Rastbüchl. Er war Olympiasieger und Weltmeister. Er war somit zu Beginn des Jahrtausends Aushängeschild des Skispringens, eines der „liebsten Kinder“ der Deutschen. Und nun hat er große Sorgen um seine gute Stube: Die Skisprung-Schanze in Rastbüchl (Gmd. Breitenberg) steht aus finanziellen Gründen vor dem Aus. „Diese Anlage ist etwas ganz Besonderes für mich, sie hat mich meine gesamte Sportler-Laufbahn begleitet“, macht Michael Uhrmann, der aufgrund seiner Erfolge zu den prominentesten Waidlern überhaupt gehört, deutlich. „Ihre Schließung wäre ein unheimlicher Verlust für den Nachwuchsleistungssport im Skispringen und für unsere Region. Kein Kind aus dem Bayerwald hätte dann noch die Chance, diesen tollen Sport auszuüben.“
Nachdem der erste Schock verdaut war, stellten sich Tage des Hoffens und Bangens ein. Bei den Dachverbänden, innerhalb der kompletten Wintersport-Szene des Bayerwaldes, beim WSV-DJK Rastbüchl, der die Baptist-Kitzlinger-Schanze betreibt, in der Gemeinde Breitenberg und auch bei Familie Uhrmann. Alois Uhrmann ist ein Urgestein des Vereins, er war jahrelang Vorsitzender. Seine Tochter Margit ist nun WSV-Chefin, Sohn Michael – neben Severin Freund – der erfolgreichste und bekannteste Athlet, der von Rastbüchl aus in die Weltspitze vordrang. Sie alle möchten nun verhindern, dass die letzte Stunde der 1967/68 erbauten Sportstätte geschlagen hat.
Bis zu 100.000 Euro jährlich – einfach zu viel
Zu diesem Kreis gehört ebenso Adolf Barth – auch wenn er der Auslöser vom Anfang des Endes der Sprungschanze sein könnte. Der 57-Jährige ist Bürgermeister der Gemeinde Breitenberg, die – wie wohl alle kleineren Kommunen – mit leeren Kassen zu kämpfen hat. „Die Ausgaben sind zuletzt explodiert“, macht Barth deutlich und meint damit allen voran die gestiegenen Preise im Energiesektor. Hinzu kämen kostenintensive Pflichtaufgaben im Bereich Wasser/Abwasser sowie Breitband, die demnächst gemeistert werden müssen. „Wir brauchen dafür einen Kredit“, gibt der 57-Jährige zu. „Um diesen zu bekommen, müssen wir unsere großen freiwilligen Leistungen zurückschrauben. Die Rechtsaufsicht will es so.“
Und zum kommunalen „Luxus“, den sich die Gemeinde im Landkreis Passau leistet, gehört eben auch die Baptist-Kitzlinger-Schanze im Ortsteil Rastbüchl. Mehr als 100.000 Euro jährlich bringt die Kommune für den laufenden Betrieb der Sportstätte auf – Tendenz steigend.
Einzelkämpfer Gemeinde
Demnächst müssten Gelder im „Millionenbereich“ (Barth) ausgegeben werden, um dringend nötige Sanierungen zu vollziehen. „Der Anlaufturm ist aus Holz – und verfault langsam. Das Präpariergerät ist in die Jahre gekommen. Der Asphalt auf der Zufahrtsstraße ist unter aller Kanone – und, und, und…“, zählt der Rathaus-Chef auf. „Zudem gibt es immer wieder neue Verordnungen der FIS, auf die man möglichst schnell reagieren muss.“
Was den Unterhalt der Schanze betrifft, sei die Kommune mehr oder weniger auf sich alleine gestellt. Einzig der Landkreis Passau stehe unterstützend zur Seite – jedoch nur mit „gedeckelten 35.000 Euro pro Jahr“. Auch dem WSV-DJK Rastbüchl könnte man keine Mehrausgaben aufbürden, „weil der Verein ohnehin sehr viel selber bezahlt, was er eigentlich gar nicht müsste“. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Finanzierung der Anlage ist – so wie derzeit aufgestellt – einfach nicht mehr möglich. Und Abstriche sind kaum umsetzbar. Denn: „Wenn wir beispielsweise bei der Beschneiung sparen, sind keine Wettbewerbe mehr möglich.“
„Ein ähnliches Aushängeschild wie der Kurort Bad Füssing“
Adolf Barth ist es wichtig zu betonen, dass die Gemeinde in diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren „nicht geschlafen hat – die Preisentwicklungen waren aber einfach zu krass“. Deshalb auch der Hilferuf der Gemeinde – sowohl, was die Pflichtaufgaben betrifft, als auch in Sachen Sprungschanze. „Das Thema ist inzwischen auf höheren politischen Ebenen angekommen“, weiß der Bürgermeister, der der Christlich-Parteifreien Wählergemeinschaft angehört. „Auch wenn die Anlage ein ähnliches Aushängeschild für den Landkreis Passau ist wie der Kurort Bad Füssing und hochgelobt und gepriesen wird, passiert bis dato nicht viel.“
Die Zeit drängt allerdings. Der laufende Betrieb könne derzeit nur Tag für Tag aufrecht erhalten werden. „Eine Schließung wäre ein Genickbruch für den WSV Rastbüchl und für ganz Niederbayern. Sie würde mir auch persönlich sehr weh tun. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.“
„Geht an Substanz“
Nach diesem Motto ringt auch besagter Wintersportverein derzeit um seinen baulichen Mittelpunkt – und somit seine Existenz. Freilich verstehe man die Gemeinde, man wolle auch die Kommune nicht als Hauptschuldigen an den Pranger stellen. „Die Schanze ist ein extremer finanzieller Aufwand“, weiß Andreas Schmid zu berichten. Der Zweite WSV-Vorsitzende ist momentan – wie seine Kollegin Margit Uhrmann – im medialen Dauereinsatz, der ihm und seinen Mitstreitern langsam aber sicher „an die Substanz geht“, wie er offen zugibt.
Deutschlandweit wird über das drohende Ende der Baptist-Kitzlinger-Schanze derzeit berichtet. Eine durchaus willkommene Aufmerksamkeit, um einen gewissen Druck auf die entscheidenden Stellen auszuüben. „Zu sagen, wir können uns die Anlage nicht mehr leisten, ist zu einfach“, macht Schmid deutlich. Immerhin sei sie ein „Aushängeschild und Alleinstellungsmerkmal.“
„Das Ende der Schanze wäre eine Katastrophe“
Regelmäßig würden die A-Kader-Teams aus Deutschland, Polen, Österreich und Italien in Rastbüchl trainieren und somit hervorragende Werbung für Breitenberg und den gesamten Bayerischen Wald machen. Selbst Weltcup-Rekordsieger Gregor Schlierenzauer sei schon oft zu Gast gewesen, um vor Ort seine Flüge zu optimieren. Allen voran stellt die Schanze für die Stars von Morgen die erste Anlaufstelle dar. Talente wie Max Friedberger haben von dort aus den Sprung auf die nächste Ebene – zum Beispiel ans Skigymnasium Berchtesgaden – geschafft. Deshalb ist Andreas Schmid überzeugt: „Ein Ende der Schanze wäre nicht nur für uns eine Katastrophe – die komplette Sportart würde darunter leiden.“
Während der Fußball mit Millionen-Beträgen nur so um sich schmeißt, wird im Wintersport ohnehin jeder Cent zweimal umgedreht. Zirka 5.000 Euro für Ausrüstung, Fahrtkosten und kleinere Posten bringt der WSV-DJK Rastbüchl während der Wintersaison monatlich selber auf. „Eigentlich wenig Geld im Vergleich. Aber wir müssen uns enorm strecken, um alleine diese Summe stemmen zu können.“ Zudem würde man ohnehin sparen, wo dies möglich sei – und beispielsweise lange auf Matten landen, um die Produktion von Kunstschnee zu verringern. Aber: „Wir sind an den Grenzen angelangt.“
Für die Lösung des Problems ist ein „Schulterschluss nötig“
Einen Buhmann gebe es aufgrund dessen aber nicht, wie Andreas Schmid noch einmal unterstreicht. Schon gar nicht sei es die Gemeinde, die den WSV-DJK Rastbüchl lange Zeit auf dieses Szenario vorbereitet hat – und „ohnehin alles tut, was möglich ist“. Man strebt dem Zweiten Vorsitzenden zufolge keine kleine Lösung an, die vielleicht einen kurzfristigen Fortbestand der Sportstätte sichert. Vielmehr soll ein langfristiger Betrieb gewährleistet werden. Schmid wird konkret: „Rastbüchl muss ein Landesleistungszentrum werden. Um das zu erreichen, ist aber ein Schulterschluss nötig – von BLSV, BSV, DSV und der Politik.“
Adolf Barth ist, wie bereits erwähnt, mit im Boot bei diesem Vorgehen. Auch Passaus Landrat Raimund Kneidinger hat seine Unterstützung dafür signalisiert, aus Rastbüchl einen Stützpunkt zu machen – u.a. mit einem Offenen Brief an Sportminister Joachim Herrmann. Entsprechende Hog’n-Fragen, wie der CSU-Politiker mit diesem Anliegen umzugehen gedenkt, hat die Pressestelle bisher nicht beantwortet. Auskunftsfreudiger zeigt sich hingegen Wolfgang Weißmüller, Geschäftsführer des Bayerischen Skiverbandes (BSV), der, wie der Bayerische Landessportverband (BLSV) mitteilt, auch für diese Organisation spricht.
„Standort muss erhalten bleiben“
Der 43-jährige hochrangige Sportfunktionär betont gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n, dass die Baptist-Kitzlinger-Schanze in Rastbüchl „absolut wichtig auf allen Ebenen ist – von Kindern über Schüler und Jugendliche bis hin zur Nationalmannschaft“. Die Anlage sei nicht eine von vielen, sondern befinde sich im „Konzept der aufsteigenden Schanzengrößen mittendrin“. Für Weißmüller, den BSV und somit auch den BLSV steht deshalb fest: „Der Standort muss erhalten bleiben. Und die richtige Lösung ist ein so genannter Landesstützpunkt. Ein neuer Begriff auf Basis der neuen Sportförderrichtlinien von Dezember 2022.“
Bisher gibt es jedoch keine genaue Definition, welche Kriterien genau einen Landestützpunkt ausmachen. Genauso wenig gibt es bis dato ein Antragsverfahren. „Wenn das alles in die Wege geleitet ist, muss ein Antrag gestellt werden. Der BSV wird alles dafür tun, dass dieser dann auch erfolgreich endet. Letztlich entscheidet aber das Innen – bzw. Sportministerium.“ Und was, wenn die bekanntlich langwierigen Prozesse in dieser Hinsicht zu lange dauern – und somit eine Entscheidung für Rastbüchl zu spät getroffen wird? „Wenn andere das auch tun, sind wir dazu bereit, in einen Übergangstopf miteinzubezahlen“, versichert Weißmüller.
Olympiasieger Uhrmann: „Es muss weitergehen“
Es besteht also doch noch Hoffnung für die Baptist-Kitzlinger-Schanze im Landkreis Passau. Sehr zur Freude des WSV-DJK Rastbüchl und vieler weiterer Beteiligter – allen voran Michael Uhrmann. „Es muss weitergehen“, wie der 1978 im benachbarten Wegscheid geborene Ski-Adler mit Nachdruck betont. Eine Ansage, die bestenfalls auch von den entscheidenden Stellen wahrgenommen wird – schließlich kommt sie nicht von irgendjemanden, sondern von einem ehemaligen Olympiasieger und Weltmeister, dessen sehnlichster Wunsch es ist, dass auch künftig Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, den Skisprung-Sport in Breitenberg zu betreiben, um vielleicht einmal in seine Fußstapfen zu treten…
Helmut Weigerstorfer