Freyung-Grafenau. Er ist wahrlich kein Unbekannter, als Redakteur und Moderator bei unserRadio hat er sich im Bayerischen Wald einen Namen gemacht. Etwas überraschend wechselte er dann im vergangenen Jahr ans Landratsamt: Stefan Schuster (45) ist seit 1. Oktober Regionalmanager des Landkreises Freyung-Grafenau. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ erklärt der ehemalige Medienvertreter unter anderem, warum diese beiden Berufe so unterschiedlich gar nicht sind. Außerdem zieht der gebürtige Straubinger Bilanz nach seinen ersten 100 Tagen im Amt – und spricht offen über anfängliche Probleme, seine geänderte Sicht auf die Behörde Landratsamt und die Frage, wie man die Erfolge eines Regionalmanagers messen kann.
Herr Schuster, seit gut drei Monaten sind Sie nun als Regionalmanager des Landkreises Freyung-Grafenau tätig. Wie fällt Ihre 100-Tage-Bilanz aus?
Es macht offen gesagt richtig viel Spaß. Und: Mittlerweile wird auch die Frage nicht mehr gestellt, warum eigentlich ein Passauer diese Stelle bekommen hat (lacht).
Heißt das, dass Sie anfangs eher auf Skepsis gestoßen sind?
Ja, genau. Das hat mich schon ein bisschen irritiert, weil ich dachte, es spielt keine große Rolle, woher ich komme. Denn ich sehe das Ganze globaler: Ein Regionalmanager soll zwar den Landkreis vorwärts bringen, dennoch darf an den Landkreisgrenzen nicht Schluss sein. Der anfängliche Gegenwind hat sich inzwischen aber gelegt.
Von welcher Seite ist dieser Gegenwind insbesondere gekommen?
Oftmals wurde ein ziemlich unpersönlicher und aus Sicht der Skeptiker unkomplizierter Weg gewählt: nämlich Internetforen und -blogs, Gästebücher und Kommentarleisten. Ich kann generell gut mit Kritik umgehen, aber ich möchte, dass ich direkt darauf angesprochen werde. Denn dann kann man auch gleich über die Probleme diskutieren.
„Viele wissen gar nicht, was unser Landkreis alles zu bieten haben“
Welche Verbindungen haben Sie zum Landkreis Freyung-Grafenau?
Zum einen war ich als Radiomoderator häufig in der Gegend, zum anderen habe ich eine Freyungerin geheiratet. Und ich stelle immer wieder fest: Die Landschaft hier ist einmalig. Das trägt dazu bei, dass die Region touristisch sehr attraktiv ist. Es gibt im Landkreis Freyung-Grafenau außerdem viele Unternehmen, die etwas darstellen – und zwar nicht nur in Sachen Industrie und Handwerk, sondern auch hinsichtlich Innovation. Viele wissen gar nicht, was wir alles zu bieten haben. Eine meiner Hauptaufgaben ist es, genau das der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen.
Apropos Öffentlichkeit: Als unserRadio-Moderator haben Sie sich in der Region einen guten Namen gemacht. Warum dann eigentlich der Schritt ans Landratsamt?
Auf den ersten Blick sind das zwei völlig unterschiedliche Berufe, das stimmt. Aber sowohl als Radiomoderator als auch als Regionalmanager mache ich Öffentlichkeitsarbeit. Früher habe ich meinen Radiosender vertreten, nun stelle ich den Landkreis Freyung-Grafenau vor. Bei den vielen Veranstaltungen, die ich in der kommenden Zeit organisieren werden, kommt mir meine Vorgeschichte sicher zu Gute. Zugegeben: Zuerst habe ich mir gedacht, dass im Landratsamt viele eingefahrene Strukturen vorherrschen – dem ist aber nicht so. Zwar muss ich einen festen Dienstweg einhalten, dennoch kann ich unwahrscheinlich kreativ arbeiten.
In welchem Bereich denn zum Beispiel?
Unter dem Arbeitstitel ‚Regionales Klassentreffen‘ wird es im April dieses Jahres eine Veranstaltung im Landkreis geben. Ein Treffen also für diejenigen Waidler, die ihre Wurzeln in der Region haben, jedoch mittlerweile woanders leben. Die Grundidee dazu hatte mein Vorgänger Sebastian Gruber. Meine Aufgabe wird es nun sein, Anreize zu schaffen, dass möglichst viele Leute kommen. Und da ist eben meine Kreativität gefragt.
