Saldenburg. Die Deutsche Jugendfeuerwehr wird heuer 50 Jahre alt. Darüber weiß keiner so gut Bescheid wie Kreisjugendwart Thomas Thurnreiter aus Hundsruck (Gde. Saldenburg). Der 39-Jährige übernahm den Posten im Februar 1997, nachdem man sich lange schwer getan hatte, einen neuen Kreisjugendwart zu finden. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ berichtet er unter anderem darüber, was die Feuerwehr für Jugendliche und mittlerweile auch Kinder alles zu bieten hat, was er vom sogenannten Feuerwehrführerschein hält und was aus dem Image der ehem. ‚Feier-Wehr‘ wurde.
Jubiläums-Aktionen: „Jeder kann entscheiden, woran er teilnimmt“
Dieses Jahr feiert die Deutsche Jugendfeuerwehr ihr 50-jähriges Bestehen. Im Zuge dessen sind bundesweit einige Aktionen und Veranstaltungen geplant – im Landkreis Freyung-Grafenau auch?
Speziell zu diesem Thema ist eigentlich nichts geplant. Aber es wird auf jeden Fall miteingebaut bei Veranstaltungen, die heuer sowieso stattfinden sollen. Zum Beispiel bei unserem Kreiszeltlager, das wir wieder Ende Juli veranstalten. Ich werde auf jeden Fall Info-Material, die bundesweiten Aktionen betreffend, bereitstellen und verteilen. Dann kann jede Jugendfeuerwehr für sich entscheiden, ob sie an den überregionalen Veranstaltungen teilnehmen kann und möchte oder nicht.
Welche Kosten würden dadurch entstehen? Und wer müsste dafür aufkommen?
Da gäbe es einige Zuschussmöglichkeiten. Der Kreisfeuerwehrverband und der jeweilige Feuerwehrverein stünden da an erster Stelle. Die Gemeinden haben auch Zuschussrichtlinien, an denen sie sich orientieren. Der Landkreis selber würde allerdings nichts zuschießen.
Da gibt es sicherlich einige kritische Stimmen, die fragen: „Müssen die dahin fahren? Kann man die Kosten nicht anderweitig zu sinnvolleren Zwecken nutzen?“.
Klar, die gibt es immer. Andererseits jammern auch viele über die Verbandsbeiträge. Wenn die Jugendfeuerwehren an Veranstaltungen im Landkreis oder im Regierungsbezirk teilnehmen, werden die Kosten durch eben diese Verbandsbeiträge abgedeckt. Da gibt es keine Startgebühr oder sonstige Beiträge zu zahlen, außer die eigene Verpflegung. Wieso sollte man solche Angebote dann nicht auch mal nutzen? Man kann natürlich auch ein eigenes kleines Zeltlager abhalten, aber unter’m Strich halten sich die Kosten für beides die Waage. Viele Jugendfeuerwehren führen immer mal wieder Aktionen durch, um ihre eigene Kasse aufzubessern, das muss man auch berücksichtigen.
„Der Landkreis steht im bayernweiten Vergleich nicht schlecht da“
Thomas: Wie lange möchtest Du das Amt des Kreisjugendwarts noch ausüben?
(lacht) So lange ich noch Spaß an der Jugendarbeit habe, möchte ich es auch machen. Aber nach 18 Jahren merke ich, dass es immer schwieriger wird, neue Ideen zu entwickeln – da ist es irgendwann an der Zeit, dass mich ein kreativer Nachfolger ersetzt. Momentan habe ich noch einige Einfälle, die ich gerne umsetzen möchte. Auch im Hinblick auf meinen Nachfolger, dem ich etwas übergeben möchte, auf das er gut aufbauen kann.
Wie schätzt Du die Jugendfeuerwehr des Landkreises Freyung-Grafenau ein?
Ich denke, dass wir im bayernweiten Vergleich nicht schlecht dastehen. In Bayern haben wir 50.000 Jugendliche in der Feuerwehr, bei uns im Landkreis sind es 814 Jugendliche in 84 Jugendfeuerwehrgruppen. Sicherlich gibt es Landkreise, die noch mehr haben, da ist aber die Landkreisgröße entsprechend zu berücksichtigen.
Es wird immer viel über den demografischen Wandel diskutiert. Ist die Jugendfeuerwehr davon betroffen?
Mit diesem Problem hat jeder zu kämpfen. Wenn ich auf unseren Landkreis schaue, dann sind es eher die städtischen Gebiete, wo die Feuerwehren mehr Probleme haben, Jugendliche anzuwerben. Freyung hält sich relativ konstant, Waldkirchen hat die letzten Jahre immer wieder Probleme gehabt, hat sich aber wieder etwas erholt. In den Dörfern ist es eher so: Da ist der Vater oder der Bruder bei der Feuerwehr – da läuft man dann automatisch mit.
