Frauenau. Drei Generationen haben im Schuhgeschäft Berndl nun insgesamt 100-jährige Firmengeschichte geschrieben. Sie haben aber auch den Wandel vom klassischen „Schuasta“ bis hin zum neuzeitlichen Verkaufsallrounder für Schuhe, Sportartikel und Outdoor-Fashion begleitet. Quasi als Quereinsteiger hat Johann Berndl (Jahrgang 1895) im Jahr 1923 diese Tradition begründet. Es verschlug ihn von der Pockinger-Gegend hinein ins Waldland, als reisenden Saisonarbeiter in der Landwirtschaft. So gesehen ein weiter Weg, vom Inn- ins Flanitztal. Wesentlich kürzer allerdings verlief die Umorientierung zum damaligen Schusterhandwerk.
Sein Enkel Johannes Berndl (60) – er leitet seit drei Jahrzehnten das renommierte Schuhfachgeschäft in der Au – kann viel von den Anfängen der Großeltern erzählen. „Als Wanderarbeiter auf Bauernhöfen war damals handwerkliches Geschick sehr gefragt. Ausbessern von Saum- und Sattelzeug, Näh- und Reparaturarbeiten mit Ledermaterialen waren da an der Tagesordnung. Der Opa landete jedenfalls draußen in Flanitz, auf einem Bauernhof, wo er seine spätere Ehefrau Katharina kennenlernte. Sie haben 1923 in Frauenau geheiratet, zogen im Auweg 8 ein und begannen dort, wo später Zahnarzt Burg über viele Jahre praktiziert hat, mit einer Schusterei“, berichtet er.
„Der Knödlhefa war jedenfalls immer prall gefüllt“
Damit stieß er zu damaligen Zeiten in eine regelrechte Marktlücke. Wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, den der Berndl-Opa heil überstand, kam auch in hiesigen Breitengraden die Wirtschaft wieder in Schwung. Nicht zuletzt auch deshalb, weil in nächster Umgebung eine moderne Industrieanlage, die Glasfabrik von Kommerzienrat Isidor Gistl, Gestalt annahm.
„Der Raum der Schusterwerkstatt war zwar anfangs beengt, aber es waren hier zu Spitzenzeiten zwanzig Leute beschäftigt. Sie gaben sich regelrecht die Türklinke in die Hand. Zehn kamen vormittags, zehn nachmittags. Alle konnten sich mit ihrer Schusterarbeit etwas Geld dazuverdienen. Sie arbeiteten in Eigenregie, kamen sogar aus Klingenbrunn oder Spiegelau. Sie reparierten für ihre Nachbarn oder Bekannten die Schuhe. Oma hat sie mittags bekocht. Zehn Personen kamen da meist zusammen. Der Knödlhefa war jedenfalls immer prall gefüllt“, weiß Johannes Berndl zu berichten. Er hat all diese Informationen aus den Erzählungen vom Vater, vom Berndl-Hans, der von 1956 bis 1993 zusammen mit seiner Gattin Diethild das Geschäft weiterführte, überliefert bekommen. Er selbst erlebte nur mehr die Anfänge des Jubeljahres mit, denn im Frühjahr ist er im Alter von 90 Jahren gestorben.
Hans Berndl war ein gelernter Schuster und legte seine Meisterprüfung im Schuhmacherhandwerk ab. Johannes präsentiert stolz dessen Meisterarbeit: ein Paar selbstgefertigte Fußballschuhe mit Lederstollen auf Metallstiften. „Die waren damals das Nonplusultra auf dem Fußballplatz. Aber auch seine Sprinterschuhe mit Spikes sind noch gut erhalten. Papa war übrigens ein guter Leichtathlet. Seine Bestweite im Weitsprung lag bei 6,80 Metern. Selbst Skischuhe der Marke Eigenbau habe ich noch von ihm geerbt. Die waren damals nur zum Schnüren und für die sogenannte Kandahar-Bindung konzipiert“, informiert Johannes.
„An die 300 Paar Gummistiefel gingen pro Jahr über den Tresen“
Im Jahr 1956 wagte sein Vater am jetzigen Standort, dem „Gürth-Eck“, wie die Frauenauer sagen, den Weg in die Selbständigkeit. Ein alter Schuppen musste weichen. Der Neubau bot Platz für einen großen Verkaufsraum sowie eine separate Schusterwerkstatt. Das Geschäft entwickelte sich prächtig. Das deutsche Wirtschaftswunder und der Tourismus hatten sicher auch Anteil daran. Im Vorfeld der Sommerolympiade 1972 in München wurde das Sortiment mit Sportartikeln und Sportbekleidung erweitert. Die Firmierung lautete von da an „Schuhe und Sportartikel Berndl“.
Der Schuhverkauf bildete freilich über Jahrzehnte hinweg den Schwerpunkt. Seit 70 Jahren gehört das Geschäft nun schon dem Markenverbund „Salamander“ und „Sport 2000“ an. Angegliedert war früher auch ein großes Gummistiefellager, denn das wasserdichte Schuhwerk war über viele Jahre hinweg ein wahrer Renner bei den Beschäftigten in der Glashütte sowie für Arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft. „An die 300 Paar Gummistiefel pro Jahr gingen da sicher jährlich über den Verkaufstresen. Da Bua braucht neue Schuah – diese Worte sind in all den Jahren unzählige Male gefallen“, weiß Johannes Berndl, der seit 1993 in dritter Generation die Firmentradition fortführt.
Als Textil-Betriebswirtschaftler sammelte er seine beruflichen Sporen auswärts, in Hauzenberg und Nagold, in Regensburg und Straubing. Im smarten Alter von 30 Jahren trat er dann die Nachfolge im Einzelhandelsunternehmen der Familie an. Unterstützung hat er seither von Ehefrau Helena erfahren sowie aktuell von Anita Kufner und Sabrina Rankl im Verkauf. Aber auch weitere Mitarbeiterinnen wie Edith Klostermann oder Gerti Oswald waren viele Jahre unverzichtbar.
Demnächst gibt’s einen großen Jubiläumsverkauf
„Wir sind heute breiter aufgestellt, als dies früher der Fall war. Die Bereiche Bequemschuhe und Wandern haben da sicher großen Einfluss. Parallel dazu die Outdoor-Mode, die unser jetziges Sortiment optimal ergänzt. Großer Dank gilt natürlich unseren treuen Kunden. Sie sind die Garanten, dass wir heuer das 100. Firmenjubiläum feiern können. Als Dankeschön gibt’s daher demnächst einen großen Jubiläumsverkauf“, informiert Johannes Berndl.
Heinrich Zens