Freyung. Werden die Schüler heutzutage gut genug auf das Berufsleben vorbereitet? Auf was kommt es beim Bewerbungsschreiben an? Und an welchen Stellschrauben muss gedreht werden, damit die Ausbildungschancen im Bayerwald wieder steigen? Über diese Fragen haben wir uns mit Florian Reihofer, Ausbildungsleiter und -koordinater bei der Thomas Krenn AG in Freyung, und seinem Chef, AG-Vorstand Christoph Maier, unterhalten. Die wenig erfeuliche Kernaussage: Es mangelt bei den Schulabgängern häufig an der nötigen Ausbildungsreife für den Eintritt in die Berufswelt.
„Viele haben keinen Plan, was sie eigentlich machen wollen“
Herr Reihofer, Herr Maier: Werden die Schüler in unseren Breitengraden heutzutage gut genug auf die Berufswelt vorbereitet?
Reihofer: Ich denke, dass das größtenteils nicht der Fall ist. Wir haben zwar Bewerber von guter Qualität, aber bei vielen mangelt es schlichtweg an der nötigen Ausbildungsreife. Viele werden in die Berufswelt entlassen, haben jedoch keinen Plan davon, was sie eigentlich machen wollen. Auch die soziale Kompetenz lässt mehr und mehr zu wünschen übrig – da happert’s häufig an den richtigen Umgangsformen.
Maier: Ich denke, dass die Problematik der Schulen darin liegt, den Lernstoff ständig an die neuen Anforderungen der Berufswelt anzupassen. Jeder von uns hat in der Schule einmal Dinge gelernt, die heute rückblickend nicht mehr zeitgemäß sind. Hier kommt künftig meiner Meinung nach noch mehr Verantwortung auf die Betriebe zu, dass diese den jungen Leuten anhand von guten Ausbildungsprogrammen – abseits vom Dienst nach Vorschrift – das nötige Rüstzeug mit auf den Weg geben. Ein schönes Beispiel ist hier die Azubi-Rotation, die wir damals ins Leben gerufen haben und den Auszubildenden ermöglicht in verschiedene Betriebe reinzuschnuppern.
Wo sehen Sie dringenden Nachholbedarf?
Reihofer: Bei den Bewerbungen fängt’s an. Wenn zum Beispiel als Porträtfoto ein mit dem Handy aufgenommenes Bild eingereicht wird, dann … Wir nehmen nur Online-Bewerbungen an, wobei die Bewerber eine Personalisierungsmaske ausfüllen müssen. Lebenslauf, Foto und Zeugnisse werden angehängt. Da werden Dokumente teilweise gar nicht mehr eigenhändig unterschrieben, alles ohne Datum, Lebensläufe beschränken sich auf ein Minimum an Informationen. Geschweige denn, dass Kontaktdaten wie Telefonnummer, Email-Adresse etc. dabeistehen.
„In Sachen Rechtschreibung schaut’s teilweise schlimm aus“
Und wie sieht’s mit der Rechtschreibung aus?
Reihofer: Teilweiese ganz schlimm – sei’s beim Anschreiben oder auch beim stichpunktartigen Ausfüllen unseres Online-Formulars. Ich denke, dass die Wurzel dieses Übels beim übermäßigen Schreiben von SMS- und Chat-Nachrichten liegt. Da wird munter darauf los geschrieben, Groß- und Kleinschreibung existiert praktisch nicht, ebenso keine Satzzeichen und grammatikalische Genauigkeit. Und so sieht’s dann leider auch in der Bewerbung aus.
Welche Ursachen liegen dieser Entwicklung zugrunde? Wo muss nachgesteuert werden?
Reihofer: Es wäre unfair, jetzt alle Schuld den Schulen zuzuschieben. Aber wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere: Wir hatten ein gutes Bewerbungstraining. Entweder das wird heutzutage zu sehr vernachlässigt oder es mangelt an der Einstellung der Schüler, die etwa in der 9. Klasse Realschule sagen: Bewerbungen? Das ist alles noch so weit weg, das interessiert mich jetzt noch nicht …
Welche Rolle spielt dabei das Elternhaus?
Reihofer: Eine sehr wichtige Rolle. Ich denke, es ist heute in vielen Familien nicht mehr der Fall, dass etwa die Hausaufgaben nochmal von den Eltern überprüft werden. Und die Bewerbungsunterlagen dann logischerweise auch nicht. Deswegen machen viele Bewerbungen auch den Eindruck, als seien sie zwischen Brotzeit und Fußballtraining schnell mal eben so hingekritzelt worden. Ich glaube, dass bei vielen Eltern die Zeit nicht mehr da ist, diese Kontrollfunktion auszuüben bzw. dass sich viele Eltern diese Zeit heute nicht mehr nehmen. Nach dem Motto: Unser Sohn/unsere Tochter wird sich schon durchwurschteln – die letzten Jahre hat’s ja auch irgendwie geklappt. Denke ich zurück an meine Bewerbungsschreiben – wenn’s sein musste, hab ich sie zum Korrekturlesen noch meiner Tante vorbeigebracht …
Was sollte ein Schüler mitbringen, der eine Ausbildung bei Thomas Krenn beginnen möchte?
Reihofer: Neben der bereits erwähnten sozialen Kompetenz ein gesundes Interesse für den Beruf im Allgemeinen und die Technik im Besonderen. Außerdem das Engagement, sich viele Dinge auch selbst beizubringen. Wir sagen ganz klar: Diese Faktoren sind uns wichtiger als Noten. Wenn ich einen Dreier-Schüler habe, der diese Anforderungen erfüllt, nehmen wir den lieber als den Einser-Schüler, der nur wenig Interesse zeigt und sich nicht einbringen will.