„Ich bin mit jedem einzelnen meiner Jugendwarte zufrieden“
Gibt es etwas, das man bei der Jugendfeuerwehr des Landkreises noch optimieren könnte?
Man könnte in Sachen Mitgliederwerbung noch aktiver werden. Viele warten immer nur ab, bis Interessierte auf sie zukommen. Auf Landkreisebene versuchen wir, bei verschiedenen Veranstaltungen präsent zu sein und offensiv auf die Leute zuzugehen. Aber man muss auch in den Städten oder Gemeinden werben. Wir waren schon ein paar Mal am SonnYtag in Freyung und haben gezielt Kinder angesprochen – aber da muss man eben auch was machen, was anbieten, sich präsentieren. Und nicht bloß am Stand stehen und abwarten.
Wie sieht es da in den einzelnen Wehren aus?
Unter meinen Jugendwarten habe ich viele überzeugte Feuerwehrler, die zum Beispiel die Technik gut vermitteln können. Aber wenn es darum geht, potenzielle Mitglieder gezielt anzusprechen und einen Flyer in die Hand zu drücken – da existiert bei einigen noch eine gewisse Hemmschwelle. Das könnte man durchaus noch verbessern.
Trotzdem bist Du zufrieden mit der Jugendfeuerwehr des Landkreises.
Ja, natürlich! Ich bin mit jeder einzelnen Jugendfeuerwehr und mit jedem meiner Jugendwarte zufrieden. Wenn ich auf letztes Jahr schaue – da hatten wir beim Wissenstest im Herbst allein in der ersten Stufe 90 Teilnehmer, die zum ersten Mal dabei waren. Das zeigt, wie gut in den einzelnen Wehren gearbeitet wird.
Was bietet Ihr alles an?
Es gibt alle möglichen Wettbewerbe und natürlich die Abnahme verschiedener Leistungsabzeichen – zum Beispiel die Jugendleistungsprüfung und die deutsche Jugendleistungsspange oder auch die Jugendflamme. Die Jugendwarte müssen aber auch irgendwo einen Ausgleich zu diesem ganzen Feuerwehrtechnischen finden, wo sie Themen allgemeiner Jugendarbeit unterbringen können. Einige beschäftigen sich aktuell mit Themen wie Integration und Inklusion. Die Gewichtung ist halt überall ein bisschen anders. Dass man dabei nicht alle Bereiche auf einmal abdecken kann, ist klar.
Ein Kurzfilmwettbewerb „schlug ein wie eine Bombe“
Welche anderen Möglichkeiten gibt es, gezielt für die Jugendfeuerwehr zu werben?
Da kriegen wir eigentlich immer viel Material vom Landesfeuerwehrverband. Vor zwei Jahren sind erste Kampagnen speziell für die Jugendfeuerwehr gelaufen, mit dem Slogan ‚Ich bin dabei. Wo bleibst Du?‘. Man kann natürlich noch nicht sagen, ob es für unseren Landkreis wirklich was bringt. Aber das ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, uns gut darzustellen.
Um speziell Jugendliche anzusprechen, wären doch sicherlich auch die neuen Medien interessant?
Ja, klar. Wir nutzen zum Beispiel Web 2.0 und natürlich auch Facebook. Aber was wie eine Bombe eingeschlagen hat, war ein Videowettbewerb. Der ging im vergangenen Jahr im Rahmen der Werbekamagne vom Landesverband aus. Bayernweit wurden 40 Videos eingeschickt, da waren viele gute Ideen dabei. Deswegen kann man so einen Wettbewerb durchaus auch mal zu Werbezwecken einsetzen, man muss einen Anreiz geben – und vielleicht auch mal etwas Neues ausprobieren.
„Der Videowettbewerb im Rahmen einer Werbekampagne hat eingeschlagen wie eine Bombe“:
Das Feuerwehr-Image war lange geprägt vom Bild der – nur den Durst löschenden – „Feier-Wehr“.
Das hat sich auf jeden Fall gewandelt. Wenn ich an meine Jugendfeuerwehrzeit denke, da hat man die Feuerwehr eigentlich nur bei zwei Gelegenheiten gesehen: Die Eine war, wenn die roten Autos mit den blauen Lichtern vorbeigefahren sind – und die Andere war eben auf Festumzügen und in Festzelten (lacht). Da ist es wenig verwunderlich, dass das Image lange darunter gelitten hat. Das äußere Erscheinungsbild macht viel aus.
„Leider müssen viele nach der Schule berufsbedingt wegziehen“
Wieviele Mitglieder aus Jugendfeuerwehren treten tatsächlich in die aktive Mannschaft über?
Das ist genau der Bereich, bei dem wir landesweit Schwierigkeiten haben. Eine genaue Zahl lässt sich nicht nennen, aber ich glaube, dass wir gerade beim Übertritt viele Feuerwehrler verlieren. Es gab bereits Überlegungen, wie man an mehr Rückmeldungen kommen könnte. Bei manchen bekommt man es gar nicht erst raus, warum sie auf einmal nicht mehr zur Feuerwehr kommen.
