Passau. In nur zwei Prozent aller Familien in Deutschland leben vier Kinder oder mehr. Cornelia Krumesz und ihr Mann gehören zu den Wenigen, die sich für ein viertes Kind entschieden haben. Beide arbeiten Vollzeit und haben trotzdem genügend Zeit für die Familie – und auch für sich selbst.
„Ich hatte nie einen festen Lebensplan“, erzählt die 34-Jährige. Ihre älteste Tochter ist dreizehn. Als Cornelia mit ihr schwanger wurde, war sie Studentin. Die Beziehung zum Vater des Kindes hielt nicht. Aber die junge Mutter blieb nicht lange allein: Ein Jahr nach der Geburt lernte sie ihren jetzigen Mann Franz kennen. Dass sie mit ihm drei weitere Kinder bekommen würde? „Das hat sich nach und nach einfach so ergeben“, sagt Cornelia und lacht. „Mit Anfang zwanzig dachte ich noch, ich bleibe mit einem Kind alleinerziehend.“
Andere entscheiden mit Pro- und Contraliste
In diesem Sommer unternahmen Cornelia und Franz mit ihren drei Töchtern (13, 10 und 4) und ihrem zweijährigen Sohn eine Norwegen-Kreuzfahrt. Urlaub zu sechst? Für Großfamilie Krumesz eine Selbstverständlichkeit. „Wir haben uns auch mit vier Kindern nie eingeschränkt“, berichtet Cornelia. Sie haben von Anfang an alles gemeinsam mit dem Nachwuchs gemacht: „Uns gab’s von Anfang an nur mit Kind.“ Dabei lerne man das Leben voll auszukosten – „trotz Kind“. Oder „dank Kind“. Wie man’s sieht, sei eine Typfrage, da ist sich Cornelia sicher. Sie hat es jedenfalls nie bereut sich für vier Kinder entschieden zu haben.
Cornelia und Franz hatten sich auch beim vierten Kind nicht groß Gedanken gemacht. Gedanken, die andere sich schon beim zweiten oder dritten Kind machen: Reicht das Geld? Haben wir genügend Platz? Vernachlässigen wir ein Kind, wenn noch eins dazu kommt? Und haben wir als Eltern dann überhaupt noch Zeit für uns selbst – oder für uns als Paar? Wer im Internet nach Antworten auf die Frage sucht, ob man ein drittes Kind bekommen soll, stößt tatsächlich auf Pro- und Contra-Listen, auf „10 Gründe dagegen“ und vieles mehr. Nur elf Prozent aller Eltern entscheiden sich schließlich tatsächlich dafür. 1975 waren es noch neunzehn Prozent.
„Warum tut man sich das an?“ Diese Frage hat Cornelia Krumesz tatsächlich schon häufiger gehört. „Die meisten Leute haben die Vorstellung, dass es sehr stressig ist mit vier Kindern“, sagt sie und lächelt. In ihrem Fall habe jedoch von Anfang an alles gut funktioniert. „Ich finde, dass meine Kinder unkompliziert sind.“ Wer dagegen Probleme beim Stillen hat oder ein Kind, das schlecht schläft, könne sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, „warum man sich das gleich viermal antut“. Aber vielleicht würden andere auch vieles genauer nehmen – oder sich generell viel mehr Gedanken machen. „Ich war schon mit zwanzig daran gewöhnt, dass nicht immer alles nach Schema F läuft“, erzählt Cornelia heute.
Familienzeit und Vollzeitjob: Cornelia kriegt das hin
Die 34-Jährige ist alles andere als eine „Vollzeit-Mutti“: Als sie ihren Master in Wirtschaftsinformatik absolvierte, hatte sie bereits zwei Kinder. Mit drei Sprösslingen übernahm sie von ihrem Vater die Geschäftsführung dreier Hotels in Passau. Jetzt, als Mutter von vier Kindern, ist sie zudem noch lokalpolitisch aktiv, Mitglied der Wirtschaftsjunioren sowie im Vorstand des Kindergartens. Zwischendrin hatte sie mit ihrem Mann ein Haus gebaut. „Ich kann nicht nix machen“, beschreibt Cornelia sich selbst. Wenige Stunden nach der ambulanten Geburt ihres Sohnes habe sie abends auf der Couch geschäftliche Emails geschrieben. Überfordert, gestresst oder dem Burnout nahe wirkt sie nicht. Im Gegenteil.
