Falkenbach/Freyung. Eigentlich hätte seine 42-jährige Tätigkeit als Heimatpfleger Thema des Gesprächs mit Hanns Gruber sein sollen. Doch gemütlich im Gewölbe seines Wirtshauses in Falkenbach sitzend erzählt der Hausherr erst einmal die Geschichte dieses altehrwürdigen Raumes. „Das ist der ehemalige Vorratskeller“, berichtet der 77-Jährige und zeigt mit einem Finger ins hintere Eck. In seiner typisch durchdachten Art sagt er: „Und da hinter den Mauern sind die Überreste eines Schrazlganges.“ Es folgt noch eine ausführliche Erklärung, welchen Sinn diese Erdställe haben, wie sie entstanden sind und wer sie nutzte – man wagt ihn kaum zu unterbrechen, so vertieft beschreibt er das Ganze. Ja, so ist er, der Gruber Hanns. Ein wandelndes Geschichtsbuch, das über alle möglichen Traditionen, Gebäude, Denkmäler und Volksweisen im Umkreis von Freyung Bescheid weiß. Am 9. Dezember nun endet aber die Heimatpfleger-Amtszeit von Hanns Gruber – vorher wird er noch mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse am Band der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Auf der Welt zu Hause, im Woid dahoam: Der 77-jährige Hanns Gruber verabschiedet sich nach 42 Jahren von seinem Amt als Kreisheimatpfleger. Mit ihm gehen viele Geschichten, Zahlen und Fakten. Fotos: da Hog’n
Woher nimmt dieser Mann sein fast unerschöpfliches Wissen? Warum weiß er, wann in Freyung welches Haus im Stadtkern gebaut worden ist und wer es seitdem bewohnt hat? War er wirklich bei allen markanten Terminen des vergangenen Jahrhunderts im Landkreis dabei, weil er von sämtlichen Details erzählen kann? „Ich habe sehr viel gelesen – noch heute wundern sich alle über das Bücher- und Zeitschriftenchaos in meinem Büro. In dieser Hinsicht bin ich sammelwütig“, antwortet Hanns Gruber. Wer ihn kennt, weiß, wie er sich ausdrückt: Meist bedacht, mit vielen Fachwörtern gespickt, erklärt er Dinge sehr ausführlich und in aller Ruhe – man fühlt sich bei ihm bei jeglichen historischen Landkreis-Fragen einfach gut aufgehoben.
„Mittlerweile habe ich die waidlerische Sprache inhaliert“
Doch bei einigen Daten und Ereignissen, Liedern und Gedichten ist selbst der „Danibauer“ aus Falkenbach mit seinem Latein am Ende – was aber nicht heißt, dass der Fragende mit seinem Anliegen dann allein gelassen wird. „Dann muss ich mich hinsetzen und in meinen vielen Büchern stöbern – das kann dann schon mal länger dauern.“ In seinen Anfangszeiten noch musste sich der heute 77-Jährige öfters in sein Büro zurückziehen und blättern – vor allem mit den verschiedenen Handschriften früherer Tage hatte er seine liebe Mühe und Not. Später jedoch, mit zunehmender Lebenserfahrung, wurden diese stillen Momente seltener. „Mittlerweile habe ich die waidlerische Sprache inhaliert – und auch im Kopf ist einiges zusammengekommen“, erzählt Gruber und lacht.
1971 noch, in dem Jahr wurde Hanns Gruber als Nachfolger von Josef Hermann zum Kreisheimatpfleger unter Landrat Franz Schumertl ernannt, war das anders. Keiner wusste so recht, was ein Heimatpfleger eigentlich zu tun und zu wissen hat. Gemeinsam mit seinem damaligen Amtskollegen Peter Dellefant leistete Gruber Pionier-Arbeit in Sachen Geschichte und Tradition. Seine vorherige Mitgliedschaft im heimatkundlichen Arbeitskreis, ein guter Kontakt zum Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und zahlreiche Ausflüge – beispielsweise nach Frankreich oder England – als Wanderführer trugen dazu bei, dass Hanns Gruber nach und nach das Bild eines Heimatpflegers prägte.
