Niederbayern. Innernzell, Neureichenau, Frauenau, Fürsteneck, Schönbrunn am Lusen, zuletzt Hauzenberg, nun Passau: Auf Anhieb fällt es einem wohl derzeit leicht, Orte zu nennen, in denen Personen vermisst gemeldet – und von der Polizei gesucht wurden. Freilich, zunächst einmal sorgen Abgängige für Gefühlsachterbahnen vor allem bei den unmittelbar Angehörigen. Meist ist es jedoch so, dass eine ganze Ortschaft, eine ganze Region mitleidet – und in der Folge mitsucht, wenn der/die Liebste verschollen ist. Gefühlt nehmen diese Fälle immer mehr zu – oder täuscht der Eindruck? Nachgefragt.
Der Schein trügt – zumindest wenn man die niederbayernweiten Zahlen als Maßstab nimmt. Auf Hog’n-Nachfrage teilt Kriminalhauptkommissar Günther Tomaschko, Sprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern mit, dass vor drei Jahren (2021) 1.154 Vermisstenfälle gemeldet worden sind. Ein Jahr später waren es 1.281, 2023 1.265. Von einem sprunghaften Anstieg, wie zunächst vermutet, kann also keine Rede sein. „Grundsätzlich wird gemäß den Erfassungsrichtlinien nur zwischen ‚Vermisstenfall geklärt‚ und ‚Vermisstenfall ungeklärt‚ unterschieden“, erklärt der Beamte auf die Frage, wie viele Abgängige wohlauf aufgefunden werden konnten.
2021 blieben in Niederbayern 59 Personensuchen ungeklärt, 2022 waren es 48, im Vorjahr 62. Wobei hier den Ausführungen Tomaschkos zufolge angemerkt werden muss: „Es wird darauf hingewiesen, dass die Anzahl ‚davon ungeklärt‚ auch das Verlassen zugewiesener Einrichtungen nach ‚Unbekannt‘ durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge enthält.“ Soweit zum trockenen Zahlenmaterial. Dass jeder einzelne Vermisstenfall zu einer Ausnahmesituation bei den Angehörigen, Freunden und Bekannten führt, ist den Polizeibeamten bewusst.
„Bei Minderjährigen ist von Gefahr für Leib und Leben auszugehen“
Es gibt natürlich gewisse Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, dass eine offizielle Öffentlichkeitsfahndung ausgeschrieben wird. Personen gelten als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben, ihr Aufenthaltsort unbekannt ist und für sie eine Gefahr von Leib und Leben angenommen werden kann (z.B. als Opfer einer Straftat, bei Unglücksfällen, Hilflosigkeit oder Suizidabsicht). „Nachdem Vermisstenfälle für alle Beteiligten eine psychische Belastung darstellen, wird genannte Regelungslage weit ausgelegt“, macht der Polizeisprecher deutlich – und ergänzt: „Bei Minderjährigen ist grundsätzlich von einer Gefahr für Leib oder Leben auszugehen, so lange keine anderweitigen Erkenntnisse vorliegen.“
Welche Maßnahmen bei der Suche genau ergriffen werden – also ob nur „Fuß-Polizisten“ zum Einsatz kommen, eigens ausgebildete Hunde oder gar ein Hubschrauber – entscheiden die verantwortlichen Ermittler von Fall zu Fall. „Eine grundsätzliche Aussage, wann eine Öffentlichkeitsfahndung ausgestrahlt wird, kann nicht getätigt werden. Dies hängt von der Bewertung im Einzelfall ab“, informiert Günther Tomaschko weiter.
Private Aktionen: „Suchmaßnahmen könnten behindert werden“
Bei Öffentlichkeitsfahndungen wird die Bevölkerung bewusst in die Suche nach Vermissten mit eingebunden. Und natürlich sind die Beamten dankbar, wenn private Suchaktionen organisiert werden – denn: Jeder Hinweis kann kostbar sein und Leben retten. Allerdings warnt der Sprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern auch: „Gerade größere Suchaktionen in schwer zugänglichem Gelände sollten professionell organisierten und routinierten Einsatzkräften überlassen werden.“
Tomaschko weist deshalb darauf hin: „Durch den gutgemeinten, aber unkoordinierten Einsatz von Privatpersonen könnten Suchmaßnahmen, wie zum Beispiel der Einsatz von Personensuchhunden, behindert oder durch Unfälle nicht organisierter Freiwilliger, beispielsweise infolge nicht geeigneter Ausrüstung, für die Suchmaßnahmen benötigte Einsatzkräfte unnötig gebunden werden.“
Helmut Weigerstorfer