„Inzwischen habe ich mich an den Rollentausch gewöhnt“
Gutes Stichwort: Wie schafft man es denn, dass möglichst viele Exil-Waidler zu diesem Treffen kommen?
Eins vorweg: Die Organisation dieser Veranstaltung hat gerade erst begonnen. Dennoch gibt es bereits ein paar Eckdaten: Zum einen ist der Zeitpunkt sehr wichtig, weshalb wir uns für Ostern entschieden haben. An Ostern sind ohnehin viele ehemalige Waidler auf Heimatbesuch, die meisten haben dann Zeit. Zum anderen ist der Ort entscheidend: Der soll genügend Platz bieten und attraktiv sein – das Modehaus Garhammer in Waldkirchen ist prädestiniert dafür. Zum Termin selbst sollen dann nicht nur die ‚Auswanderer‘ kommen, sondern auch hiesige Unternehmer und Freiberufler, die ihre Tätigkeiten vorstellen können.
Klingt vielversprechend. Kurze Zwischenfrage: Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man nicht mehr der Interviewer ist, sondern der Interviewte?
(lacht) Eine sehr interessante Frage. Inzwischen habe ich mich an diesen Rollentausch gewöhnt. Zuerst hatte ich Respekt davor – ich wusste ja nicht, wie ich mich bei einem Interview geben soll. In der Rolle des Fragenden habe ich mein Gegenüber immer genau analysiert und beobachtet. Tauscht man dann die Seiten, fühlt man sich ab und zu ein bisschen ertappt – man hat ein latent schlechtes Gewissen (lacht).
„Der Muff im Landratsamt ist nicht so schlimm, wie anfangs gedacht“
Als ehemaliger Medienvertreter kennen Sie den Ruf ja recht gut, der Behörden wie dem Landratsamt vorauseilt: eingeschliffen, mit starre Strukturen, träge. Nochmals nachgefragt: Sehen Sie jetzt, nach 100 Tagen als Regionalmanager, diese Behörde mit anderen Augen als zuvor?
(schmunzelt) Freilich habe ich mir zuerst auch gedacht, dass das Landratsamt ein unflexibler Apparat ist. Inzwischen bin ich aber vom Gegenteil überzeugt. Der Einstieg in mein Amt ist mir durch die fachliche Unterstützung unseres Wirtschaftsreferenten Ralph Heinrich und der übrigen Kollegen im Sachgebiet einfach gemacht worden. Mir wurde erklärt, wie ich welche Wege richtig und auch möglichst schnell gehen kann. Es stimmt: Generell ist der Apparat viel flexibler, als ich es mir vorgestellt habe (lacht).
Welche Rolle spielte bei der Einarbeitungs-Phase Ihr Vorgänger Sebastian Gruber – Ihrem, wie’s aussieht, künftigem Chef?
Schon vorher, als Medienvertreter, habe ich Sebastian und dessen Arbeit kennengelernt. Ich wusste, dass er was bewegen kann und gute Arbeit leistet. Irgendwie habe ich ihn schon damals für diesen Job beneidet. Es war schade, dass wir dann keinen fließenden Übergang hatten, sondern zwischen unseren Amtszeiten eine kleine Lücke entstand. Dennoch hat er mich nach meinem Start unterstützt. Unter anderem hat er mir sehr offen erklärt, wo es vielleicht Schwierigkeiten geben könnte. Es ist toll, wenn man ein gut bestelltes Feld übernehmen kann – ich möchte aber auch eigene Akzente setzen.
Wo zum Beispiel?
Ich möchte mehr in Sachen Existenzgründung machen. Es ist vermessen zu glauben, dass große Unternehmen auf einer grünen Wiese eine Halle bauen und hunderte Menschen beschäftigen. Deshalb soll schon in Schulen den potenziellen Unternehmern aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten sie haben. Jugendliche mit kreativen Ideen sollen früh gefördert werden. Und genau hier möchte ich die Hebel ansetzen.
„Gewissermaßen bin ich PR-Manager für den Landkreis“
Welche Altersgruppe darf sich da angesprochen fühlen?
