Ines Geier (32), gebürtige Freyungerin, arbeitete nach ihrem Studium fünf Jahre in München als Redakteurin, doch richtig heimisch fühlte sie sich in der Großstadt nicht. Nach der Geburt ihrer Tochter Louisa verließ sie mit ihr die Landeshauptstadt und die viel zu hohen Mieten Richtung Niederbayern. Für den Hog’n haben die beiden jetzt Urlaub gemacht. Und zwar auf einem Bauernhof.
Schönberg. Mit einem kleinen Kind in den Urlaub zu fahren, ist an sich ja eine tolle Sache, aber… Ja aber. Die Mamas wissen es. In so einem vor-ferienhaften Mutterhirn gibt es tausend wichtige, genauer gesagt sehr wichtige, mittelwichtige und naja, eigentlich nicht ganz so wichtige, aber Wär’-schongut- wenn-man-es-wüßte-Fragen, die beantwortet werden müssten. Kurz: Am liebsten würden Mamas vorab schon mal am Zielort vorbeifahren, um zu schauen, „ob des do überhaupts wos Gscheids is“.
Für diejenigen im Landkreis, die einmal mit ihrem Nachwuchs Urlaub auf dem Bauernhof machen möchten, haben meine zweijährige Tochter Louisa, ihr Papa und ich es ausprobiert. Wir waren drei Tage auf einem Bio-Bauernhof – und zwar im „Kinderparadies Höcker“ in Schönberg. Unser Fazit: Der Name ist Programm.
Vorbereitung
Bei der Überlegung, welche Art von Urlaub es für uns sein sollte, war klar, dass es dort auf jeden Fall Tiere geben muss. Selbige stehen bei kleinen Kindern ja von Natur aus hoch im Kurs. So auch bei Louisa: Kein halbwegs freundlicher Hund schaffte es bislang ungestreichelt an ihr vorbei. Aber als vor kurzem im Kinderkanal „Heidi“ lief und meine Tochter beim Anblick der Zeichentrick-Ziegen immer wieder in Verzückung, gar Verklärung geriet, suchte ich im Internet nach einem Bauernhof mit Streichelzoo.
Must have: die Ziege. Ich fand sie in Schönberg. Mit vier von fünf Bärchen für das „Kinderparadies Höcker“, eine Art Sternebewertung für die Familien- und Kinderfreundlichkeit von Unterkünften im Bayerischen Wald, konnten wir so falsch ja nicht liegen. Die Preise für eine Ferienwohnung – ab 50 Euro pro Nacht als Selbstversorger – fand ich in Ordnung, den angebotenen Semmelservice und die Tatsache, dass man im Gegensatz zu vielen anderen Ferienwohnungen keine eigene Bettwäsche mitbringen muss, eine gute Sache. Zu bedenken ist bei einem Kinderurlaub natürlich auch immer die Dauer der Anreise, was für mich endgültig der Grund war, bei Familie Höcker anzufragen. Die 40 Kilometer von Passau nach Schönberg wären auch bei unter Umständen schlechter Laune des Fahrgasts auf dem Kindersitz zu meistern. So rief ich bei Helga Höcker an und hatte binnen zehn Minuten meine Online-Buchung für die „Bienenkorb Suite“ bestätigt.
Tag 1: Mein Auto, mein Haus, mein Pferd
Mit etlichen Kisten – seit ich Mama bin, verreise ich nicht mehr mit Koffern, sondern mit Klappkisten und zwei Essenskörben – erreichen wir gut gelaunt das Ziel. Anton Höcker, der Hausherr, kommt uns gleich am Parkplatz entgegen und zeigt uns den Weg zu unserer Ferienwohnung. Als er die Tür aufschließt, komme ich mir vor wie in einer Putzmittel-Werbung. Alles blitzt und blinkt, es ist groß und hell und in der Küche steht ein Wasserkocher. Eines der sehr wichtigen Dinge für mein Kind. Auch Louisa ist scheinbar angetan, denn sie spaziert durch die 55 Quadratmeter, nickt anerkennend „schön, schön“ – und als sie bemerkt, dass man vom Balkon aus die Pferde auf der Koppel sehen kann, ist sie vollends begeistert. Ich auch. Nicht nur, weil ich als kleines Mädchen auch ein Ponyhof-Kind war, nein, mich freut am meisten, dass ich eine Kiste völlig unangetastet im Auto lassen kann.
