Freyung-Grafenau. „Bus und Bahn müssen näher zu den Bürgerinnen und Bürgern kommen“ – so lautet das gemeinsame Fazit von Rosi Steinberger und Toni Schuberl anlässlich einer jüngst veröffentlichten Studie des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses „Allianz pro Schiene“ zur Erreichbarkeit von Haltestellen, die nach Meinung der beiden Grünen-Landtagsabgeordneten zeige, „dass der ÖPNV im Landkreis Freyung-Grafenau unterentwickelt ist“. Landrat Sebastian Gruber weist die Einschätzungen der Verkehrsstudie u.a. deshalb zurück, da deren zugrunde liegender Datensatz aus dem Jahr 2016 stamme. „Allianz pro Schiene“ dementiert.
Dem bundesweiten Ranking zufolge, das laut „Allianz pro Schiene“ auf offiziellen Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) basiert, landete der Landkreis Freyung-Grafenau – mit Abstand – auf dem letzten Platz (siehe obige Grafik). Dabei wurde untersucht, wie viele Bewohner eine ausreichende Versorgung mit Haltestellen haben. Laut BBSR gilt die Erreichbarkeit als ausreichend, wenn die nächste Haltestelle höchstens 600 Meter und der nächste Bahnhof höchstens 1.200 Meter Luftlinie vom Wohnort entfernt liegt – und mindestens 20 Abfahrten pro Tag möglich sind.
Schuberl: Mehr Buslinien und Haltestellen in FRG
Im Landkreis Freyung-Grafenau haben gemäß der Studie lediglich 15,11 Prozent der Menschen eine Haltestelle in ausreichender Nähe. Damit landete FRG im bundesweiten Vergleich auf Platz 401. Den zweitletzten Platz erreichte der Landkreis Dingolfing-Landau mit 27,44 Prozent – und ist damit fast doppelt so „gut“, wie der in Daxstein bei Zenting lebende MdL Toni Schuberl etwas ironisch kommentiert. Auf dem viertletzten Platz folgt der Landkreis Straubing mit 33,8 Prozent.
Diesen „katastrophalen Wert“ für Freyung-Grafenau dürfe man ihm zufolge nicht mit der dünnen Besiedlung rechtfertigen, denn andere, ähnlich dünn besiedelte Landkreise in Bayern hätten deutlich besser abgeschnitten. „Im Nachbarlandkreis Regen mit einer Bevölkerungsdichte von 79,5 Personen/km² haben immerhin 66,17 Prozent der Menschen eine Haltestelle in ausreichender Nähe. In Garmisch-Partenkirchen mit 87,1 Personen/km² sind es sogar 93,08 Prozent“, so Schuberl.
Der Klimaschutz brauche die Verkehrswende, ist der Grünen-Landtagsabgeordnete überzeugt, der eine Mobilitätsgarantie – sprich: Stundentakt von morgens fünf Uhr bis Mitternacht an allen Werktagen auf einem dichten Streckennetz, das alle Ortschaften erfasst – für alle Bürger Bayerns fordert. Die Menschen würden sich Alternativen zum Auto wünschen. „Deshalb brauchen wir ein flächendeckendes, hochwertiges Angebot von Bus und Bahn.“ Sein Ziel sei es, dass auch in Freyung Grafenau die Verkehrswende begonnen werde. Dazu brauche es mehr Buslinien und Haltestellen mit Fahrten möglichst im Stundentakt. „Insbesondere muss endlich die Ilztalbahn reaktiviert und als Rückgrat des ÖPNV in das Busnetz mit eingebunden werden. Darüber hinaus braucht es einen Verkehrsverbund mit dem Landkreis und der Stadt Passau.“
Gruber: „Studie kann man nicht wirklich ernst nehmen“
Für „leichte Verwunderung“ hatten Medienberichte zur Studie im Landratsamt Freyung-Grafenau gesorgt, wie dessen Pressestelle jüngst mitteilte. Landrat Sebastian Gruber kritisiere am Ranking von „Allianz pro Schiene“, einem „Interessensverband, der unter anderem von Eisenbahnverkehrs-Unternehmen, Bahntechnik-Produzenten und Gleisbau-Firmen finanziell unterstützt werde“, dass man diese Studie nicht wirklich ernst nehmen könne, da sie die Lebenswirklichkeit im ländlichen Raum in keiner Form abbilde – und offensichtlich so strukturiert sei, dass sie die Forderungen des Interessenverbands untermauere.
