Transparenz in der Politik – nur ein Wunschtraum oder tatsächlich realisierbar? Landrat Michael Adam hat sich selbst zum „gläsernen Landrat“ erklärt und spricht auch im Hogn-Interview darüber. Die Frage, der sich dieses mal Christian Luckner und Stephan Hörhammer widmen, lautet: Kann man wirkliche Transparenz im täglichen Politik-Geschäft durchhalten – oder schaufeln sich die Entscheidungsträger damit langfristig ihr eigenes Grab, weil sie sich angreifbar machen? Hier unser Luckner vs. Hörhammer.
Dass ein Quasi-Diktator nichts von Transparenz hält, ist klar …
Luckner: Hörhammer, pass auf! Demokratie stammt aus dem Griechischen und heißt wörtlich übersetzt: Herrschaft des Volkes. Wenn man das ernst nimmt, muss man dem Volk auch die entsprechenden Informationen zukommen lassen, damit es „herrschen“ kann. An der Transparenz führt also eigentlich kein Weg vorbei.
Hörhammer: In welcher Zeit lebst Du denn eigentlich, Luckner? Das sind alles höchst idealistische Vorstellungen, die Du da an den Tag legst. Vermutlich haben nicht einmal die Väter der Demokratie – Platon, Sokrates, Aristoteles und Co. – vor 2500 Jahren daran geglaubt, dass dieses Herrschaftsmodell mit all seinen Facetten funktioniert. Transparenz, freie Information, Partizipation und Rechenschaft – das klingt in der Theorie alles wunderbar, ist aber in der Praxis leider völlig weltfremd. Bestes Beispiel: Russland und seine sogenannte „Demokratie“ unter dem „Demokrator“ Wladimir Putin. Wo bitte sehr ist an diesem Konstrukt irgendetwas Transparentes zu finden? Das ist doch lachhaft …
Luckner: Wladimir Putins Herrschaft als Beispiel für eine moderne Demokratie? Das soll wohl als Witz gemeint sein, oder? Etikettenschwindel ist ein deutlich zu schwaches Wort, um meine Meinung dazu auszudrücken. Dass ein Quasi-Diktator wie Putin nichts von Transparenz hält, ist ja wohl klar. Mir geht es ja auch erst mal um heimische Gefilde. Wir Deutsche haben genügend Erfahrung damit gemacht, was passiert, wenn Politiker – ohne Kontrolle der Öffentlichkeit – schalten und walten können, wie sie wollen. Transparenz ist unabdingbar heute und ein wichtiges Standbein unserer Demokratie. Wenn die Politiker wollen, dann halten sie sich auch an dieses Prinzip – und es funktioniert. Bestes Beispiel: Regens Landrat Michael Adam.
Hörhammer: Auch wenn ich mich wiederhole: Heutzutage ist es schlichtweg unmöglich, dass Politiker überall und zu jeder Zeit mit völlig offenen Karten spielen und ihr Tagesgeschäft so transparent wie möglich nach außen kommunizieren. Erstens funktioniert das schon mal aus rein logistischen Gründen nicht: Öffentlichkeitsarbeit erfordert viel Zeit, die ein Politiker heute nicht mehr hat. Und zweitens geht es bei Politik auch um Diplomatie, um Abmachungen und Agreements, die eben nicht für jedermann’s Ohren bestimmt sind. Sonst würde nämlich in einem Staat dieser Größe eine Entscheidungsfindung Jahre dauern … Deshalb ja auch die repräsentative Demokratie.
Luckner: Abmachungen und Agreements – das ist doch genau das Problem: Die Menschen haben immer mehr das Gefühl, dass Politik nur noch im Hinterzimmer gemacht wird. Ist schon klar, dass wir noch weit von wirklich transparenter Politik entfernt sind – das bedeutet aber nicht, dass sie nicht möglich ist. Nur weil man uns erzählt, dass ohne Geheimhaltung Politik nicht funktioniert, muss das noch lange nicht heißen, dass das auch so ist. Nach den Wikileaks-Veröffentlichungen war das Geschrei erst mal groß. Und? Ist die Welt deshalb untergegangen? Nein! Transparenz ist der Weg, auch wenn manch ein Politiker dafür erst mal über den eigenen Schatten, oder besser: die eigene Eitelkeit, springen muss.
Wo sind denn die Transparenz-Politiker heute zu finden?
Hörhammer: Auch wenn es abgedroschen klingt, aber: Vielleicht ist es manchmal einfach auch besser, wenn die Bürger nicht alles mitbekommen, was hinter den berühmt-berüchtigten Kulissen der Politik so abläuft. Würden sie’s nämlich mitbekommen, könnte das vermutlich schnell den Frieden im Lande gefährden … Überleg doch mal: Wenn jeder Otto Normalverbraucher immer und überall sofort erfahren würde, was Kanzlerin Merkel oder Landesvati Seehofer so alles von sich geben und welche Abmachungen sie treffen … das endet doch über kurz oder lang in der Rebellion, im Chaos!
Luckner: Über kurz kann das durchaus zu einer gewissen Ernüchterung, Enttäuschung und vielleicht sogar zu Wut auf die gewählten Volksvertreter führen. Aber über lang könnte es – hoffe ich zumindest – eben dazu führen, dass einfach andere Leute gewählt werden. Politiker, die sich so verhalten und so regieren, dass sie auch mit Transparenz umgehen können, ja von der Transparenz sogar profitieren werden: Weil jeder sehen kann, wie gut bzw. schlecht sie den Staat leiten. Politiker, die es schaffen, die Leute mitzunehmen und ihnen auch mal klar machen können, wieso diese oder jene unpopuläre Maßnahme jetzt sein muss. Chaos befürchte ich nicht.
Hörhammer: Das mag ja alles richtig sein, was Du da sagst, nur: Das Prinzip Hoffnung bringt uns nicht weiter. Wo sind denn bitteschön diese Typen von Politikern, wie Du sie Dir ausmalst, in der heutigen realen Welt zu finden? Ich kenne nicht mal eine Handvoll, die mit Transparenz umgehen, geschweige denn dieses Wort buchstabieren kann. Das Problem ist schnell erklärt: Der Mensch ist von Natur aus ein zu machtbewusstes und auf seinen eigenen Vorteil ausgerichtetes Wesen. Politik hat mit Macht zu tun – und sonst nix. Und da ist nun mal für Transparenz kein Platz …
Luckner: Leider muss ich Dir zustimmen, dass es noch nicht allzu viele Politiker gibt, die mit Transparenz umgehen können. Dennoch will ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass die jüngere Generation einfach lockerer mit der Sache umgehen wird. Schon allein die neuen Möglichkeiten die das Internet bietet, werden sie bis zu einem gewissen Grad – über kurz oder lang – dazu zwingen.
Hörhammer: Schon möglich. Aber das liegt vermutlich noch in weiter Ferne. Klar kommt es auf die nachfolgenden Generationen drauf an, wie sie mit dem Thema Transparenz umgehen. Ich bin auf alle Fälle skeptisch.
Was glaubt Ihr? Ist es heutzutage möglich, sich als Politiker die große Transparenz auf seine Fahnen zu schreiben und nach diesem Prinzip seiner Arbeit nachzugehen – oder ist dafür das Polit-Geschäft einfach schon zu verkommen? Wir sind gespannt auf Eure Kommentare.
da Hog’n