Meine Mama, die als Oma doppelt so viel bedenkt wie ich als Mutter, legte mir nämlich nahe, fast meinen kompletten Hausstand einzupacken, inklusive Klopapier, weil: „Als Selbstversorger habt’s da nix.“ Ich muss feststellen: Wir haben alles! Sogar ein Nudelsieb, Spülmittel und Gurkenhobel. Bauer Anton teilt uns noch mit, dass um 17.30 Uhr das kostenlose Pony-Reiten sei, vorher allerdings der Stall ausgemistet werden müsste. Dann überlässt er uns unserem Schicksal. Natürlich muss Louisa jetzt sofort nach unten: „Ei Ei“ machen – wobei sie sich nicht auf eine bestimmte Tierart festlegen will. Wir machen uns auf den Weg zu den Hasen, die in einem geräumigen, überdachten Offenstall untergebracht sind. Louisa kann gar nicht glauben, dass sie jetzt wirklich „da rein“ darf und nimmt erst mal schüchtern auf der kleinen Bank Platz, die es dort gibt.
Und dann die nächste Überraschung: Im Stall gibt es etliche, klitzekleine Fellknäuel, fünf ganz kleine, graue Häschen, erst fünf Wochen alt und überhaupt nicht scheu. Dazu auch noch zwei „Wildschweine“, wie Louisa Meerschweinchen konsequent betitelt. Meine Tochter tanzt vor Glück. Dass neben dem Hasenstall ein riesiges Trampolin steht, bemerkt sie erst gar nicht. Gefühlte drei Stunden herzen wir die Kaninchen, dann spazieren wir zu den Hühnern und Ziegen, die direkt oberhalb eines Spielplatzes mit großer Rutsche wohnen. Auch hier gehen wir gleich auf Tuchfühlung.
Der Uhrzeiger nähert sich nun unweigerlich der 17-Uhr-Marke und Louisa ist schon ziemlich erledigt von all den Zärtlichkeiten, die sie verteilt hat. Da mache ich einen Fehler: Ich sage, dass sie jetzt dem Bauern beim Ausmisten helfen darf, was der Wahrheit entspricht, wenn man darunter versteht, dass sie aufgeladenen Mist mit einer kleinen Schubkarre zu einem großen Traktor fahren darf. Sie aber will SELBER ausmisten und gerät in Panik. Der Grund: Sie hat keine Mistgabel. Dieses lebenswichtige Utensil kennt sie von ihrem Playmobil-Bauernhof, auf dem sie mit Hingabe die Hinterlassenschaften ihrer Spielzeug-Figürchen entfernt. Immer und immer wieder informiert sie uns jetzt lautstark und mit Nachdruck, dass „Isa keine Mistgabel“ hat. Schließlich ist sie am Rande der Verzweiflung, weil wir keine Anstalten machen, den Mangel zu beheben. Ich zweifle, dass mein Kind sich heute überhaupt noch beruhigen wird. Da taucht Bauer Anton auf und auch die anderen Ferienkinder trudeln am Stall ein. Wie durch ein Wunder tut es Louisa ihnen plötzlich seelenruhig gleich, greift nach einem der Minischub-Karren und lässt Bauer Anton die Pferdeäpfel hineinwerfen. Dann wird das Gefahrgut geschäftig zum Ablageplatz transportiert.
„Schön, schön“ – Louisa hat mächtig viel Spaß bei der „Heu-Arbeit“:
Doch bekanntlich hat ja alles mal ein Ende. Auch Mist. Und das nächste Drama ist nicht weit. Der Kindertrupp macht sich nach einer Rundfahrt mit dem Traktor auf den Weg zur Koppel, um die Ponys abzuholen. Problem: sieben Mädchen, vier Pferde. Moritz, das kleine Shetland Pony, das Louisa schon aus meinen schillernden Erzählungen kennt (ich hätte mich wohl etwas zurückhalten sollen), ist natürlich sofort in Beschlag genommen und Louisa verfällt erneut in Verzweiflung: „Mein Pferd! Mein Pferd!“ brüllt sie und wirft sich auf den Boden. Ich muss an die unangenehme „Mein Haus, mein Auto, mein Pferd“– Fernsehwerbung denken und bin ratlos. So erlebe ich meine Tochter selten. Als die Gruppe dann auch noch anfängt, die Tiere zu striegeln, ist es gänzlich um Louisas Fassung geschehen. Noch lauter brüllt sie : „Nicht putzen! Niiiicht putzen!!!!!! Reiten will! Isa muss reiten.“ Unter wildem Protest verlasen wir schließlich die Szenerie. Den Rest des Abends weigert Louisa sich entschieden ihre Reitkappe – im bauernhoffreien Alltag ein Fahrradhelm – abzunehmen. Ich schiebe den wilden Schluss des Abends auf Müdigkeit und darauf, dass es wohl „zu viele Eindrücke“ gewesen sind. Erfahrungsgemäß die beliebteste Eltern-Erklärung, nach: „Er/Sie kriegt wohl Zähne“ für schlechte Laune der Heranwachsenden.