„Durch die vielen Reisen bekam ich einen Blick von außen auf unsere Tradition und Geschichte – das war sehr wichtig“, blickt er zurück. Mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: „Auch wenn der Landrat manchmal süffisant fragte, ob ich den schon wieder verreisen müsste.“
Von 1971 bis 1978 war er Bürgermeister der Gemeinde Kumreut
Auch beruflich ist Hanns Gruber ein Wandervogel. Nach seiner Banklehre in Freyung und Waldkirchen, bildet er sich per Fernstudium zum staatlich geprüften Jugendpfleger weiter. Über das Amt des Jugendpflegers am Landratsamt, das Sägewerk Lukowski, wo er als Prokurist arbeitet, und seiner Zeit als Bürgermeister der ehemaligen Gemeinde Kumreut (1971-78) landet er schließlich in der Verwaltung der Stadt Freyung – zudem wird er Dritter Bürgermeister der heutigen Kreisstadt. Während er seine Arbeitsstelle mehrmals wechselte, blieb seine Begeisterung für seine Heimat und deren Geschichte stets eine Konstante – auch wenn das Amt des Kreisheimatpflegers nicht nur schöne Erinnerung und Geschichten mit sich bringt, sondern auch einige Schwierigkeiten.
„Leider ist den Leuten das Geld wichtiger als die Tradition“
Das wohl größte Problem: „Leider ist den Leuten manchmal das Geld wichtiger als die Geschichte“, sagt Hanns Gruber und schüttelt den Kopf. Beispielsweise lassen viele Besitzer alter Häuser diese Gebäude lieber abreißen, anstatt sie zu renovieren. „Kulturgüter werden nicht geschätzt, viele werfen sie einfach weg.“
Und genau das lässt Hanns Gruber geradezu verzweifeln, kurz hält er inne – lässt das eben Gesagte wirken. Deshalb setzt er sich gegen diesen Verlust der Kultur, vor allem der waidlerischen, mit Nachdruck ein. So ist der Falkenbacher auch Mitinitiator des Freilichtmuseums Finsterau, das er selbst als sein Baby bezeichnet. Und auch das Schramlhaus in Freyung, das er als kleiner Bub immer wieder besuchte, liegt ihm besonders am Herzen. Immer wieder ist er an diesen beiden Orten ein gern gesehener Gast, immer wieder hält er dort Vorträge und macht Führungen.
„Ich werde meinem Nachfolger mit Rat und Tat zur Seite stehen“
„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“ – diese vielzitierte Redewendung trifft auch auf Hanns Gruber zu. Trotz dieser Begeisterung und seines unbestrittenen Fachwissens ist es dem 77-Jährigen aber wichtig, nicht als „Gescheidhaferl“ abgestempelt zu werden. „Man muss mit Bescheidenheit an diese Themen herangehen“, erklärt er. „Auch wenn viele Dinge verkehrt weitergegeben werden, darf man da nicht draufhauen, sondern muss es in Ruhe erklären.“ Man merkt, dieser Mann kennt sich aus in der Materie – umso trauriger ist es, dass er bald nicht mehr Kreisheimatpfleger sein wird.
Hat er deshalb Angst, dass viel historisches Wissen über den Landkreis Freyung-Grafenau verloren gehen könnte? Hanns Gruber beruhigt: „Da wird nichts verloren gehen. Die Zielrichtung des Landkreises ist klar: Man legt Wert auf die eigene Geschichte.“ Wer sein Nachfolger wird, steht noch nicht fest – auch der „Danibauer“ selbst hat keinen Favoriten. „Ich mische mich da nicht ein. Nur soviel: Ich werde meinem Nachfolger mit Rat und Tat zur Seite stehen.“ Denn für Hanns Gruber ist klar, dass er auch künftig die Finger nicht von diesem Feld lassen wird: „Heimatpfleger ist kein Amt, sondern eine Lebenseinstellung.“
Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer
Liane Hognler war des net a Idee,an Gruber Hanns dazua zum überreden, mit seim Wissen a Gschichtsbiachl über Freyung zum schreiben, damit nix verlorn geht??