Woran könnte es liegen, dass beim Übertritt so viele Mitglieder verloren gehen?
Den Wechsel in die aktive Mannschaft machen die meisten Jugendlichen mit 17 oder 18 Jahren. Das ist die Zeit, wo die meisten aus der Schule kommen oder kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung stehen – bei vielen in der Region dürfte das Problem sein, dass sie aufgrund von Ausbildung, Studium oder Beruf weg müssen. Es ist leider so. Nur wenige haben das Glück hier in der Gegend einen Job zu finden.
Wie könnte man generell einem nachlassenden Interesse entgegenwirken?
Gerade bei den ganz aktiven Jugendgruppen, die sich im Schnitt alle zwei Wochen treffen, gilt es für Abwechslung zu sorgen. Wenn ich da nur einen Standard-Übungsplan mit einer Übung pro Monat und dazu höchstens eine Funkübung habe – dann ist klar, dass das meinen Jugendlichen nicht reicht. Dann wird’s langweilig. Und wenn dann auch noch die Einsatzzahlen fehlen, muss man das im Hinblick auf die Attraktivität irgendwie ausgleichen. Wie das am besten funktioniert, ist von Feuerwehr zu Feuerwehr unterschiedlich.
Dann müssten städtische Jugendfeuerwehren doch eigentlich interessanter sein, denn von den Einsatzzahlen her sind die Städte den kleineren Ortsfeuerwehren überlegen.
Ja, müsste man meinen (schmunzelt).
Feuerwehrführerschein: „Ich bin kein großer Fan davon“
Man sieht: Mitgliederwerbung ist ein großes Thema. Heißt das, der Landkreis hat Nachwuchssorgen?
Ja, das kann man allgemein betrachtet durchaus so sagen. Wenn ich mir aber die Statistiken der vergangenen Jahre anschaue, sind wir noch gut dabei – einen Rückgang an Mitgliedern haben wir nicht. Im vergangenen Jahr eher eine leichte Zunahme. Das ist alles den einzelnen Jugendwarten zu verdanken.
Stichwort Führerschein: Würde es den Übertritt in die aktive Mannschaft attraktiver machen, wenn die Aussicht auf einen Führerschein bestünde? Feuerwehrfahrzeuge dürfen ja nur mit einem Führerschein der Klasse C gefahren werden.
Ja, teilweise. Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen, zum Beispiel Mehrzweckfahrzeuge, können mit dem normalen Pkw-Führerschein gefahren werden. Für Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen gibt es seit Längerem die Möglichkeit, einen Feuerwehrführerschein zu erwerben. Das ist aber von Feuerwehr zu Feuerwehr verschieden. Das Problem ist: Der Bestand an Fahrzeugführern muss auf Dauer gesichert sein. Natürlich kann man nicht jedem, der aus der Jugendfeuerwehr kommt, diesen Feuerwehrführerschein anbieten – irgendwann ist das Budget erschöpft. Aber das ist ein schwieriges Thema.
Was hältst Du von diesem Feuerwehrführerschein?
Hm… Ich muss ehrlich sagen, ich bin kein großer Fan davon. Die klassische Führerscheinausbildung ist sehr wichtig. Sicherlich sind die heutigen Lkw viel leichter zu fahren als die von früher. Aber gerade das verleitet vielleicht dazu, die Dimensionen und den Umgang mit so einem großen Fahrzeug zu unterschätzen.
„Wir haben bereits fünf oder sechs sehr aktive Kinderfeuerwehren“
Gibt es bei uns im Landkreis eigentlich auch schon Kinderfeuerwehren?
Ja. Wir haben mittlerweile fünf oder sechs Kinderfeuerwehren, die sehr aktiv sind. In Freyung zum Beispiel gibt es unter den sechs Feuerwehren, die zum Stadtbereich gehören, zwei Kinderfeuerwehren mit einer stattlichen Anzahl an Kindern.
Was muss man sich unter einer Kinderfeuerwehr vorstellen?
Dabei handelt es sich um ein Angebot für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Primär geht es dabei um Kinderfreizeitbetreuung. Hauptsächlich sind es Frauen von Aktiven, auch mit pädagogischer Ausbildung, die diese Betreuung übernehmen. Dabei dürfen die Kleinen auf jeden Fall schon etwas Feuerwehrluft schnuppern – Brandschutzerziehung ist ein großes Thema -, aber die ganze feuerwehrtechnische Ausbildung kommt erst in der Jugendfeuerwehr. Ich persönlich halte das Konzept für eine gute Idee, auch im Hinblick auf die Vereinsbindung. Ob sich Kinderfeuerwehren positiv auf die Mitgliederzahlen auswirken, kann man jetzt noch nicht sagen, da muss man einfach abwarten. Aber ich denke schon.
Thomas, vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg in der Jugendarbeit.
Interview: Vera Neumann