Tag 2: „Katze haben“
Die Nacht ist ruhig und ich schlafe ausgezeichnet in dem bereits bezogenen Bett. Wie gewohnt erwacht Louisa um zehn nach fünf. Schon bei der Buchung hatte ich Bedenken, dass Louisa dem Gockelhahn-Kikeriki zuvorkommen und das arme Federvieh verwirren könnte, denn ihr energisches „AUFWACHEN!!!! AUFSTEH’N, MAMA!!!!“, gepaart mit entschiedenem Augenlider-Hochklappen, ist nichts für Ungeübte. Ich habe mich inzwischen meinem Schicksal gefügt und so stehen wir bereits um halb sieben auf einem Bauernhof, wo noch alles selig schlummert. Sogar der Gockel. Die Hasis allerdings müssen jetzt aufstehen. Ob sie wollen oder nicht, sie bekommen jetzt frisches Gras von Louisa. Viel frisches Gras.
Dann will mein Kind unbedingt den Bauern fragen, wann sie den Moritz heute reiten darf. Zufällig sehen wir Herrn Höcker vom Hof aus in seinem Büro. Er bietet an, das Zwergpony für Louisa heute eine halbe Stunde früher zu satteln, bevor die anderen Kinder das Pferdchen wieder in Beschlag nehmen. Und er hält Wort. Louisa hat „ihr Pferd“, sie striegelt und streichelt und strahlt. Als Herr Höcker mir dann den Führ-Strick in die Hand drückt, hab auch ich mein Pferd. Wir dürfen einfach losmarschieren, müssen nicht auf der Reitbahn im Kreis gehen, sondern können einfach ab in die Natur. Alle Beteiligten sind höchstzufrieden. Am meisten Moritz, denn ich habe den Hinweis von Herrn Höcker, dass ich das Pony nicht fressen lassen soll, zwar gehört, kann dem Vierbeiner das allerdings nicht wirklich vermitteln. So geht Moritz entschlossen von Grasbüschel zu Grasbüschel frühstücken, mich am Strick im Schlepptau, eine glückliche Zweijährige auf dem Rücken und einen pausenlos fotografierenden Papa vor, neben oder hinter sich. Als die anderen Kinder schließlich ankommen, um auch zu reiten, lässt Louisa diesmal alle wissen: „Abwechseln is wichtig.“ Ah ja.
Inzwischen hängen die frischen Semmeln bereits in einer Stofftasche an unserer Zimmertür und wir frühstücken nun endlich. Allerdings fast unter Zeitdruck, denn der nächste Termin steht an: Baby-Katzen streicheln. Mit vier Wochen sind die Kätzchen noch so klein, dass Helga Höcker die Liebkosungen einer Kinderschar lieber nur unter Aufsicht zulässt. Die Buben und Mädchen sind natürlich hellauf begeistert von den Kleinen und jedes will eine kleine Mieze mit nach Hause nehmen. Auch Louisa „will Katze ham“. Zum Glück zeigt sie sich einsichtig, dass im Auto wegen der vielen Kisten kein Platz mehr ist. Nächstes Jahr kommen wir mit so einer hanebüchenen Erklärung wahrscheinlich nicht mehr durch…
Den Nachmittag verbringen wir, weil es regnet, in der Spielscheune. Dort gibt es eine Rutsche ins Heu, eine große Korbschaukel, eine kleine Kletterwand, einen Tischkicker und Taue mit Knoten zum Sitzen wie früher im Sportunterricht. Darauf habe ich allerdings kein einziges mal ein Kind sitzen sehen – dafür jedes Mal irgendeinen Papa.
Tag 3: Udine!