Es kann sein, dass schon Fünftklässler in dieser Hinsicht interessant sind – in diesem Alter kann spielerisch der Unternehmer-Geist geweckt werden. Ein ideales Einstiegsalter ist aber wohl, wenn in der Schule der Wirtschafts- und Rechtunterricht beginnt, also in der siebten oder achten Klasse. Die Hans-Lindner-Stiftung bietet etwa mit „Ideen machen Schule“ ein Programm an, in dessen Rahmen Schüler erfahren, wie es ist, Unternehmer zu werden.
Für viele Bürger des Landkreises ist das Aufgabengebiet eines Regionalmanagers immer noch ein eher abstraktes Gebilde. Wie würden Sie ihre Arbeit so kurz wie möglich beschreiben?
Der Regionalmanager hat den Auftrag sowohl nach außen als auch nach innen darzustellen, dass der Landkreis Freyung-Grafenau mehr ist als nur schöne Landschaft, Erholung und gute Lebensqualität. Gewissermaßen bin ich PR-Manager für den Landkreis. Der überwiegende Teil besteht aus Netzwerkarbeit, mein Hauptauftrag ist die Vernetzung von Bildung und Wirtschaft: gesuchte Fachkräfte und suchende Unternehmer sollen sich finden.
Hand aufs Herz: Ist das alles nicht nur eine nette Idee, deren Umsetzung aufgrund der realen Gegebenheiten mehr als schwierig ist?
Das Regionalmanagment liegt wohl zwischen der ’netten Idee‘ und der ‚knallharten Projektarbeit‘ (lacht). Wäre es jedoch nur eine nette Idee, würden wir ja Geld verbrennen. Sicher gehört aber eine ordentliche Portion Glauben und Idealismus dazu …
„Es gibt durchaus Kriterien, wie mein Erfolg gemessen werden kann“
Eine Ihnen wohl bekannte Frage ist sicherlich folgende: Wie lassen sich beim Regionalmanagment eigentlich die Erfolge messen?
Da gibt’s schon einige Kriterien. Ein gutes Beispiel: Der Personalleiter eines Unternehmens im Landkreis, das ein duales Studium anbietet, war kürzlich bei mir und hatte zwei Studenten im Gepäck. Der Kontakt kam bei der Ausbildungsbörse 2012 zustande. Das sind Einzelheiten, bei denen der Erfolg messbar wird. Nicht erfassen kann man die Zahl derjeniger, die studiert haben und dann aufgrund der Kampagnen des Regionalmanagments zurückgekehrt sind – obwohl das die Kennzahl wäre, die man brauchen könnte.
Bringt Sie das manchmal argumentativ in Schwierigkeiten?
Obwohl die Frage nach dem Erfolg häufiger gestellt wird, ist das nicht der Fall. Ich kann jedenfalls schlüssig erklären, warum das Ganze nicht messbar ist. Die Leute akzeptieren das auch, weil die Waidler oftmals gar nicht so sind, wie sie oft dargestellt werden.
Wie werden sie denn dargestellt?
Gemeinhin gilt der Niederbayer von außen betrachtet oft als vielleicht nicht ganz so beweglich und flexibel. Doch von diesen Vorurteilen und Klischees müssen wir weg (mit Nachdruck).
Wie schaffen wir das?
Das meiste geschieht aufgrund von Unwissenheit. Über eine gut funktionierende Öffentlichkeitsarbeit kann das jedoch wettgemacht werden.
Gut verkaufen ist gut und schön – aber man darf die Leute nicht anlügen. Die merken das.
Absolut. Viele Wahrheiten über den Bayerischen Wald sind aber gar nicht bekannt. Wer zum Beispiel weiß schon, dass jede Gillette-Rasierklinge im Rahmen ihrer Herstellung mit den Maschinen der Grafenauer Firma SLE electronic in Kontakt kommt? Trotz dieser Höhepunkte: Im Landkreis Freyung-Grafenau ist noch längst nicht alles perfekt – denn dann würde man ja auch keinen Regionalmanager brauchen (lacht).
„Es ist legitim, dass junge Menschen die Welt kennenlernen möchten“
Bis 2016, so lange läuft Ihr Vertrag, wird das sicher der Fall sein. Welche Ziele setzen Sie sich innerhalb dieser Zeit?Wie bereits erwähnt, wird einer meiner Schwerpunkte die Existenzgründung sein. Ich könnte an dieser Stelle zudem mein komplettes Handlungskonzept runterbeten – das macht jedoch wenig Sinn. Ich möchte 2016 auf viele erfolgreiche Projekte zurückblicken können. Spontan fällt mir da der geplante gemeinsamen Berufsorientierungstag der drei Landkreis-Gymnasien ein. Dort sollen die Schüler erfahren, welches Potenzial in der Region steckt.
