Ruhmannsfelden. Auf seinem Schreibtisch steht nach wie vor die während der Corona-Pandemie „berühmt“ gewordene Glasscheibe, die beim direkten Gespräch die Übertragung von Viren verhindern soll. Dass Werner Troiber weiterhin in Besitz dieser „Trophäe“ ist, hat nichts damit zu tun, dass deren Abbau einfach vergessen wurde. Ganz im Gegenteil. Der 60-Jährige ist ein gebranntes Covid-Kind. Seine Frau hat es heftig erwischt, ihn ebenso. Der Respekt vor Corona ist deshalb nach wie vor groß.
Das Leben hat Werner Troiber geprägt. Nicht nur in privater Hinsicht. Auch die Erfahrungen, die er seit 2014 als Bürgermeister von Ruhmannsfelden hat sammeln dürfen, haben ihn zu einem anderen Menschen werden lassen. Das verwundert nicht bei bewusst gelockerten Radmuttern an seinem Auto, Drohbriefen und übersandten Todesanzeigen. Aufgrund dieser Geschehnisse wirkt das Ruhmannsfeldener Marktoberhaupt im Hog’n-Interview auf eine gewisse Art und Weise deprimiert…
„Ich bin ja doch einigermaßen populär“
Herr Troiber, gehen wir gleich in die Vollen: 2018 wollten Sie in den Landtag einziehen. Sie hatten also Ambitionen in Sachen „höhere Politik“ außerhalb der Gemeindegrenzen. Ist das weiterhin so?
(mit Nachdruck) Nein.
Warum haben Sie sich nicht für die Landratswahl zur Verfügung gestellt? Es gibt ja nicht unbedingt viele Kandidaten…
Das ist gar nicht mehr möglich – weil ich nach der Abstimmung über den Direktkandidaten 2018 vom CSU-Kreisverband Regen ausgetreten und nach Deggendorf gewechselt bin. Ich habe auch ganz bewusst nicht für den Regener Kreistag kandidiert, obwohl ich von mehreren Parteikollegen und einem ehemaligen Minister mehrfach deshalb kontaktiert worden bin. Ich bin ja doch einigermaßen populär. Nicht nur in Ruhmannsfelden, sondern auch im gesamten Landkreis, weil ich eine klare und direkte Ansprache pflege.
„Enttäuscht und gekränkt“
Ein Parteiwechsel ist nicht infrage gekommen?
Doch, ich habe dahingehend sogar länger überlegt. Zwei Parteien sind auf mich zugekommen. Eine Kandidatur in Sachen Landrat stand im Raum. Aber ich bin zu alt. Aus meiner Sicht sind mindestens zwei, drei Perioden nötig, um etwas gestalten zu können. Ich will etwas voranbringen. Seit ich 2014 zum Bürgermeister gewählt wurde, haben wir mittlerweile mithilfe des Gemeinderates die neunte Straße grunderneuert, die Schule saniert, einen Kunstrasenplatz gebaut, einen Naturweiher angelegt und vieles mehr. Derzeit wird u.a. der Bauhof neu gebaut und das Feuerwehrhaus saniert.
Die Wahl zum CSU-Direktkandidaten vor fünf Jahren endete extrem knapp. Letztlich hatte Max Gibis nur eine Stimme mehr als Sie bekommen. Ist die Enttäuschung deshalb nach wie vor da? Sind Sie beleidigt?
Beleidigt nicht, aber enttäuscht und gekränkt. Normalerweise hätte ich mehr Stimmen bekommen können, weil der Landkreis Regen mehr Delegierte hat. Doch scheinbar war ich nicht der Wunschkandidat. Aber das Thema ist vorbei. Das ist Vergangenheit.
Als Bürgermeister ist man „der gewählte Fußabstreifer“
Hat man als Bürgermeister nicht ohnehin mehr Einfluss, Gestaltungsmöglichkeiten und somit Macht als auf Landes- oder Bundesebene?
Auf alle Fälle. Man muss ganz klar sagen: Ein Bürgermeister kann gestalten. Ein Landrat nicht so sehr. Ein Bezirkstagsmandats-Träger kaum. Und sitzt man im Landtag, hat man noch weniger Einfluss. Politiker auf Landes- und Bundesebene sind im Endeffekt nur da, um ihre Partei bei Abstimmungen zu vertreten oder manchem Bürgermeister bei Problemen zur Seite zu stehen.
Warum will man dann eigentlich „nach oben“?
Es gibt doch noch Politiker, die nicht nur parteiintern alles mittragen, sondern auch eine eigene Meinung bilden. Was feststeht: Ein MdL kann einen Bürgermeister auf Kommnualebene unterstützen. Vor allem, wenn es um Kontakte und Verbindungen geht.
„Der Respekt ist weg“
Und spielt die persönliche Eitelkeit auch eine Rolle?
Kann schon sein. Aber ein Landtagsabgeordneter ist auch weniger angreifbar als ein Bürgermeister. Dieser muss immer unmittelbar seinen Kopf hinhalten, ist der gewählte Fußabstreifer. Und nach Corona ist das noch viel schlimmer geworden…
Erzählen Sie.