Es regnet immer noch, hat acht Grad und was wir bereits geahnt hatten, wird zur Gewissheit: Mit dem Grill oder Pizza-Abend bzw. Stockbrotgrillen, das im Kinderparadies abends bei schönem Wetter stattfindet, wird es auch heute nichts. Wir beschließen, einen Ausflug in ein Café zu machen und fahren nach Schönberg. Als wir am Marktplatz aus dem Auto steigen, hat Louisa unser Ziel bereits erspäht. Zielsicher schreitet sie zu einem zwei Meter großem Deko-Eis vor einer Gelateria. „Isa muss Eis haben.“ Uns bleibt keine Wahl bzw. sie wäre teuer erkauft. Also gar nicht lang diskutieren – hinsetzen. Wir sind die einzigen Gäste. Das „rosa Eis“ schmeckt Louisa gut und der Besitzer erzählt uns lange Geschichten aus seiner Heimat Udine. Er ist sehr nett. Trotzdem fehlen mir die Hasis. Den Rest des Tages verbringen wir zusammen mit anderen Feriengästen im warmen Spielzimmer des Kinderparadieses.
Tag 4: „Wieder kommen“
Heute müssen wir auch schon wieder fahren. Um zehn soll nach Möglichkeit das Zimmer frei sein. Louisa ist sehr kooperativ, was vielleicht aber auch ein bisschen an dem Keks liegt, den ich ihr wider besseren pädagogischen Wissens als Lockmittel in den Kindersitz gelegt habe. Wir haben alle Kisten wieder dabei, nur Papa hat seine Uhr und Louisa ein Paar rosagrün-geblümte Söckchen liegen gelassen. Vielleicht absichtlich? Die beiden wollen nämlich unbedingt noch einmal ins Kinderparadies. Ich bin dabei. Und die Sonne hoffentlich auch…
Ines Geier
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Kontakt:
Kinderparadies Höcker
Familie Höcker
Habernberg 1
94513 Schönberg
Tel: 08554/2742
Internet: www.kinderparadies-hoecker.de
E-Mail: info@kinderparadies-hoecker.de
(Transparenz-Erkärung: Wie fährt sich ein Elektroauto? Würde ich meine Führerscheinprüfung heut noch einmal bestehen? Wie “gefährlich” ist das Klettern in einem Hochseilpark? Oder: Wie gelingt ein richtiger Schweinebraten? Wir probieren’s für Sie (so wie hier für das Kinderparadies Höcker aus Schönberg) und unsere Leser aus – stets offen und ehrlich! Wenn auch Sie unser Ausprobiat-Team für Ihre Sache engagieren wollen, kontaktieren Sie uns einfach – und wir schicken Ihnen zum absolut freundlichen Ausprobiat-Preis eine kompetente, wagemutige und offenherzige Truppe vorbei, “bewaffnet” mit Bleistift, Papier, Foto- und Videokamera. Einfach eine Email mit dem Kennwort “Ausprobiat” an info@hogn.de senden – und wir melden uns umgehend bei Ihnen.)
hehe, was für ein besonderer Bericht! Ich habe beim Lesen mein Tagessoll an Lachen erreicht – und übererfüllt. Und nebenbei einen tollen Eindruck von dem Hof gewonnen. Den werde ich mir vormerken !
Danke für den tollen Einblick.
guade gschicht !
Na, wenn DER Artikel mal keine Lust auf Nachmachen macht… und *meinem* kleinen Mann, darf ich von Louisas Abenteuern auf dem Bauernhof gar nix erzählen… sonst heißt es sofort: „Maaaaaaamaaaaaa, Luggiiiii aaauuuuch hin!!!“
Sehr schöner Artikel, anschaulich und unterhaltsam! Bringt Freud und Leid des Elternseins ebenso deutlich rüber wie die vielen Vorzüge des Hofes.
Gerne mehr von der Autorin!
Hey das macht doch Lust auf mehr…. unser Sohn würde sich bestimmt freuen. Ganz nah an die Tiere und Arbeit scheut er auch nicht…
Wenn ich das so lese, dann würde ich am liebsten mit meinem Zwergi sofort ins Auto steigen und losfahren :-) Nur der Gockel muss davor in Urlaub fahren, weil wir alle langschläfer sind:-)
Der Artikel hört sich toll an! Am liebsten würde ich meine Kleine ins Auto setzen und gleich losfahren!!! Ich kann das Heu schon riechen ;-)
Beim Lesen des Artikels habe ich mich gefühlt als wäre ich bereits dabei gewesen.
Der nächste Ausflug mit der Cousine ist eingeplant!
Gschickt! Des mias ma gegebenenfalls a moi ausprobiern.
Wunderbarer Artikel, der richtig Lust macht auf ein „Dort-Sein“ mit kleinen Kindern und alles hautnah selber zu erleben. Solche Geschichten locken einen richtig raus aus dem Großstadttrott und zeigen auch den „Zugereisten“ was das Landleben alles zu bieten hat.