„Gilt noch: Jungs für die Technik, Mädls für das Gestalterische“
Aber wird denn der Dreier-Schüler überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen?
Reihofer: Ja, wird er. Die Bewerber werden zu einem Gespräch eingeladen, nachdem sie eine – ich betone nochmals – ordentliche Online-Bewerbung abgegeben haben. Beim ersten Kennenlernen stellt sich schnell heraus, ob sie auch ein Probearbeiten bei uns absolvieren dürfen. Wir fragen dazu die Interessen ab – und wenn der Bewerber etwa die verschiedenen Komponenten eines Computers oder Servers aufzählen kann, ist das ein Zeichen dafür, dass er sich mit der Materie schon befasst hat und ein gewisses Grundinteresse vorhanden ist. Der hat dann gute Karten.
Auf welche Fächer wird denn ein besonderes Augenmerk gelegt bei Thomas-Krenn-Bewerbern?
Reihofer: Nicht so sehr auf Mathe, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern auf alle Fächer, die mit Information zu tun haben: Informationstechnologie etwa. Aber auch auf das Fach Physik. Denn Physik und Hardware hängen eng zusammen. In zweiter Linie wird erst auf die Mathe-Note geschaut sowie auf die Englisch-Note.
Fangen eigentlich mehr Mädchen oder mehr Buben die Ausbildung bei Thomas Krenn an?
Reihofer: Momentan sind’s mehr Buben. Das liegt daran, dass bei uns eben eher technische Berufe ausgebildet werden. Bei uns arbeiten in der Technik insgesamt nur zwei Frauen, sogenannte Fachinformatikerinnen für Systemintegration. Weibliche Azubis gibt’s in dieser Abteilung aktuell keine. Im letzten Bewerberzyklus gingen für diese Ausbildungsrichtung 57 Bewerbungen ein – 55 von männlichen und nur zwei von weiblichen Bewerbern. Im Bereich Mediengestaltung wiederum bewerben sich überwiegend Mädchen, beim IT-System-Kaufmann ist die Bewerberschaft bunt gemischt. Uns wär’s freilich am liebsten, wenn wir mehr weibliche Bewerberinnen für die Technik-Berufe hätten – aber scheinbar gilt hier immer noch: Jungs für die Technik, Mädels für das Gestalterische.
„Wir wollen noch mehr auf die Schulen zugehen“
Was würde den Schülern heutzutage bei der Ausbildungssuche helfen? Vielleicht mehr Praktika während der Schulzeit?
Reihofer: Wir wollen demnächst noch mehr auf die Schulen zugehen, da viele Einrichtungen im Landkreis nicht wissen, was eigentlich hinter dem Unternehmen Thomas Krenn steckt. Wir waren bereits bei den Berufsorientierungstagen der Realschulen Grafenau und Freyung sowie an den Gymnasien in Waldkirchen und Freyung vertreten, um unseren Betrieb und dessen Ausbildungsmöglichkeiten vorzustellen. Dabei unterrichten wir die Heranwachsenden unter anderem darüber, welche Fähigkeiten wir von ihnen erwarten.
Wir nehmen auch am 13. Oktober an der Ausbildungs- und Arbeitsbörse im Freyunger Kurhaus teil. Zum Punkt Schulpraktika: Ich halte nicht viel davon, wenn wir einen 13-jährige Praktikanten da haben, der sich nur aufgrund der Tatsache bei uns angemeldet hat, weil er einen oder zwei Tage schulfrei bekommt – und ansonsten völlig desinteressiert die Zeit absitzt. In eine ähnliche Richtung gehen Veranstaltungen wie der sogenannte „Girls‘ Day“, an dem wir uns heuer nicht mehr beteiligt haben, was eben auch mit der eingangs schon erwähnten mangelnden Ausbildungsreife zu tun hat.
An welchen (politischen?) Stellschrauben muss gedreht werden, damit im Bayerwald die Ausbildungschancen wieder steigen?
Maier: Der notwendige Druck muss eher von Seiten der Ausbildungsbetriebe und den Auszubildenden kommen. Eine wichtige Aufgabe unsererseits ist hier, aktiv auf die Leute zuzugehen, auf die Politik genauso wie auf die Schulen. Wenn von betrieblicher Seite die Diskussion nicht gesucht wird, wird sich auch nicht viel ändern. Ein Politiker hat nie den Einblick eines Spezialisten, der in dem jeweiligen Wirtschaftsbereich tagtäglich arbeitet. Der Spezialist muss der Politik seine Verbesserungsvorschläge weitergeben, damit diese zielführend die Weichen stellen kann.
Interview: Stephan Hörhammer
Hallo Florian,
warum die Ausbildungsreife der heutigen Jugend so schlecht ist, hat Ursachen. In unserer schnelllebigen Welt wird darüber geklagt, dass wir mit zu wenig Genauigkeit unsere Tätigkeiten verrichten können oder durch eine Zunahme bürokratischer Pflichten unsere eigentlichen Aufgaben vernachlässigen müssen. Dieses Phänomen ist auch im Bildungssystem zu beobachten. Die Lernmethode der Lerntherapeutin M.A. Eva Spindler-Jergens zum Beispiel versucht das Leben zu entschleunigen und wieder mehr Freude am Lernen zu schaffen. MuFit (Mund-Finger-Training) nennt sich die Lernmethode. Ein Diagnose- und Interventionsinstrument für Rechnen, Lesen und Rechtschreiben und vom Ansatz her für alle Schularten geeignet. Wer will, kann sich darüber auch bei einem Vortrag zum Thema „Freude am Lernen“ am 15. Juni um 19.30 Uhr im Buchcafé Lang informieren.