Naja, der Respekt vor den Mandatsträgern ist weg. Bei manchen Kollegen steht offensichtlich auf der Stirn geschrieben: ‚Ich bin Bürgermeister – mich kannst Du prügeln.‘ Das bitte genauso schreiben, weil es die Wahrheit ist…
Wie hat sich die Person Werner Troiber im Vergleich zum Amtsantritt 2014 verändert?
Corona hat die gesamte Entwicklung der Gesellschaft extrem beeinflusst. Das öffentliche Leben, das Vereinsleben, hat sich von den Lockdowns bis heute nicht vollkommen erholt. Der Kontakt zwischen den Menschen ist zum Teil weggefallen. Jeder sieht sich seitdem nur noch als Individuum. Motto: Nur das Meine ist wichtig, nicht das vom Nachbarn.
Erholt sich das Ganze wieder?
Ich denke nicht. Es zählen nur noch die eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten.
„Ich bin ein komplett anderer Mensch geworden“
Klingt deprimierend.
Das ist die Realität. Ein Beispiel: Wer hält heute noch die Wasserrinne neben der Straße sauber? Die Allerwenigsten. Früher war das freiwillige Pflichtaufgabe jedes Bürgers. Wir hatten sogar ehrenamtliche Straßenpaten, die die Organisation übernommen haben. Das waren vor allem ältere Mitbürger. Die sind gestorben und es haben sich keine oder kaum Nachfolger gefunden. Die junge Generation fordert überwiegend nur noch. Wenn beispielsweise der Rasen auf öffentlichen Flächen zu hoch ist. Es wird auch bei uns so werden, dass sich keiner mehr für ein Bürgermeister-Amt zur Verfügung stellt, weil – ganz einfach – keiner mehr will.
Warum?
Wegen der Verantwortung. Bei einem Minister ist es egal, wenn er Millionen in den Wind schießt. Ein Bürgermeister hingegen bekommt von allen Seiten Druck. Von oben etwa durch den Rechnungsprüfungsausschuss. Von unten durch die Bürger. Und aufgrund all dieser Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren gesammelt habe, bin ich ein komplett anderer Mensch geworden als 2014. Ich habe das meine miterlebt…
„Ich habe einen Verdacht“
Zum Beispiel die Sache mit den gelockerten Radschrauben?
Genau. Ich habe Drohbriefe und Todesanzeigen bekommen. Wer es war, weiß man nicht. Aber ich habe einen Verdacht. Den will ich aber nicht öffentlich sagen.
Offen gefragt: Sind sie amtsmüde?
Ich bin über 60 und arbeite seit meinem 15. Lebensjahr, habe also ausführlichst zum Bruttosozialprodukt unseres Vaterlandes beigetragen. Und vielleicht möchte ich dann auch irgendwann meinen Ruhestand genießen…
Fix ist aber noch nix, oder?
(schweigt und schmunzelt nur vielsagend)
Liegt es nicht in der Natur des Menschen, dass man sich etwas festfährt? Oder anders gefragt: Wie schwierig ist es, sich immer wieder neu zu erfinden und zu hinterfragen?
Man fährt sich nur dann fest, wenn man keinen Blick fürs Allgemeine hat. Und wenn man nicht offen ist für Neues. Ich bin viel unterwegs, habe viele Kontakte zu anderen Kommunen. Das heißt aber nicht, dass ich kopiere – ich füge nur logisch zusammen.
„Gerne 24/7 – aber manchmal geht es zu weit“
Waren Sie schon immer so?
Ja. Ich bin Teil einer Unternehmer-Familie. Stillstand gibt es bei uns nicht. Ich bin gerne 24/7 Bürgermeister. Doch ab und an geht es auch zu weit. Weil einem das oft negativ ausgelegt wird, wenn man zu sehr Gas gibt. Beispiel gefällig?
Gerne.
Wir haben in den vergangenen Jahren enorm viel Geld ausgegeben. Der Schuldenstand hat sich deshalb entsprechend erhöht. Die häufig genannten 1,3 Millionen Euro sind es gar nicht, weil ich seit mehr als einem Jahr auf 600.000 Euro bewilligten Zuschuss warte. Jetzt heißt es jedoch überall: Er hat Schulden gemacht.
„Sklaventreiber“ Handy
Hat er ja auch.
Ja, schon. Aber wir haben auch zirka 20 Millionen Euro investiert. Unsere Infrastruktur ist top für eine Gemeinde dieser Größe. Wir haben u.a. drei Allgemeinärzte, eine Zahnarztpraxis, einen Optiker, eine Internistin, Bäckereien, Metzgereien, Discounter, ein Steuerbüro. Aber die Leute sehen nur die Schulden. Traurig. Wir sind momentan die höchstverschuldete Kommune im Landkreis Regen in Sachen Pro-Kopf-Verschuldung. Aber wir verfügen auch, wie gesagt, über eine sehr gute Infrastruktur.
Dann ist es ja gut, dass sie in Regen wohnen – und somit auch örtlich mal abschalten können.
Ja, das stimmt. Wobei: Das hier ist der größte Sklaventreiber (deutet auf sein Handy).
Wie bekommt man eigentlich einen Zahnarzt in den Markt? Den lockt man ja nicht direkt mit Geld, oder?
Das stimmt natürlich. Mit den Finanzmitteln sorge ich dafür, dass grundlegende Dinge wie Straßenanbindung, Internet, Wasser, Kanal, aber auch das Erscheinungsbild des Ortes in Schuss sind. Dass dann ein Zahnarzt zu uns kommt, ist Überzeugungsarbeit. Hausieren, wenn man so will.
B11 und Ruhmannsfelden: „Die unendliche Geschichte“
Das einzige, was fehlt, ist ein Wirtshaus mit Saal.
Genau.
Locken Sie einen Gastronomen auch noch an?
Das weiß ich nicht.
Wäre das keine neue Aufgabe für Sie nach der Bürgermeister-Karriere?
(lacht) Nein. Ich rede zwar viel. Aber wenn, dann werde ich Trauredner.
Ruhmannsfelden liegt zentral zwischen Regen und Deggendorf. Die Verkehrsanbindung ist gut. Warum gelingt es dennoch nicht, Gewerbe anzulocken und somit höhere, dringend nötige Einnahmen zu generieren?
„Kein Happy End“
Ruhmannsfelden ist flächenmäßig die kleinste Kommune im Landkreis. Die Grundvoraussetzungen sind ideal. Es scheitert schlicht und einfach an der Fläche. Gott sei Dank haben wir viele mittelständische Betriebe, die auch die Pandemie gut überstanden haben. Die großen Fabriken hätten da vielleicht Probleme bekommen – und dann hätten wir jetzt ein Problem.
Gibt es denn viele Anfragen der Großindustrie?
Nein. Meiner Meinung nach orientieren sich deren Vertreter eher in Richtung Autobahnzubringer.
Apropos Verkehr: Die B11 und Ruhmannsfelden gehören zusammen. Seit jeher…
(unterbricht die Fragestellung) …die unendliche Geschichte… (schmunzelt)
„Die Westumgehung wäre für den Ort ein Segen“
…es gibt aber immer wieder Diskussionen um eine mögliche Ortsumfahrung. Was ist hier der Stand der Dinge?
Ich glaube nicht, dass es in dieser Amtszeit noch ein Happy End geben wird. Findet irgendwann einmal der Spatenstich statt, dauert die Bauphase wohl drei bis vier Jahre. Es könnte also schwierig werden für mich. Die Westumgehung wäre aber für Ruhmannsfelden ein Segen.
Warum?
Der Ortsteil Huberweid und der Ortskern sind durch die B11 zerschnitten. Durch die Anbauverbotszone im Trassenverlauf sind uns die Hände gebunden, obwohl wir teilweise schon ausgewiesenes Bauland hätten. Der Lärmschutz würde dann aber zur gigantische Aufgabe mutieren. Wäre die B11 weg mittels Umgehung, ist der Beginn des Baubooms nur eine Frage der Zeit.
„Eine tolle Werbung“
Ihre Prognose: Wann ist es soweit?
Meine Glaskugel ist momentan recht trüb, ich kann dazu nichts sagen (lacht).
Überregional bekannt ist Ruhmannsfelden auch aufgrund seiner Fußballer, die einst Bayernliga spielten und heuer wieder in die Landesliga aufgestiegen sind. Besteht die Gefahr, dass die Sportler zu dominant werden – und beispielsweise den Musikzug in den Schatten stellen?
Nein (überzeugt). In bin ein sehr glücklicher Bürgermeister, weil ich in diesem Zusammenhang einen sehr guten Gemeinderat habe. Im Gremium wird jeder Verein wertgeschätzt. Und das ist auch gut so. Freilich muss man aber auf die Feuerwehr, die eine Pflichtaufgabe erfüllt, ein besonderes Augenmerk legen. Darum sanieren wir auch auch das Feuerwehrhaus. Und natürlich ist es eine tolle Werbung, wenn aus ganz Bayern Fußballmannschaften zu uns kommen. Bevorzugt oder benachteiligt wird aber keine Organisation oder Verein.
„Die dummen Menschen sterben nicht aus“
Sorgen haben die Einwohner heuer um das Volksfest. Derzeit ist der Festplatz voll beladen mit Erde von den Bauarbeiten in der Bergstraße. Wie geht es hier weiter?
(Atmet tief durch) Eigentlich müsste ich sagen: Alles abgesagt! (schmunzelt) Auweh, dieses Thema… Da nervt mich ja die Frage schon. Aus einem Beinbruch wird nach und nach ein Schlaganfall. Und aus dem Schlaganfall mit dem Leidg’schmatz ein Todesfall (lacht). Die dummen Menschen sterben nicht aus. Ich kenne diese Gerüchte, natürlich. Aber keine Sorge, das Volksfest ist nicht in Gefahr. Und bevor das Thema noch weitergeht: Der Frostschutz, der jetzt noch oben liegt, wird nicht nur einfach so dort gelagert, sondern dient als neuer Untergrund des Festplatzes.
Dann auf ein friedliches Volksfest. Danke für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer