Sonnen/Freyung. Er wollte nur seinem Hobby nachgehen, er wollte auf dem Fußballplatz für Ordnung sorgen. Doch genau das wurde Richard Nieuwenhuizen zum Verhängnis. Nach dem Spiel zwischen SC Biutenboys B3 und dem Amsterdamer Klub Nieuw-Sloten B1 gingen Gästespieler auf den 41-jährigen Linienrichter los und verletzten ihn tödlich. Dieser Vorfall schockt die komplette Fußball-Welt. Auch FIFA-Präsident Joseph S. Blatter reagierte bestürzt und twitterte: „Eine fürchterliche Tragödie.“ Ist ein solcher Übergriff auch auf unsere Unparteiischen denkbar? Wie können die Referees im Allgemeinen besser beschützt werden? Und: In welchem Maße sollen die Täter bestraft werden? Der Sunninger Günter Kinateder, Obmann der Schiedsrichtervereinigung Wolfstein, steht zu diesen und weiteren Fragen Rede und Antwort.
Der Tod des 41-jährigen Linienrichters in den Niederlanden, der nach einer Prügelattacke von Nachwuchs-Fußballern gestorben ist, erschütterte die ganze Fußballwelt. Wie hast Du reagiert, als Du das erfahren hast?
Reagieren konnte ich zunächst überhaupt nicht – ich war geschockt. Als ich meine Gedanken wieder sammeln konnte, sind mir einige Vorfälle durch den Kopf gegangen, die heuer auf den Fußballplätzen geschehen sind: Da war die Attacke des Hertha-Profis Lewan Kobiaschwili gegen Fifa-Schiedsrichter Wolfgang Stark beim Relegationsspiel Düsseldorf gegen Berlin; dann ein Aussetzer des Kapitäns von Benfica Lissabon Luisao gegen Referee Christian Fischer beim Freundschaftsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Benfica Lissabon; oder der tätliche Angriff von Spielern des FC Ilira Rosenheim gegen den Schiedsrichter eines A-Klassen-Spiels in Rosenheim. Und nun der Albtraum, eine Prügelattacke gegen einen Linienrichter mit Todesfolge. Man hätte sich das vor ein paar Tagen nicht vorstellen können bzw. wollen, dass so was mal passieren wird. Mein Mitgefühl ist bei der Familie und den Angehörigen des getöteten holländischen Sportkameraden.
„Beleidigungen in übelster Form sind keine Seltenheit mehr“
Leider ist der Übergriff, wie Du schon sagst, kein Einzelfall. Wird es immer gefährlicher – auch für Schiedsrichter in den Amateurligen – ein Spiel zu leiten? Oder geht es auf den Fußballplätzen des Bayerischen Waldes noch verhältnismäßig friedlich zu?
Wenn man die Geschehnisse in Rosenheim und jetzt in Holland anschaut, dann muss man feststellen, dass die Gewalt gegen Schiedsrichter im Amateurbereich stetig zunimmt. Es sind zwar natürlich nur Einzelfälle, in denen der Schiedsrichter körperlich und tätlich angegriffen wird, aber: Jeder Fall ist einer zuviel! Was uns als Schiedsrichtergremium schon länger auffällt, ist die Tatsache, dass unsere Leute immer mehr mit verbalen Angriffen zu tun haben. Beleidigungen in übelster Form sind keine Seltenheit mehr. Auch auf den Fußballplätzen im Bayerwald gibt es die heile Welt schon lange nicht mehr. Jeder Spielbeteiligte – ob Spieler, Schiedsrichter, Betreuer und natürlich auch die Zuschauer – sollten die Leistung eines jeden Einzelnen wieder mehr respektieren und akzeptieren.
Der Druck auf Schiedsrichter wird immer größer, viele kommen damit nicht zu Recht, wie beispielsweise Babak Rafati. Wie könnte man dem entgegenwirken? Wie könnte die Arbeit der Unparteiischen erleichtert werden?
Ein gewisser Druck war für den Schiedsrichter schon immer da. Jeder Unparteiische geht mit dem Vorsatz in das Spiel, eine hundertprozentige Trefferquote bei seinen Entscheidungen erreichen zu wollen. Wir wissen aber auch, dass das nur in den wenigsten Fällen möglich ist. Dies liegt in der Natur des Menschen. Aus meiner Sicht könnte man dem Schiedsrichter zumindest dahingehend die Arbeit etwas erleichtern, indem er sich wieder verstärkt auf die eigentliche Spielleitung konzentrieren kann. Der Schiedsrichter ist ja in den unteren Junioren- und Herrenspielklassen als Einzelkämpfer unterwegs und wird dabei mit vielen administrativen Aufgaben geradezu eingedeckt. Hier wäre auf alle Fälle eine gewisse Erleichterung bzw. Unterstützung nötig.
„Man kann solche Extrem-Situationen nicht trainieren“
Ist in Deiner Schiedsrichtergruppe schon mal ein Schiedsrichter tätlich angegangen worden? Wenn ja: Was ist da passiert? Gab es Folgen?
Ja, es gab auch gegen einen Schiedsrichter unserer Gruppe bereits einen tätlichen Angriff, der Gott sei Dank für den Betroffenen keine körperlichen Dauerfolgen hatte. Dieser Fall ist bereits sehr viele Jahre her und ich bin der Meinung, man sollte die Vergangenheit ruhen lassen. Viel wichtiger ist das Hier und Jetzt.
Wie bereitest Du Deine Schiedsrichter auf solche Extrem-Situationen vor?
Man kann solche Situationen nicht trainieren. Wir sprechen bei unseren Monatsversammlungen immer wieder an, wie man sich verhalten soll bzw. muss, wenn Situationen eintreffen, in denen der Schiedsrichter verbal und körperlich angegriffen wird.
Auch die BR-Sendung „Quer“ griff das Thema auf:
http://youtu.be/DEfKC5Rz7Z4
Welche Strafen sind Deiner Meinung nach für solche Vergehen angebracht? Soll sich sofort ein Zivilgericht darum kümmern oder reicht das Sportgericht?
Welche Strafe jemand für sein Vergehen bekommt, ist nicht Sache der Schiedsrichter. Eins kann ich aber nur jedem Schiedsrichter empfehlen: Wenn der Unparteiische körperlich angegangen wird, dann sollte er sich auf alle Fälle einen Rechtsbeistand zur Seite stellen und die Angelegenheit zivilrechtlich klären lassen.
Die Folge: Die Zahl der Schiedsrichter-Einsteiger sinkt
Mit diesen Hintergründen ist es fast schon selbstverständlich, dass immer weniger Jugendliche Schiedsrichter werden möchten. Wie versuchst Du trotzdem, junge Buben und Mädchen für die Schiedsrichterei zu begeistern?
Wir haben in den letzten Jahren schon gemerkt, dass sich immer weniger Sportkameraden dafür begeistern können. Der beste Werbeträger ist aus meiner Sicht der aktive Schiri – der bringt oft einen Freund oder Vereinskollegen dazu, die Prüfung abzulegen. Auf der anderen Seite ist es aber unbedingt notwendig, die bestehenden Referees bei der Stange bzw. der Pfeiferei halten zu können.
Welcher Typ Mensch ist für die Schiedsrichterei geeignet?
Grundsätzlich gilt: Das Alter spielt überhaupt keine Rolle. Ein geeigneter Sportkamerad sollte schnelle Entscheidungen treffen können, Interesse für den Fußballsport haben und sich einfach ganz natürlich geben. Alles andere kommt dann mit der Zeit.
Interview: Helmut Weigerstorfer