Trotzdem besteht die Gefahr, dass die jungen Leute die Region verlassen.
Das ist durchaus erlaubt. Es ist legitim, dass junge Menschen die Welt kennenlernen möchten. Dennoch müssen diese möglichen Fachkräfte immer wissen, woher sie kommen – und was in der Heimat geboten ist, vor allem hinsichtlich unserer Jobs. Der Newsletter [Woid-Njus] ist da eine nützliche Sache …
Wie läuft dieses Projekt?
Mittlerweile haben wir rund 1.400 Abonnenten – verstreut in ganz Deutschland. Vielleicht eine kleine Anekdote dazu: Bei den sogenannten Marienbader-Gesprächen im vergangenen November hat mich eine Teilnehmerin auf die [Woid-Njus] angesprochen – sie hatte den Newsletter gelesen, weil ihr Freund aus Freyung stammt und ihn abonniert hat (schmunzelt). Doch das Feedback, das ich hier auf so direktem Wege bekommen habe, ist leider die Ausnahme.
„Wie sich jeder Einzelne entwickelt, kann man nicht beeinflussen“
Gut verlaufen, so heißt es, ist die Ausbildungsbörse 2012. Doch: Sind Messen generell das richtige Mittel, um Ihre ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen?
Wenn eine derartige Veranstaltung vorgegeben ist, also wenn die Schüler verpflichtend während der Unterrichtszeit daran teilnehmen müssen, ist sie meistens nicht erfolgreich. Ist aber die Börse an einem Samstag, kommen die Jugendlichen freiwillig – und sind dann auch interessierter. Sicher wird es dennoch einige geben, die da hingehen müssen …
Aber: Ist ein 14-jähriger Schüler überhaupt schon auf das Thema Berufsorientierung ausgerichtet? Also von der geistigen Reife her? Hat er in dem Alter nicht eher andere Dinge im Kopf?
In diesem Alter muss man sich dafür interessieren. Als Mittelschüler muss ich mich mit einem Zeugnis der achten Klasse bewerben – und da ist man 14 oder 15 Jahre alt. Spätestens da soll man wissen, wohin die Reise geht – zumindest ungefähr. Wir versuchen, die Jugendlichen dabei an die Hand zu nehmen. Wie sich jeder Einzelne letztlich entscheidet und entwickelt, können wir jedoch nicht beeinflussen.
Haben Sie auch manchmal den Eindruck, dass das heutige Bildungssystem nur noch auf die Wirtschaft auslegt ist? Bleibt bei G8, Bologna & Co. nicht häufig „das Menschliche“ auf der Strecke?
Es stimmt schon, wir haben eine Art Bildungsfabrik – gewissermaßen experimentieren wir mit unserem eigenen Geist. Inwiefern man sich von G8 und Bologna-Prozess beeindrucken lässt, hängt dann viel von der Persönlichkeit jedes Einzelnen ab. Klar ist aber auch: Wir stehen in Sachen Ausbildung in einem Konkurrenzkampf mit anderen Ländern. Ich bin der Meinung, dass jeder so lange alles Mögliche probieren sollte, bis er auf dem richtigen Weg ist.
Vor der Radio-Zeit: „Ich war Oberleutnant bei den Pionieren“
Haben Sie das so gemacht? Haben Sie so lange probiert, bis Sie auf dem richtigen Weg waren?
Ja, kann man so sagen. Zuerst war ich zehn Jahre bei der Bundeswehr und war Oberleutnant bei den Pionieren – während dieser Zeit habe ich Staats- und Sozialwissenschaften studiert. Weil ich mich schon immer für Journalismus interessiert habe, habe ich nach dieser Zeit ein Praktikum beim Radio gemacht – und später auch ein Volontariat. Stolze 17 Jahre war ich dann Radiomoderator bei AWN in Straubing, unserRadio und Radio Galaxy. An meiner Geschichte sieht man: Entwickelt man sich in eine andere Richtung, dann sollte man die Chance bekommen, diesen Weg auch zu gehen.
Herr Schuster, vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin alles Gute
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer