Freyung-Grafenau. Nur 25 Prozent der Kandidaten für den Freyung-Grafenauer Kreistag sind weiblich. Gilt der Landkreis damit im Jahr 2020 als rückschrittlich? Immerhin gibt es mit Hilde Greiner von der SPD zum ersten Mal eine Landratskandidatin. Aber warum zieht es immer noch viel mehr Männer in die Kommunalpolitik als Frauen? Wird sich mit der Kommunalwahl gar nichts am „Männerübergewicht“ in den kommunalen Gremien ändern? Das Onlinemagazin da Hog’n ist diesen Fragen nachgegangen und hat bei den Parteien sowie bei aktiven Kommunalpolitikerinnen nachgefragt: Wollen die Frauen sich nicht politisch engagieren? Dürfen sie nicht? Oder trauen sie es sich nicht zu?
Landratskandidatin Hilde Greiner sagte im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n, dass Frauen nach wie vor mehr Leistung als Männer bringen müssten, um wahrgenommen zu werden. Sie meint: Viele Fehler dürfe sich eine Frau nicht leisten. Und: Sie würde sich darüber freuen, wenn sie bei der Kommunalwahl am 15. März gerade deshalb Stimmen erhält, weil sie eine Frau sei. Doch wie sehen das andere politisch aktive Frauen im Landkreis: Gewählt werden, nur weil man eine Frau ist? Müssen Frauen sich gegenseitig unterstützen?
Einzige amtierende Bürgermeisterin im Landkreis: Margot Fenzl
Sie ist momentan die einzige Frau auf einem Bürgermeister-Sessel im Landkreis FRG: Margot Fenzl hatte in den vergangenen sechs Jahren nie Probleme damit, sich im Gemeinderat Haidmühle durchzusetzen, wie sie selbst sagt. Dieser besteht aktuell aus elf Männern, einer Frau – und der Bürgermeisterin. Ob sich das nach der Wahl ändern wird? „Auf meiner Liste stehen dieses Mal elf Frauen“, sagt Fenzl nicht ohne Stolz. Sie habe alle persönlich angesprochen.
Frauen für eine Gemeinderatskandidatur zu gewinnen, sei aber nicht immer leicht: „Man muss sie anstupsen“, ist Fenzl überzeugt. Nach wie vor würden Frauen es sich (und ihren Artgenossinnen) nicht zutrauen, sich in der Politik durchzusetzen. „Viele denken: Ich kann das nicht. Frauen unterschätzen ihr eigenes Geschlecht“, ist sich die amtierende Rathaus-Chefin sicher. Für sie selbst sei es allerdings in der sich zu Ende neigenden Legislaturperiode kein Problem gewesen, als Frau die Führung im Gemeinderat zu übernehmen: „Ich hab auch mal auf den Tisch gehauen“, sagt sie und lacht.
Grüne: Feminismus als eine Wurzel der Partei
Wenn Frauen sich politisch engagieren, scheinen sie das vor allem bei den Grünen zu tun: Knapp mehr als die Hälfte der Kreistagskandidaten sind hier weiblich. Für ein Gleichgewicht der Geschlechter (Stichwort: Parität) sorgt man bei den Grünen nicht nur auf allen Kandidatenlisten, sondern auch in den verschiedenen Gremien. „Das ist bei uns in der Partei allgemeiner Konsens und hat sich auch gut bewährt“, sagt Antje Laux, Kreisvorsitzende in Freyung-Grafenau. Es sei daher noch nie ein Problem gewesen, Frauen für die Liste der Grünen zu finden. „Frauenbewegung und Feminismus gehören zu den Wurzeln unserer Partei“, sagt Laux. Das sei vielleicht mit ein Grund, warum Frauen sich dort politisch wohl fühlen.
Bei Versammlungen der Grünen sorge man stets dafür, dass Frauen genauso oft zu Wort kommen wie Männer. Antje Laux findet dies wichtig. „Frauen bringen andere Facetten in die Politik mit ein“, davon ist sie überzeugt. Sie hätten einen anderen Zugang insbesondere zu sozialen Themen, die bei Männern im Alltag nicht im Vordergrund stünden.
