts Günstigeres gibt als die schnelle Umsetzung der Energiewende. Die Alternative ist doch: Wir bauen nicht um auf erneuerbare Energien und warten, bis alles den Bach runtergeht – dann wird’s noch erhelblich teuerer.
Nehmen die Menschen das Thema Energiewende mit all seinen Folgen, wenn sie nicht umgesetzt wird, nicht ernst genug?
Hans Madl-Deinhart: Ich denke, im Hintergrund wissen schon sehr viele, dass die Zeit dafür reif ist. Aber das Handeln ist, wie bei so vielen anderen Neuerungen auch, der wichtigere Schritt. Es geht ums Kapieren – dann geht’s auch relativ schnell…
Energiewende: „Momentan haben wir einen Stillstand“
Klappt das denn noch, dass wir dem Klimawandel Herr werden?
Hans Madl-Deinhart: Meine Hoffnung ist, dass wir’s mit Hilfe der Technik schaffen. Der Zeitrahmen wird ja immer enger. Wir müssen von unserem hohen Energie- und Rohstoffverbrauch wegkommen, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Eigentlich wären die Voraussetzungen dafür jetzt schon gegeben…
Stichwort Atomkraft: Wir haben ja in unmittelbarer Nachbarschaft das Kraftwerk Temelin stehen. Der Ausbau soll kommen, dann wieder nicht, dann doch wieder…
Hans Madl-Deinhart: Die Regierung in Tschechien ist aktuell nicht sonderlich berechenbar. Aber aufgrund dessen, dass wir in Deutschland so viel erneuerbare Energien haben und der Strompreis an der Börse gesunken ist, erkennen die Tschechen natürlich auch, dass sie in Zukunft Probleme damit bekommen werden, ihren teuren Atomstrom an uns zu verkaufen. Ich sehe es sehr wohl als Produkt der Energiewende, dass die Tschechen nun überlegen, ob sie ihre zwei Reaktoren noch bauen.
Darüber freut man sich, klar. Aber ich freue mich nicht, wenn die Energiewende bei uns nun wieder abgewürgt wird. Momentan haben wir einen relativen Stillstand. Beim Wind war in Deutschland im letzten Jahr noch ein Zuwachs zu verzeichnen, bei der Photovoltaik ist er enorm eingebrochen. Wir von der Genossenschaft hatten ja die PV-Anlage auf der Freyunger Realschule realisieren können – doch für eine weitere hat’s bisher nicht gereicht, weil es zu unrentabel geworden ist. Deshalb orientieren wir uns nun in Richtung Windenergie – und hoffen darauf, dass in windreichen Regionen in Niederbayern auch Windkraftanlagen gebaut werden.
ÖPNV-Konzept: „Auch die Bahn soll miteinbezogen werden“
Windkraft-Gegner behaupten, dass die Natur durch die Windräder verschandelt wird. Was sagen Sie zu diesem Argument?
Hans Madl-Deinhart: Das wird häufig viel drastischer dargestellt, als das in Wirklichkeit der Fall ist. Wir haben Beispiele gesehen, bei denen das Landschaftsbild nicht verschandelt wurde. Deshalb ist das auch kein Argument, das ich gelten lasse. Die Alternative ist: Wenn ich keine Windkraft-Anlage will, muss ich mit Atom- oder Kohlestrom zufrieden sein. Und in den Gegenden, wo Kohlestrom produziert wird, schaut es landschaftlich nicht sonderlich gut aus…
Das Sankt-Florian-Prinzip kommt ja hier auch gerne zum Tragen…
Hans Madl-Deinhart: Richtig. Zu beachten ist: Man baut ja die Windkraft-Anlagen nicht für die nächsten hundert Jahre – die Laufzeit beträgt um die 20, 25 Jahre. Diese Anlagen lassen sich relativ einfach zurückbauen – im Gegensatz zu Atom- oder Kohlekraftwerken. Wenn man Windräder baut, muss man ab dem ersten Jahr Rücklagen für den Rückbau bilden. Das heißt: Im Genehmigungsverfahren wird bereits die Sicherung des Rückbaus festgelegt.
Der Landkreis Passau entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Freyung-Grafenau und der Stadt Passau derzeit ein Landkreis-übergreifendes ÖPNV-Konzept. Auch die Grünen möchten hier ein Wörtchen mitreden.
Hans Madl-Deinhart: Seit gut eineinhalb Jahren arbeitet eine Handvoll Grüner intensiv an der Verbesserung des veralteten Verkehrskonzepts und den Verbindungen zwischen den Landkreisen FRG und Passau. Das bis dato von Freyung-Grafenau entworfene Konzept geht sehr in die Richtung, die auch die Grünen einschlagen möchten und die unser Arbeitskreis erarbeitet hat. Finanzieller Handlungsbedarf besteht momentan auf Seiten von Stadt und Landkreis Passau, um die Bus-Verbindungen zwischen dem Woid und Passau zu optimieren. Das Konzept sieht u.a. vor, dass Schnellbusse zwischen Grafenau und Passau sowie Waldkirchen, Freyung und Passau eingesetzt werden. Und sobald die Bahn im Regelverkehr läuft, könnten die Busse durch die Bahn ersetzt werden. Auch Landrat Gruber hat betont, dass die Bahn hier auch miteinbezogen werden soll.
Hermann Schoyerer: Richtig. Von Grüner Seite ist immer kommuniziert worden, dass wir alle Verkehrsträger miteinander verbinden müssen. Es wurde nie singulär gedacht, sondern übers Radl bis hin zur Schiene. Es geht um das gesamte Potenzial – was auch einer meiner wesentlichen Beweggründe war, mich bei der Ilztalbahn zu engagieren. Ich verstehe bis heute nicht, warum man eine nur punktuell beschädigte Trasse und ansonsten absolut intakte Infrastruktur einem Radlweg geopfert hatte. Welche Unsummen werden denn in die ‚Straße‘ gepumpt? Trotzdem werden die Löcher immer größer…
Die Ilztalbahn soll Rückgrat für die zuführenden Verkehrsträger sein. Viele erfolgreiche Beispiele in Deutschland belegen diese klimafreundliche, nutzerfreundliche Verkettung – und es ist überhaupt keine Hexerei dabei!
Man darf gespannt sein, was sich in Sachen Windkraft und ÖPNV noch entwickeln wird. Vielen Dank an Sie beide, dass Sie sich Zeit für unser Gespräch genommen haben – und weiterhin alles Gute.
Interview und Fotos: Eva und Stephan Hörhammer
Zwei aktive „Macher“ im Woid, die man nur nach Kräften unterstützen und denen man von Herzen Glück bei der Umsetzung der geplanten Vorhaben wünschen kann.
Ich lasse mich schon einmal auf die Warteliste für die Bürgergenossenschaft setzen, auch wenn ich im Lkr. Passau wohne. Wenn das Windprojekt sich realisiert – was unbedingt zu hoffen ist – soll der Einzugsbereich wesentlich vergrößert werden und dann will ich sofort mit dabei sein!
Eine Genossenschaft ist meiner Meinung nach eine der wenigen Möglichkeiten, wie Bürger ihre Ideen auch gegen die großen Konzerne durchsetzen können. – Risiko ruht auf vielen Schultern, jeder ist aktiv beteiligt.