Herzogsreut. „De spinnand, owa dodal“ – ausdrücklich gehört haben Stefan Moritz (40) und Norbert Freund (45) diesen negativ ausgelegten Satz nur wenige Male. Beide wissen aber, dass sich viele Dorfbewohner (und auch die jeweiligen Familien) das eigentlich durchgängig gedacht haben. Jene Unkenrufe haben die beiden Freunde aber mittlerweile verstummen lassen. All die Kritiker haben sie mundtot gemacht. Denn sie haben das geschafft, was nur die Wenigsten tatsächlich geglaubt haben: Moritz und Freund haben aus einer scheinbaren Industrie-Ruine, einem viel gescholtenen Schandfleck, ein Aushängeschild gemacht. Und das innerhalb weniger Monate…
Die „Feuchter-Halle“, so wird das Objekt in Herzogsreut (Gmd. Hinterschmiding) genannt, war einst der wirtschaftliche Mittelpunkt der kleinen Ortschaft. 1969 erbaut, fanden in der dort untergebrachten Näherei bis Anfang der 1990er Jahre zahlreiche Dorfbewohnerinnen Arbeit. Und auch in den vergangenen gut 30 Jahren war der Fokus auf das Areal neben dem Hierbach gerichtet – jedoch nicht mehr im positiven Sinne. Denn das Gebäude verfiel nach und nach, wurde zudem von seinem Eigentümer regelrecht als Mülldeponie missbraucht. „Des Drum kannst nua na wegreiß’n“, lautete die einhellige Meinung.
Vorbesitzer baute Luftschlösser auf dem Grundstück
Stefan Moritz und Norbert Freund hingegen haben bereits seit Längerem das Potenzial in dem zusehends verfallendem Gemäuer erkannt. „Bereits vor vier, fünf Jahren haben wir die Halle besichtigt“, erinnert sich Erstgenannter. „Und schon da haben wir gesehen, dass sich die Substanz der massiven Betonträger in einem 1a-Zustand befindet.“ Der Inhaber allerdings sträubte sich gegen einen Verkauf. Er baute Luftschlösser auf seinem Grundstück, das währenddessen vor sich hinvegetierte. Erst nach seinem Tod kam der Stein wieder ins Rollen – wenn auch über Umwege. „Es gab einen weiteren Interessenten“, blickt Norbert Freund zurück. „Aber das war nicht der ausschlaggebende Grund, warum sich der Kauf hingezogen hat. Die Übergabe des Erbes gestaltete sich schwierig.“
Doch die beiden Freunde und Geschäftspartner ließen nicht locker. Freund, weil er aus betriebswirtschaftlich Sicht voll von dem Projekt überzeugt war. Moritz, weil er als Herzogsreuter auch das Erscheinungsbild seines Heimatortes verbessern wollte. Und nach langem Hin und Her waren sie an einem wichtigen Zwischenziel angelangt: Im Januar 2023 ging die Feuchter-Halle offiziell in ihr Eigentum über. Auskunft in Sachen Kaufpreis möchten sie nicht erteilen. „Wir haben Stillschweigen vereinbart“, erklärt Stefan Moritz dazu. Die Erst-Investition wird, so weit darf man sich aus dem Fenster lehnen, wohl unter dem liegen, was der 40-Jährige und sein Kompagnon Norbert Freund in den folgenden Monaten investiert haben – an Geld, Zeit und Mühen.
Über 200 Tonnen Müll abtransportiert
Denn der Status Quo zu Beginn des Jahres gestaltete sich schlicht und einfach katastrophal. Man konnte die Halle nur über einen Eingang, eine zuvor eingeschlagene Tür, betreten. Alle anderen Zugänge: verstellt. Ein Baum, der infolge eines Gewitters umgestürzt war, lag auf einem Teil des Daches. Die Fenster: demoliert. Rund um das Gebäude war so gut wie alles zu finden, was nicht dorthin gehörte. „Übelste Sorte“, erinnert sich Moritz. Mehr als 200 Tonnen Müll wurden abtransportiert. „Tatsächlicher Müll. Dinge, die man noch hätte verkaufen können, waren nur sehr wenige dabei.“
Bilder vor und während der aufwendigen Renovierungsarbeiten…
Als die Räume dann endlich entrümpelt waren, bestanden seitens Moritz und Freund keine Zweifel mehr: „Wir haben uns darin bestätigt gesehen, alles richtig gemacht zu haben.“ Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als die Halle komplett entkernt und von den Grundmauern auf neu aufgebaut wurde. Einen Betrag im „hohen sechsstelligen Bereich“ investierten sie dafür. Und dies zunächst einmal ins Blaue hinein. Denn: „Zunächst hatten wir keinen Mieter“, berichtet Freund.
Moritz und Freund haben ins Blaue hinein investiert
Erst im April dieses Jahres war die Frage der Nachnutzung geklärt und somit das Einkommen und der Fortbestand der eigens dafür gegründeten GbR gesichert. Drei Monate später war alles fertig – und die einstige Industrie-Ruine nicht wieder zu erkennen. Die Firma „Mobile Energietechnik“, zu deren Geschäftsführung Freund und Moritz gehören, ist nun darin beheimatet.
…und so steht die Halle heute da
„Es ist eigentlich alles nach Plan gelaufen“, sind Stefan Moritz und Norbert Freund froh. Angesichts vieler Unwägbarkeiten, die bei Bauvorhaben dieser Art fast schon mit dazu gehören, ein kleines Wunder. Intensive Monate liegen hinter den beiden Freunden. Der Stress und das investierte Geld haben sich aus ihrer Sicht jedoch am Ende gelohnt. Noch einmal betonen sie: „Wir haben alles richtig gemacht.“ Das erkennen inzwischen auch die Dorfbewohner und die jeweiligen Familien an. „De spinnand, owa dodal“ – ist inzwischen ausschließlich positiv gemeint…
Helmut Weigerstorfer