Freyung. Auch wenn der Bau der sog. Freyunger Westspange – eine innerörtlichen Umgehungsstraße, die deren Befürwortern zufolge das Stadtzentrum entlasten soll – bereits seit Längerem vom Stadtratsgremium mehrheitlich beschlossen wurde, gilt diese nicht erst seit dem Ratsbegehren von vor fünf Jahren als umstritten. Insbesondere die Freyung-Grafenauer Kreisgruppe des Bund Naturschutz sowie einige Anwohner hatten in den vergangenen Monaten medial ihre Bedenken angemeldet. Tenor: Die Planung sei (aufgrund der parallel verlaufenden B12) unnötig sowie generell unzeitgemäß. Zudem mindere die Westspange die Wohnqualität der Anrainer. Kerben, in die auch der ökologische Verkehrsclub (VCD) schlägt.
Am Montag, 22. Oktober, soll im Freyunger Stadtrat über die Aufstellung des entsprechenden Bebauungsplans abgestimmt werden. Dabei sollen die Bedenken und Anregungen aus der Öffentlichkeits- und Fachstellenbeteiligung in Sachen Flächennutzungs- und Bebauungsplan zur Diskussion stehen. Die generelle Begründung seitens der Stadt Freyung dafür, weshalb die Westspange ein sinnvolles Unterfangen sei, betrachtet der VCD indes als „grob fehlerhaft“. Denn: „Während die Stadt behauptet, die Verkehrszahlen würden bis 50 Prozent steigen, sinken sie tatsächlich. Schon seit 1990 sind auf der Grafenauer Straße nach den amtlichen Verkehrszählungen rund 7.000 Kraftfahrzeuge am Tag unterwegs“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Im Jahr 2015 waren es sogar nur noch 6319.“
VCD-Kreisvorsitzender Sluka spricht vom „Gefälligkeitsgutachen“
„Die Verkehrszahlen werden noch weiter zurückgehen“, teilt Bernd Sluka, der Vorsitzende des VCD-Kreisverbands Passau/Freyung-Grafenau, mit. „Das ist in einer Region, in der die Bevölkerung stagniert und älter wird, ganz normal. Dann wird weniger Auto gefahren.“ Die Prognosen, mit denen die Stadt die angebliche Notwendigkeit einer Umfahrung des Stadtplatzes begründe, würden stattdessen behaupten, dass bis 2025 die Zahlen auf über 10.000 Kfz steigen. Sluka: „Angesichts des realen Trends nach unten kann man dies nur als ‚Gefälligkeitsgutachen‘ bezeichnen.“ Der Stadtrat solle die Realität zur Kenntnis nehmen und dann anhand der Faktenlage entscheiden.
Es sei Sluka zufolge „unbegreiflich“, warum es nicht mehr Protest seitens der betroffenen Anwohner gebe. Diese würden unter einer Vervielfachung des Kfz-Verkehrs und damit mehr Abgasen sowie vor allem mehr Lärm leiden. Der Lärm wachse laut VCD um bis zu 12 Dezibel an, was eine Verzehnfachung des Verkehrs zufolge habe. „Dort, wo es heute noch ruhig ist, würde dann der ungestörte Aufenthalt im Freien nicht mehr möglich sein. Und schlafen könnte man dann nur noch mit geschlossenen Fenstern. Es ginge ein großes Stück an Lebensqualität verloren“, erklärt Sluka weiter.
Dagegen würden die Anwohner am Stadtplatz kaum entlastet. Die dort prognostizierte Verringerung des Verkehrs würde nur etwa drei Dezibel weniger bringen. Denselben Effekt könnte man mit einer Halbierung der Fahrgeschwindigkeiten erreichen, ohne durch eine Umfahrung weitere Menschen zu belasten. Durch die beiden Durchfahrtmöglichkeiten würde sogar insgesamt mehr Verkehr durch Freyung angezogen werden, darunter auch mehr Lkw, ist Sluka überzeugt.
„Anachronistische Verkehrspolitik des vorherigen Jahrhunderts“
Da mit der ausgebauten Bundesstraße 12 bereits eine Umfahrung der Innenstadt existiere, sei der Bau einer weiteren Umfahrung unnötig. Andere Städte versuchten, den Autoverkehr möglichst aus der Innenstadt und besonders den Wohngebieten herauszuhalten. Freyung wolle dagegen eine Umfahrungsstraße in der Stadt und mitten durch Wohnstraßen bauen. „Das ist eine anachronistische Verkehrspolitik des vorherigen Jahrhunderts“, betont der VCD-Vorsitzende.
Um den Verkehr im Zentrum zu verringern, würde es genügen, den Stadtplatz zu beruhigen. „Wenn langsamer gefahren werden muss, fahren weniger durch.“ Möglich wäre auch, einen „Shared Space“ anzulegen, in dem alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt auf dem ganzen Platz unterwegs seien. „Die Erfahrungen aus anderen Städten zeigen: Ein Shared Space ist sogar bei deutlich mehr Autoverkehr möglich und außerdem ein Erfolgsmodell. Vor allem profitiert davon der lokale Handel, die Umsätze steigen“, weiß Verkehrsexperte Sluka.
Obwohl die Planunterlagen behaupten, heißt es in der Pressemitteilung weiter, dass die geltenden Richtlinien verwendet wurden, würden Radfahrer in der gegenwärtigen Planung „völlig außen vorbleiben“. Auch Fußgänger würden nicht gemäß den Richtlinien berücksichtigt. Es wird nach Ansicht des VCD „für sie gefährlicher und umwegiger“. Sluka: „Es wurde mal wieder nur für den Autoverkehr geplant. Auch das ist Verkehrspolitik der 1970er und angesichts des akut drohenden Klimawandels völlig unzeitgemäß.“
Stadt Freyung: Kurzfristig keine Stellungnahme möglich
Um auch die Argumente der Befürworter-Seite der Westspange zu hören, haben wir Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich kurzfristig um Stellung gebeten. Die Stadtverwaltung könne jedoch aufgrund der traditionell am Montagvormittag stattfindenden Dienstbesprechung sowie weiterer Jour-Fix-Termine dazu keine kurzfristige Stellungnahme abgeben, heißt es aus dem Rathaus. Wie der Tageszeitung zu entnehmen ist, schließt das Rathaus am Montag, 22. Oktober, „wegen der Kirchweihmontagswanderung“ übrigens seine Pforten.
da Hog’n