Auch stamme der Datensatz, auf den sich die Studie bezieht, aus dem Jahr 2016 – „und damit aus der Zeit vor der ÖPNV-Offensive, die der Landkreis in den vergangenen beiden Jahren initiiert hat“. Es sei grundsätzlich ein Problem, wenn hier Flächenlandkreise mit Städten und Ballungszentren verglichen werden: „20 Fahrmöglichkeiten am Tag bedeutet einen Halbstundentakt in der Zeit zwischen 7 und 17 Uhr.“
Einen Halbstundentakt schaffe man in Städten, aber nicht in kleinen Orten am Land, ist in der Stellungnahme des Landratsamts weiter zu lesen. Der Landkreis habe – vor allem in den vergangenen beiden Jahren – das Angebot im Nahverkehr deutlich ausgebaut, die Anzahl der Linien sei unter der Woche etwas mehr als verdoppelt worden. Unter der Woche werde damit an viel Stellen ein Ein- bis Zwei-Stundentakt erreicht. Man arbeite weiter an einer Verbesserung, heißt es. Dieses Angebot müsse aber auch an die Gegebenheiten vor Ort angepasst sein. An vielen Stellen im Landkreis seien eher flexible Angebote gefragt, wie die Rufbusse, die mittlerweile auch sehr gut angenommen würden. In den Ballungsräumen sei die dichtere Taktung unter anderem auch der Tatsache geschuldet, dass dort eine deutlich größere Anzahl an Menschen transportiert werden müsse.
Über den durchaus nötigen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs dürfe man aber auch den Erhalt und den Ausbau der bestehenden Verkehrs-Infrastruktur nicht vergessen. „Für uns sind neben guten ÖPNV-Anbindungen vor allem auch intakte Straßen und vernünftige Anbindungen an Bundesstraßen und Autobahnen wichtig. Dies ist für viele unserer Landkreisbürger deutlich entscheidender als die Frage, ob untertags an der Haltestelle in ihrem Dorf ein Halbstundentakt gefahren wird“, so Gruber. Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land seien ohne Individualverkehr in einem Flächenlandkreis gar nicht denkbar.
„Gehen davon aus, dass wir aktuell besser dastehen“
Nachdem die jeweilige Pressemitteilung Schuberls sowie die des Landkreises Freyung-Grafenau auch auf der Hog’n-Facebook-Seite veröffentlicht wurden, meldete sich dort „Allianz pro Schiene“ mit folgendem Post zu Wort:
Demnach stammten alle Daten des Rankings – anders als von Seiten des Landratsamts behauptet – sehr wohl aus dem Jahr 2018. Darauf angesprochen, teilt Landratsamtssprecher Karl Matschiner gegenüber dem Hog’n mit, dass man aufgrund einer eingängigen Prüfung des Datenmaterials zu jenem Ergebnis gekommen sei – und auch dabei bleibe. „In der Studie, auf die sich Allianz pro Schiene stützt, heißt es auf Seite 5 wörtlich: Für alle Haltestellen wurden die Abfahrten für jeden Tag in der Woche vom 06.06.2016 bis 12.06.2016 ermittelt.“ Sprich: Es seien Datensätze aus einer Zeit zur Anwendung gekommen, zu der das neue Landkreis-ÖPNV-Konzept noch in der Planungsphase gesteckt habe.
Es bestehe seitens der Landratsamts jedoch kein Interesse daran, die unterschiedlichen Ansichten bzgl. des in der Studie verwendeten Datenmaterials „auf die Spitze zu treiben“. Aus Sicht des Landkreises sei, so Matschiner weiter, letztlich entscheidend, wie das neue ÖPNV-Netz von den Bürgern angenommen werde. Wissenschaftlich belegen (etwa im Rahmen einer Evaluierung) könne man derzeit zwar noch nicht, ob die neuen ÖPNV-Maßnahmen gefruchtet haben – dafür seien diese noch zu frisch. „Doch wir gehen davon aus, dass wir aktuell besser dastehen, als vor zwei Jahren“.
da Hog’n