Und die Kinder? „Die kommen trotzdem nicht zu kurz“, sagt sie. Cornelia kann sich ihre Arbeit für die Hotels sehr flexibel einteilen: „Die Hauptarbeit mache ich vormittags und abends“, berichtet sie. Termine kann sie sich passend legen, zwischendrin holt sie die Kleinen aus Kita und Kindergarten ab oder fährt die Tochter zum Reitunterricht. Telefonisch sei sie immer zu erreichen – was es unnötig mache den ganzen Tag über im Büro zu verbringen. Ihr Mann ist Medientechniker an der Uni Passau und arbeitet momentan in Elternzeit nur dreißig Stunden die Woche, bald aber wieder Vollzeit. Auch er könne sich seine Arbeit sehr flexibel einteilen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – wahrscheinlich der Knackpunkt für viele, die über ein drittes oder viertes Kind nachdenken. Denn ein gesichertes Einkommen ist wiederum die Grundlage dafür, sich eine größere Wohnung, ein Haus oder ein größeres Auto leisten zu können. Und man will den Kindern ja auch etwas bieten können. Sie sollen etwa weder auf ein eigenes Zimmer noch auf Urlaub oder Hobbys verzichten müssen.
Schnäppchen-Urlaube für Großfamilien? Fehlanzeige
Natürlich ist Urlaub mit vier Kindern teurer als mit zwei. Cornelia berichtet, dass sie auf dem Kreuzfahrtschiff zwei Kabinen buchen mussten – denn eine Kabine für sechs Personen gibt es nicht. Ähnlich ist es in vielen Hotels. Dabei ist es egal, ob man drei Kinder oder mehr mitbringt: In Deutschland ist vieles auf Familien mit höchstens zwei Kindern ausgelegt. Ins Auto passen auf die Rücksitzbank nur zwei Kindersitze nebeneinander, für drei sind fast alle Modelle zu eng bemessen. Fertighäuser verfügen über zwei Kinderzimmer. Wer im Freizeitpark oder im Erlebnisbad ein Familienticket löst, bezahlt damit oftmals nur für zwei Erwachsene und zwei Kinder.
„Schnäppchen-Angebote für einen Lastminute-Urlaub sind auch so ein Beispiel“, sagt die 34-Jährige. Die Hotelmanagerin kennt sich damit aus und weiß, dass es für viele Hotelbetreiber schlicht und einfach zu kompliziert wäre, den „Sonderfall“ Großfamilie in ihr Buchungssystem einzupflegen und dafür stets entsprechende Zimmer frei zu halten. In ihren eigenen Hotels gilt: Babys übernachten kostenlos im Elternbett, jedes zusätzliche Kinderbett kostet extra.
Und wie sieht es mit der Fürsorge für jedes einzelne Kind aus? Auch darüber machen sich viele Eltern Gedanken, gerade was das Thema Vernachlässigung anbelangt. Cornelia habe auch für ihre beiden kleineren Kindern genügend Zeit, sagt sie. Ihr Vorteil sei der große Abstand zwischen Kind Nummer zwei und drei, denn: Die beiden Jüngeren spielen noch im Sandkasten, während sich die beiden Älteren bereits selbständig beschäftigen können.
„Unsere große Tochter ist schon oft alleine unterwegs“, erzählt die Passauerin. Die Unterstützung der Mutter braucht sie längst nicht mehr so sehr wie ihre Geschwister. „Ich habe nie mehr als zwei Kindern gleichzeitig die Schuhe anziehen müssen“, berichtet sie und lacht. Ihren größeren Töchtern könne sie zum Beispiel dann bei den Hausaufgaben helfen, wenn die Kleinen schlafen. Und dass die Größeren alleine zur Schule gehen müssen und nicht bis vor die Tür gefahren werden, schade ihnen auch nicht: „Sie werden dadurch selbständig“, findet Cornelia. „Die beiden Großen haben ein Handy und können mich jederzeit um Hilfe bitten.“
„Ich treffe gerne Leute, die keine Kinder haben“
„Natürlich gibt es manchmal auch Stressmomente mit vier schlecht gelaunten Kindern“, gibt die Vierfach-Mama zu. „Aber sie sind eher selten.“ Sie und ihr Mann schaffen es zudem, sich gegenseitig Freiräume zu schaffen.
„Ich treffe gerne auch mal Leute, die keine Kinder haben“, sagt sie. Abends ohne Familie unterwegs zu sein und über berufliche oder politische Themen zu reden, sei wichtig für sie. Ihr Mann schaue dann mit den Töchtern deren Lieblingsfilme an, während die beiden Kleinen bereits im Bett liegen. Und wenn beide mal zusammen weg wollen? „Dann kann ich die Kinder bei der Oma lassen“, sagt Cornelia. Denn ihre beiden großen Töchter könnten der Oma ja beim Zubettbringen der Kleinen ja zur Hand gehen – da klappt es auch mit vier Enkeln.
„Es ist schön, dass vor zwei Jahren noch unser Sohn zur Familie dazu gekommen ist“, resümiert die 34-Jährige. Er sei „gut für das Familiengefüge“. Momentan teilt er sich ein Zimmer mit seiner vierjährigen Schwester. Ob er erst dann ein eigenes bekommt, wenn seine älteste Schwester ausgezogen ist, das wissen Cornelia Krumesz und ihr Mann noch nicht. Doch auch das wird sich ergeben, davon ist die Passauer Vierfach-Mama überzeugt.
Sabine Simon