Passau. Aus der Idee dreier Studenten entsteht ein Groß-Unternehmen – was wie ein typisch amerikanisches Tellerwäscher-Märchen klingt, haben Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock vor fast sechs Jahren in der Dreiflüssestadt Passau Wirklichkeit werden lassen. Das Geschäftsführer-Trio hat 2007 den Internethandel „mymuesli“ gegründet – seitdem kann sich jeder sein individuelles Lieblingsmüsli im Netz zusammenstellen und bequem zu sich nach Hause an den Frühstückstisch liefern lassen. Mittlerweile beschäftigt das einst revolutionäre Start-Up rund 150 Mitarbeiter und unterhält neben Passau weitere Filialen in München und Regensburg. Über das Erfolgsgeheimnis von mymuesli, die Zukunftspläne des Unternehmens sowie weitere wichtige Projekte hat der viel beschäftigte Max Wittrock mit dem Hog’n gesprochen – am Telefon, während einer seiner Geschäftsreisen.
Hand aufs Herz, Max: Was ist bei Dir heute Morgen auf dem Frühstücks-Tisch gestanden?
Tatsächlich Müsli (lacht). Wenn ich in Passau bin, komme ich auf dem Weg zur Arbeit an unserem Müsli-Laden vorbei, da kann ich immer frisches Bircher essen. Aber heute bin ich in Berlin – und da hab ich ein Müsli-to-go gefrühstückt.
„Ein gutes Gefühl, wenn man was Gesundes frühstückt“
Kann man morgens eigentlich noch Körner sehen, wenn man täglich damit zu tun hat?
Wir haben 566 Billiarden Misch-Möglichkeiten. Bis wir die alle durch haben, dauert es. Da wird uns sicher nicht langweilig (lacht). Nein, im Ernst: Ich esse immer wieder gerne Müsli. Es ist einfach ein gutes Gefühl, wenn man was Gesundes frühstückt.
Überrascht Dich selbst manchmal noch der Erfolg von mymuesli?
Es ist eher eine tiefe Freude. Als wir mit dem Projekt gestartet sind, haben wir nicht irgendwelche Erfolge prognostiziert. Wir haben nicht gesagt: Morgen verkaufen wir 500 Müslis. Wir haben einfach mal gemacht – und daran geglaubt, dass die Idee weitererzählt wird, weil sie witzig ist. 2007 war es noch nicht üblich, sich irgendwas im Internet selbst zusammenzustellen – und das war unsere Chance. Jetzt, fast sechs Jahre später, freuen wir uns irrsinnig, was daraus geworden ist – ein bisschen staunen wir auch darüber …
Wie seid Ihr eigentlich auf die Idee gekommen?
Wir waren 2005 unterwegs zum Hauzenberger Badesee – und haben den Radio-Spot einer anderen Müsli-Firma gehört. Damals sind wir auf das Thema Müsli überhaupt erst aufmerksam geworden. Wir haben festgestellt, dass wir es gerne essen, aber jeder mit anderen Zutaten. Das war der erste Funke! Wir haben dann über verschiedene Vertriebskonzepte nachgedacht – und sind irgendwie beim Internet gelandet.
„Glücklicherweise haben wir eine Marktlücke gefunden“
Wart Ihr von Anfang vom Erfolg überzeugt?
Wir wussten, dass es eine coole Idee ist, wenn man Müsli selbst mischen kann. Wie immer, wenn man ein Geschäft gründet, weiß man aber nicht, ob die Kunden das Ganze auch annehmen. Es hätte ja auch sein können, dass tausende Leute sagen, wir sind verrückt. Glücklicherweise haben wir aber mit unserer Idee eine Marktlücke gefunden …
… und plötzlich warst Du Unternehmer.
Es geht mir wie jedem anderen Gründer auch: Es gibt jede Woche neue Herausforderungen. Es sind nicht die Riesenaufgaben, an denen man wächst. Auch die kleinen Details sind immer wieder interessant.
Wie kann man sich die ersten Monate von mymuesli vorstellen?
Stressig (lacht). Uns hat’s ordentlich gefordert, was da auf einmal los war. Hubertus hat programmiert, Philipp hat die Zutaten gekauft und die Steuern gemacht, ich habe die Pressearbeit erledigt und Texte geschrieben. Nebenbei haben wir Müsli gemixt – in einer kleinen Manufaktur, die wir dafür umgebaut hatten. Wir sind nicht dazu gekommen, dass wir nachdenken, was da gerade passiert. Einfach eine verrückte Zeit (lacht).
Und sind auch gleich viele Bestellungen reingekommen?
Anfangs haben wir die Bestellungen einzeln per E-Mail mit den jeweiligen Wünschen bekommen. Auf einer geeichten Waage mit einer kleinen Dose haben wir die Müslis dann gemixt.
„Die Gojibeere – die wohl verrückteste Frucht im Sortiment“
Welche Zutat war die erste damals? Kannst Du Dich daran erinnern?
Ich kann nur sagen, welche Zutat ich als erste verpackt habe: Das war die tibetanische Gojibeere, die wohl verrückteste Frucht in unserem Sortiment (schmunzelt).
Wie schafft Ihr es Euer Sortiment mit solch außergewöhnlichen Zutaten zu bestücken?
Da gibt es drei Ideen-Kanäle. Zum einen ist es Philipp selbst, der mit offenen Augen durch die Welt geht und immer wieder Neuigkeiten an Land zieht. Zum anderen sind es unsere Kunden, die Vorschläge einbringen. Und auch unsere Lieferanten kommen mittlerweile mit Ideen auf uns zu.
„Im Idealfall kommen unserer Zutaten aus Bayern“
Ist es bei den großen Mengen eigentlich noch möglich, immer „auf Bio“ zu setzen?
Wir sind kein global agierender Müsli-Konzern, wir können alles problemlos ‚in Bio‘ kaufen. Unsere Zutaten kommen darüber hinaus alle aus der Region. Bei uns werden beispielsweise die Haferflocken immer aus Süddeutschland kommen – im Idealfall aus Bayern.
Kannst Du Zahlen nennen: Wie viel Kilo Müsli verkauft Ihr pro Jahr?
Zahlen verraten wir nicht, nein. Die Leute sollen unsere Produkte nicht kaufen, weil sie unseren Umsatz wissen wollen, sondern weil sie unser Müsli gerne essen.
Nicht nur im Internet kann man mittlerweile Euere Produkte kaufen, sondern auch in verschiedenen Läden, etwa in München oder Regensburg. Sind weitere Geschäfte geplant?
Ja, das nächste wird Anfang April in Stuttgart eröffnet. Danach sollen heuer noch mindestens zwei, drei Läden folgen. Wir sind nicht Risiko-Kapital-finanziert, wir wachsen aus unserem Cashflow. Wir müssen vorsichtig sein, weil wir gesund wachsen wollen.
„Wir arbeiten seit Monaten an einem Müsli-Riegel“
Das Standbein „Müsli vor Ort“ wird immer wichtiger, richtig?
Genau. Wir haben gemerkt, dass unser Produkt auch viele Leute interessiert, die sagen: Ich möchte das erstmal offline probieren. Die Müsli-Liebhaber sollen die Möglichkeit haben, entweder online oder in den Läden ihre persönliche Mischung zusammenstellen zu können. Die Läden laufen gut.
Welche größeren Projekte sind denn demnächst noch geplant?
Es gibt da was, an dem wir seit Monaten arbeiten: Müsli-Riegel. Bisher waren wir mit den Entwicklungen noch nicht hundertprozentig zufrieden – irgendwas hat uns immer gestört. Zurzeit sind wir jedoch mit dem Umzug in die neuen Büros beschäftigt – übrigens gestaltet vom Passauer Architekten Bernd Vordermeier, den Ihr vor kurzem im Interview hattet.
Mit einem Verkauf an einen Großkonzern wie Kellog’s hättet Ihr wohl ausgesorgt…
(lacht) Man gründet kein Müsli-Start-Up, um es nur einen Monat später zu verkaufen. Mymuesli ist ein Projekt mit viel Herzblut und Leidenschaft.
Ein Verkauf kommt demnach überhaupt nicht in Frage?
Ich tue mich immer schwer, einen langfristigen Plan aufzustellen. Wir lassen uns einfach überraschen, was die Zukunft bringt. Momentan macht es in diesem Super-Team einfach sehr viel Spaß. Es ist schon lustig: Zu Beginn hatten wir einen Zeithorizont von einer Woche, mittlerweile haben wir in Passau ein superschönes Büro. Wir schauen uns um und sagen: Wow, das ist so abgefahren!
Warum vertreibt Ihr das Müsli immer noch von Passau aus – und nicht von einer Großstadt wie München?
Wir kommen ja aus allen Ecken Deutschlands. Hubsi kommt aus Emden, ich aus München und der Philipp vom Bodensee. Durch das Studium sind wir in Passau gelandet. Die Standortfaktoren hier sind super. In München ist es schon schwer eine Wohnung zu bekommen, in Berlin waren damals alle Start-Ups versammelt. Um das Ganze hochzuziehen, brauchten wir anfangs Ruhe und Zeit – und das haben wir in Passau bekommen.
Der Hauptsitz von mymuesli wird immer in Passau bleiben
Ideale Bedingungen also.
Der Hauptsitz von mymuesli wird immer in Passau bleiben. Wir haben mittlerweile aber auch eine Produktion in der Schweiz und ein kleines Büro in Berlin. In Passau ist es einfach prima – wir produzieren in der alten Kühbacher Halle, die wir aufwendig saniert haben. Außerdem hat uns die Stadt immer toll unterstützt. Diese Faktoren haben uns sehr weitergeholfen. Dazu kommt noch, dass man hier günstig leben kann.
Themawechsel: Was ist eigentlich „Green Cup Coffee„?
Green Cup Coffee überträgt das Prinzip von Weinbau auf Kaffee. Die wenigsten wissen, wo ihr Kaffee herkommt. Green Cup Coffee stellt jeden einzelnen Finca-Besitzer vor, man kann die Kaffee-Bohne bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen – wir stellen somit sicher, dass alles fair gehandelt wurde. Es gibt zudem viele Leute, die den Kaffee-Markt beackern. Kurz: Es ist ein schwieriger Markt und wir wachsen beständig, aber langsamer im Vergleich zu mymuesli. Das Ganze macht viel Spaß, weil die Wertschöpfung von Kaffee super ist: Es gibt kaum ein Produkt, bei dem so viele Menschen mitarbeiten.
Ein ähnliches Projekt ist „Oh!Saft„.
Das ist ein Saft-Orangen-Abo. Oh!Saft ist für die Leute, die jeden Tag einen frisch gepressten Orangensaft wollen. Die Idee hatten wir gemeinsam mit Robert Eder, der früher in der Passauer Fußgängerzone ein Obstgeschäft hatte – inzwischen ist er Obst-Großhändler. Er kauft die Orangen und wir verschicken sie an unsere Kunden. Das ist sicher kein Produkt, das nächstes Jahr in jedem deutschen Haushalt stehen wird – das ist aber auch gar nicht unser Ziel. Da Projekt lebt davon, dass einige Leute eben besonderen Wert auf frischgepressten Orangensaft legen.
Du selbst hast Jura studiert und auch eine Ausbildung zum Journalisten durchlaufen. Was war eigentlich Dein Traumberuf?
Ich war ja schon Journalist! Nach meinem Volontariat bin ich dann beim Bayerischen Fernsehen gelandet. Dann habe ich mich aber Vollzeit mymuesli gewidmet, weil es sich enorm entwickelt hat.
„Ich hoffe, dass es noch viele weitere Gründungen gibt“
Welche Frage würdest Du Dir selbst dann zum Abschluss stellen?
Ich würde mich selbst fragen, was als nächstes kommt (lacht). Das ist aber schwierig zu beantworten. Ich bin selber gespannt, was noch kommen wird. Die Möglichkeiten, die man als Existenzgründer derzeit hat, sind unglaublich gut – viele Leute haben gute Ideen. Ich hoffe, dass es in der Region Passau noch weitere Gründungen geben wird. Denn das macht die Welt ein bisschen spannender.
Max, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für unser Interview genommen hast.
Interview: Helmut Weigerstorfer