Niederbayern. Der Wahlkampf um die Bayerische Landtagswahl geht in die entscheidende Phase. Da gilt es noch einmal jeden potenziellen Wähler vom eigenen Parteiprogramm zu überzeugen – und das funktioniert am besten, wenn die Wahlwerbung nicht nach Wahlwerbung „riecht“. Wie Recherchen von BR, Fränkischem Tag und Mainpost nahelegen, verteilen seit Monaten Mitglieder bayerischer AfD-Verbände den sogenannten Deutschland Kurier im gesamten Freistaat. Offiziell will die AfD mit dem Herausgeber des Blattes nichts am Hut haben – diverse Recherche-Ergebnisse deuten jedoch auf das genaue Gegenteil hin: Im Raum steht der Verdacht auf illegale Parteienfinanzierung. Der NGO „LobbyControl„ zufolge handelt es sich dabei um einen zweistelligen Millionenbetrag. Auch in Freyung, Waldkirchen, Tittling oder Hutthurm wurde das augenscheinlich AfD-freundliche Blatt offenbar bis vor Kurzem noch fleißig verteilt.
Noch im ARD-Sommerinterview vom Juli 2018 gab AfD-Parteichef Jörg Meuthen an, man habe mit dem Verein nichts zu tun. Und auch auf Nachfrage von ARD-Moderatorin Tina Hassel beteuerte dieser: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt je Kontakt zu diesem Verein gehabt.“ Ein Blick in die Vereinschroniken zeichnet jedoch ein anderes Bild: Herausgeber des Deutschland Kuriers ist der sog. Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten, vertreten durch David Bendels. Der Ex-CSU-Mann pflegt offensichtlich ein enges Verhältnis zur AfD und ist bereits zahlreich bei AfD-Veranstaltungen in Erscheinung getreten. Auch bei Wahlkampfveranstaltungen durfte er bereits ran: In NRW warb Bendels vom Podium aus für die Rechtsaußen-Partei und polterte etwa gegen „rot lackierte Nazihanseln“. Auch das AfD-Mitglied Josef Konrad, einstiger Schatzmeister beim AfD-Bezirksverband Oberfranken, war allem Anschein nach in dem Verein aktiv.
Hinter der Adresse des dubiosen Blattes steckt jedoch nicht mehr als ein Briefkasten, aufgestellt in Stuttgart-Degerloch. Im Hintergrund managt die Angelegenheit ein gewisser Alexander Segert, Lokalpolitiker der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und Inhaber der Schweizer Werbeagentur „Goal„, wie der PR-Berater in einem NZZ-Interview selbst angibt. Woher genau der Verein seine Einnahmen bezieht, weiß bis dato niemand – und auch der Vorsitzende Bendels will es offenbar nicht wissen.
Überschneidungen zwischen Wahlprogramm und Blattlinie
Dass eine Nähe zwischen AfD und dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ besteht, ist dabei wohl kaum von der Hand zu weisen. Allein 17 Gastbeiträge veröffentlichte der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der AfD-Niederbayern Stephan Protschka in Form einer Kolumne auf deutschland-kurier.org. Leitartikel aus der Chefredaktion lobpreisen die AfD regelmäßig in den Himmel. Unter dem Punkt „Wahlempfehlungs-Kampagne“ auf der Kurier-Homepage finden sich zudem Wahlplakate im AfD-Design und dem einschlägigen Slogan „Jetzt eine Alternative für Deutschand wählen“ zum Download. Ganz allgemein betrachtet, scheint es eine frappierende Ähnlichkeit zwischen Blatt- und Parteilinie zu geben.
Artikel wie der angebliche Faktencheck „Die 7 größten Lügen über die AfD“ oder „Absteiger CDU, Aufsteiger AfD“ legen jedenfalls große Sympathien zwischen Verlag und Partei nahe. Auch in Sachen Themensetzung scheint es große Überschneidungen zu geben: Gegen den „Einheitsbrei“ der „Mainstream-Medien“ und die „Political Correctness“ wolle man vorgehen, wie Bendels schreibt. Gegen die „Islamisierung“ und die „Asyl- und »Integrations«-Industrie“. Selbst die CSU sei offenbar nach Meinung des Kuriers eindeutig zu links.
Regelmäßig dürfen „der Zeit“ zufolge auch die Präsidentin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach, oder AfD-Politiker wie Corinna Herold, Guido Reil und Maximilian Krah für den Deutschland Kurier schreiben.
Ralf Stadler verteilt „jeden Sonntag 500 Stück“
Besonders angetan von dem Druckwerk mit den großen Lettern im Logo scheint der AfD-Spitzenkandidat im Wahlkreis Passau-Ost, Ralf Stadler, zu sein. Laut seiner Facebook-Seite (Screenshots siehe Galerie weiter unten; Stadler besitzt im Übrigen zwei FB-Profile) verteilt der AfD-Mann den Deutschland Kurier mindestens seit Mai dieses Jahres regelmäßig in regionalen Tankstellen oder Bäckereien.
Nach eigenen Angaben sind es „jeden Sonntag 500 Stück in Tittling, Fürstenstein, Neukirchen, Tiefenbach und Hutthurm“. Wie sich auf Hog’n-Nachfrage bestätigte, wurde das AfD-Jubelblatt auch an Tankstellen in Außernbrünst, Freyung und Waldkirchen verteilt. Die Tankstellenbetreiber selbst wussten eigenen Angaben zufolge teilweise nicht, dass die Zeitung in ihrer Filiale ausgelegt wurde. Man habe erst nach Medienberichten von deren Existenz erfahren – und sie sogleich entfernt.
Auf Hog’n-Nachfrage zum Thema Deutschland Kurier hieß es von Seiten Stadlers zunächst, er würde dazu nur schriftlich Stellung nehmen. Nachdem der daraufhin übersendete Fragenkatalog mehrere Tage unbeantwortet blieb, gab er auf erneute telefonische Nachfrage hin an, er wolle sich dem Onlinemagazin da Hog’n gegenüber nun doch nicht zum Thema äußern.
LobbyControl-Recherchen zufolge erhielt die AfD im Zuge des Bayernwahlkampfes Leistungen in zweistelliger Millionenhöhe – auch für Plakate und Anzeigen. Zudem sagte Deutschland Kurier-Chefredakteur Bendels laut BR der AfD für den Landtagswahlkampf eine Million Gratis-Exemplare zu. Gesetzlich müssen Parteispenden in Deutschland öffentlich gemacht werden, diese Finanzierung taucht nach Lobby-Control-Infos in den Rechenschaftsberichten der Rechtsaußen-Partei nicht auf, wie der BR berichtete.
Laut LobbyControl: Rund 13 Millionen Euro für die AfD
„Die AfD hat offenbar vielerorts eine Verteil-Logistik für das anonym finanzierte Wahlkampfmaterial organisiert“, erklärt Ulrich Müller von LobbyControl. Er spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten „Strohmann-Spenden“, also indirekte Wahlkampfspenden, die beabsichtigterweise nur schwierig also solche zu erkennen sein sollten. Die Organisation, die er einst mitbegründet hatte, spricht bayernweit von rund 13 Millionen Euro, die der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ der AfD im Zuge des Wahlkampfes indirekt habe zukommen lassen.
Johannes Gress
(Titelfoto: Logo Deutschland Kurier/WikiCommonsCC4/Saarschleife79)
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Auch bei uns ist seit Wochen wieder eine Politikerausstellung.
Loriot hat dazu gesagt:
„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“