Antje Laux hat als aktive Kommunalpolitikerin nicht das Gefühl, dass Männer auf sie herabblicken. Warum kandidieren dann so wenige Frauen für Ämter im kommunalen Bereich? „Ich glaube, dass sich vor allem ältere Frauen nicht so sehr für Politik interessieren“, sagt Laux. Sie selbst sei mit Politik aufgewachsen – und in ihrem Umfeld habe es immer schon viele aktive Grünenpolitiker gegeben. Irgendwann wollte sie sich selbst auch miteinbringen, erklärt die Kreisvoritzende, und bei drängenden Themen wie Umwelt- und Energiepolitik mitgestalten.
CSU-Kreisverband möchte mehr Kandidatinnen, findet sie aber nicht
Eine andere Partei tut sich dagegen eher schwer mit dem Gleichgewicht der Geschlechter: „Die CSU im Landkreis ist sehr daran interessiert Frauen zu unterstützen und Kandidaturen zu ermöglichen“, teilt CSU-Kreisvorsitzender Olaf Heinrich auf Hog’n-Nachfrage mit. Man sei im Vorfeld der Kommunalwahl ganz gezielt auf Frauen zugegangen, die sich bisher kommunalpolitisch noch nicht eingebracht hatten, aber:
„Wir haben tatsächlich viel mehr Frauen angesprochen als heute auf der Liste zu finden sind. Sehr häufig wurde darauf verwiesen, dass im Vergleich zu anderen Parteien bei der CSU das Mehrfache an Stimmen bei der Kreistagswahl notwendig ist, um gewählt zu werden.“
Es gebe durchaus viele weibliche CSU-Mitglieder im Kreisverband Freyung-Grafenau, so Heinrich weiter. Allerdings würden sich zu wenige davon für kommunalpolitische Ämter bewerben. Der Kreisvorsitzende betont: „Klar ist: Wir freuen uns über jede Frau – und bieten selbstverständlich auch gute Listenplätze an.“
Jung, weiblich – Bürgermeisterkandidatin für die CSU
Aber es gibt sie, die Frauen, die in der CSU etwas erreichen wollen. „Ja, es ist an der Zeit…“ lautet der Wahlspruch auf den großen Plakaten, auf denen Kristina Urmann in der Gemeinde Neureichenau dafür wirbt, zur Bürgermeisterin gewählt zu werden. Weiter heißt es allerdings nicht „… für eine Frau“ – sondern: „… für dieses Team.“
Die 32-Jährige sagt ganz klar: „Die Inhalte meiner Politik sind viel wichtiger als mein Geschlecht. Ich will nicht, dass es überbetont wird, dass ich eine Frau bin.“ In ihren Augen entwickele sich die Politik längst dahin, dass man nicht mehr darauf schaut, welches Geschlecht ein Kandidat hat.
Seit ihrem 15. Lebensjahr engagiert sich Kristina Urmann politisch, hat damals gemeinsam mit einem Freund den JU-Ortsverband Neureichenau gegründet. Mit 20 wurde sie in den Gemeinderat gewählt und war damit das jüngste Mitglied im Gremium – und die einzige Frau. Beides hinderte sie nicht daran, mitzureden und mitzugestalten.
„Es war nie ein Thema, dass ich eine Frau bin“, sagt Urmann. Sie habe sich nie benachteiligt gefühlt. Auch unter den Kandidaten für ihre Gemeinderatsliste seien Frauen automatisch mit dabei – gezielt ansprechen musste sie sie dafür nicht. Sie ist sich sicher: Nach der Kommunalwahl wird sie nicht mehr die einzige Frau im Neureichenauer Rat sein.
Fazit: Wenn Frauen wollen, dann dürfen und können sie definitiv Kommunalpolitik machen. Es sind nicht die Parteien, die sich ihnen gegenüber verschließen. Es spukt aber vielleicht doch noch in so manchem Kopf einer Frau der Gedanke herum: „Das kann ich nicht, das ist Männersache!“ Völlig unbegründet, wie aktive Kommunalpolitikerinnen versichern.
Sabine Simon