Passau. „Vielleicht glaube ich langsam daran, dass ich irgendetwas kann“, sagt Bernd Vordermeier in aller Bescheidenheit und lächelt. Dem gelernten Möbelschreiner, Glasbautechniker und diplomierten Architekten aus Passau ist eine besondere Ehre zuteil geworden: Sein Projekt „Büroumbau mymusli“ wurde für die diesjährigen Architektouren der Bayerischen Architektenkammer ausgewählt. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht der 32-Jährige unter anderem über die Herangehensweise an dieses Großprojekt, das Faszinierende an seinem Beruf, welche Fähigkeiten ein Architekt heutzutage mitbringen muss – und darüber, warum er und seine Standeskollegen sich nicht länger als „Halbgötter in Schwarz“ sehen sollen.
Herr Vordermeier: Ihr Projekt ist für die diesjährigen Architektouren ausgewählt worden. Wie groß ist die Freude darüber?
Für mein eigenes Büro und die Sprache, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat – und hoffentlich noch weiterentwickelt, ist es natürlich eine schöne Geschichte, einer breiteren Masse zu zeigen, was man denn die ganze Zeit über so macht. Für mich persönlich wäre es gelogen, wenn ich behaupten würde, dass es mir nichts bedeutet. Vielleicht glaube ich langsam daran, dass ich irgendetwas kann (lacht). Die Freude ist also schon sehr groß – aber an meiner Arbeit oder daran, wie ich an Projekte herangehe und die Antworten suche, wird es hoffentlich nichts ändern.
„Schön, wenn man hinter der Architektur auch den Menschen sieht“
Was steckt denn eigentlich genau hinter den Architektouren? Können sie dies unseren Lesern mit wenigen Sätzen erklären.
Wie schon erwähnt, geben die Architektouren den Büros die Möglichkeit, ihre Projekte einer breiteren Masse direkt vorzustellen. Oft ist es ja so, dass ein Architekt sich ein Gebäude ausdenkt, das dann irgendwann einmal fertig da steht und seinen Besucher mit einem Gefühl oder irgendetwas anderem konfrontiert. Anders ist das bei den Architektouren: Hier gibt es eine Führung des Architekten, bei denen etwa die Entwurfsgedanken erzählt und Fragen beantwortet werden. Eine schöne Sache, wenn man hinter der konkreten Architektur auch den Menschen sieht, der sie sich ausgedacht hat.
Was denken Sie: Was hat letztlich den Ausschlag dafür gegeben, warum gerade Ihr Projekt für die Architektouren berücksichtigt wurde?
Schwer zu sagen, weil es für mich das erste Projekt in meiner selbstständigen Laufbahn ist, das ich eingereicht hatte. Und ich diesbezüglich somit noch keine Erfahrungen gemacht habe. Vielleicht war es Glück – vielleicht ist aber das Projekt dann doch nicht so verkehrt (lacht) …
„Als Architekt bin ich dazu da, andere Wege aufzuzeigen“
Erklären Sie uns doch den Büroumbau einmal etwas genauer bitte. Welche Vorstellungen hatte der Auftraggeber? Und wie bzw. nach welchen Maßstäben haben Sie diese Vorstellungen realisiert?
Der Bauherr kam mit dem Wunsch ein paar Möbel in ein bestehendes Grundrissgefüge aus den 70ern zu entwerfen. Er gab vor, wie viele Arbeitsplätze realisiert werden sollten, dass auf Schallschutz geachtet werden muss und es in jedem Fall Einzelbüros sein sollten, die mit ein paar Trockenbauwänden umgesetzt werden.
Wenn wir uns die Anforderungen von damals noch einmal vor Augen halten, wirkt es leicht verstörend, dass wir davon konsequent alles – bis auf die Anzahl der Arbeitsplätze natürlich – ignoriert haben. Und das ziemlich bewusst und absichtlich. Jedoch nicht, weil ich mich über alles stellen möchte oder nur ‚mein Ding‘ durchziehen will – das wäre wirtschaftlich betrachtet ziemlich dumm. Sondern deshalb, weil ich der Meinung bin, dass ich als Architekt dazu da sein sollte, meinem Bauherren andere Wege aufzuzeigen als die, die er vielleicht aus bestimmten Veröffentlichungen und dergleichen kennt.
Ansonsten könnte er es ja selber machen – was auch irgendwo seine Berechtigung hat. Aber es ist auch klar, dass jemand, der sich tagtäglich mit Architektur und Gestaltung auseinandersetzt, ein bis zwei Gedanken mehr hat als ein Laie. Wichtig ist zum Schluss ein zufriedener Bauherr, der den kompletten Weg mitgegangen und zweifelsfrei hinter seinem Architekten stand – und das ist uns bei dem Büroumbau der mymuesli GmbH gelungen.
Für meine Arbeit und die des Büros ist es wichtig, dass ich zuerst meinen Bauherren ‚lesen‘ muss. Will heißen: Wie ist er strukturiert? Was könnte das Beste für ihn sein? Im zweiten Schritt spielt der Ort eine wichtige Rolle. Arbeite ich im Bestand oder in einem besonderen Kontext? Kann ich damit umgehen und passt mein Bauherr eigentlich so wie er ist auch dorthin? Und im dritten Schritt wird aus dieser Analyse eine für mich gültige Antwort entwickelt. Hört sich eigentlich ziemlich einfach an, dauert aber eine halbe Ewigkeit. Diese Zeit nehme ich mir aber heraus, denn dafür bekommt mein Auftraggeber dann eine direkte, ehrliche Meinung und eine noch konkretere Antwort, wenn der Entwurf dann umgesetzt wird.
Es beginnt mit einem Gedanken, der dann irgendwann gebaut ist
Den Berufswunsch des Architekten haben viele junge Menschen. Was ist das Faszinierende an diesem Beruf? Was hat Sie dazu bewogen diesen Weg einzuschlagen?
Der Grund für mich war folgender: Es kam, wie es kommen musste (lacht) … Nein, im Ernst: Ich habe mich schon immer für Architektur interessiert. Schon als Kind haben mich Baustellen begeistert, extreme Räume und die Atmosphären darin. Schwer zu sagen also, was mich dazu bewogen hat. Vielleicht war es schon immer so vorherbestimmt?
Das schöne an dem Beruf ist die Möglichkeit, sehr konkrete Spuren in unserer Welt zu hinterlassen – dies setzt natürlich Verantwortungsbewusstsein voraus! Eine weitere tolle Erfahrung ist es, irgendwann einmal durch seine Gedanken zu spazieren. Hört sich jetzt ziemlich geschwollen an – ist aber tatsächlich so, wenn man überlegt, wie Architektur entsteht: Zuerst sind da die Bauherren, der Ort, das Budget usw. – und dann beginnt die eigentliche Arbeit. Nur mit einem Gedanken. Dieser wird irgendwann einmal konkreter in Form eines Strichs, einer Skizze, eines Plans – und auf einmal ist dieser eine Gedanke dann gebaut! Jedes Mal wieder ist es für mich ein unbeschreibliches Gefühl wenn ich durch die Baustelle gehe!
Was würden Sie jungen Leuten raten, die heute Architekt werden möchten. Auf was kommt es an?
Wenn junge Menschen Architektur studieren möchten, ist es grundsätzlich wichtig, ein Idealist zu sein. Meines Erachtens ist es sinnvoll vorher ein Handwerk zu erlernen, um einen gewissen Einblick zu bekommen wie etwas gemacht wird. Ich selbst kann natürlich auch nicht alles über sämtliche Gewerke wissen. Aber durch meine Ausbildung zum Möbelschreiner kann ich zumindest behaupten, näher am Machen dran gewesen zu sein – und dass sich mir so der ein oder andere Zusammenhang schneller erschließt. Wer weiß …
Dass man kreativ sein soll, ist eine Grundvoraussetzung. Allgemein kann ich zu einem langen Atem raten. Man muss sich der Sache sicher sein, dass man diesen Weg auch gehen möchte. Fürs Berufsleben ist es in jedem Fall förderlich, dass man weiß wovon man spricht, überzeugend und gleichzeitig ehrlich ist.
Architekten stehen in langer Tradition, die sich Baukunst nennt
Wie sieht das Arbeitsfeld eines „modernen Architekten“ aus? Was sollte er in seinem Portfolio stehen haben? Und was sind Ihre Spezialgebiete?
Das sind ja Fragen (lacht) … Der moderne Architekt? Gibt es den überhaupt? Oder soll es nicht vielmehr heißen – wie sieht das Arbeitsumfeld eines Architekten aus, der auch einer bleiben und als solcher ernst genommen werden möchte? Ich denke, es sollte wieder den klassischen Architekten geben, der wie damals als Baumeister einer der obersten Handwerker war, mit diesen auch so zusammenarbeitet und sich nicht als Halbgott in Schwarz sieht.
Selbstverständlich übersetzt in die heutige Zeit mit ihren technischen Möglichkeiten usw. – und nicht als Dienstleister, wie er heutzutage gerne gesehen wird. Aber auch nicht als Künstler, wie sich manch einer vielleicht gerne selbst sieht … Als Architekt steht man in einer langen Tradition, die sich Baukunst nennt – das ist grundsätzlich etwas völlig anderes als Kunst und Dienstleistung.
Die Spezialgebiete in meiner Arbeit gibt es eher nicht bzw. würde ich mich nicht auf ein bestimmtes Thema beschränken wollen. Vielleicht eher darauf, was ich nicht machen möchte bzw. was ich nie in der Lage wäre zu denken: Hochhäuser oder so Zeug …
„Neue Generation Gestaltung“
Wie schon erwähnt, hat Architektur sehr viel mit Gestaltung zu tun. Stichwort „Neue Generation Gestaltung“, zu deren Mitgründern Sie gehören: Was ist das für ein Zusammenschluss? Welche Ziele verfolgt er, und: Wer kann da mitmachen?
Eine sehr schöne Sache, die Christina und Daniel Gotsmich vom Freyunger Büro siimple design da mit mir ins Leben gerufen haben. Wir sind uns zufällig einmal in der Schreinerei eines gemeinsamen Freundes über den Weg gelaufen – und hatten in ersten Gesprächen über die junge Gründung, mit all ihren Problemen, Fragen und Hindernissen, viele Parallelen festgestellt. Die Neue Generation Gestaltung ist als regionales Netzwerk für junge Lebensgestalter angedacht – sprich: für diejenigen, die sich ihr Geld ausschließlich durch selbstständige Arbeit verdienen.
Aktuell zählt das Netzwerk rund 70 Freunde aus allen Bereichen – bestehend aus Handwerkern, Rechtsanwälten, Ärzten, Fotografen, Gestaltern usw. Ziel ist es, sich auf zwei Ebenen auszutauschen: auf der beruflichen, also der Akquiseebene, und auf der privaten, bei der jeder seine Sorgen loswerden kann – und vor allem unter Gleichgesinnten verstanden wird. Für die Zukunft wünschen wir uns, mehr an die Öffentlichkeit zu gehen – und dann vielleicht auch gemeinsame Projekte zu realisieren.
Herr Vordermeier, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.
Interview: Stephan Hörhammer