Bad Griesbach. „Was den Schutz unserer Kinder betrifft, steht dieser über allem und ist zu keinem Zeitpunkt verhandelbar, mit niemandem“, davon ist Huey Colbinger, Singer-Songwriter aus Bad Griesbach im Rottal, überzeugt. „Wer weg sieht oder gar vertuscht, macht sich mitschuldig.“ Mit seinem neuen Song „Von Propheten“ will der philosophische Freigeist und Vollblut-Musiker seinen Beitrag für die Prävention von Missbrauch durch Indoktrination sowie sexualisierte Gewalt gegen Kinder leisten.
Das Thema, das so gar nicht den allgemeingültigen Standards der Pop-Kultur entspricht, ist dem 46-Jährigen überaus wichtig, wie er im Gespräch mit dem Hog’n betont. Es ist ein Tabu-Thema, das zwar in den vergangenen Jahren mehr und mehr Enttabuisierung erfährt, jedoch immer noch am Rande der Gesellschaft präsent ist. „Jedes beschützte Kind ist eine gerettete Welt, deshalb: Brich das Schweigen, denn nur so wird die Macht der Täter gebrochen“, fordert der gebürtige Mittelsachse.
Zwischen Chanson und Kunstlied
„Uns Menschen umtreiben viele Gedanken, wir entwickeln und erlauben uns Meinungen zu Geschehnissen, die wir erleben, erlebt haben oder nur hörten und wir erachten etwas dazu zu sagen“, sagt Huey Colbinger und ergänzt: „Leider verlieren wir zu oft schon nach kurzer Zeit wieder das Interesse am faktisch Dokumentierten und dem Tatsächlichen, da es durchaus den eigenen Irrtum offenbaren kann und das bisherige Weltbild in seinen Grundfesten erschüttert. Das wiederum braucht Offenheit, Verbindlichkeit, Transparenz und Bereitschaft zur Aufklärung als die grundsätzliche, ganz klar zu erkennende und selbstbestimmte persönliche Haltung.“
Musikalisch bewegt sich „Von Propheten“ zwischen Chanson und Kunstlied mit einer Prise Americana und gründet in Colbingers persönlichem Stil mit Elementen aus Folk und Country. Die Stimme ist dabei klar mit kraftvollem, warmen Timbre und transportiert den textlichen Inhalt in seinem Anliegen direkt zum Zuhörer. Der ein oder andere dürfte sich an Reinhard Mey erinnert fühlen.
Der Song ist Colbingers künstlerischer Beitrag zur Unterstützung jener so wichtigen Präventionsarbeit und befasst sich im Besonderen mit der Manipulation durch jegliche Indoktrination und die große Gefahr von psychischem, physischem und spirituellem Missbrauch.
„Nicht verhandelbar, mit niemandem“
Huey: Berichte uns kurz, wie es zu Deinem neuen Song „Von Propheten“ gekommen ist.
Das Lied wurde inspiriert durch die Aufklärungs- und Präventionsarbeit der Selbsthilfegruppe „WegWeiser“ aus Bottrop, in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Der Gründer, Markus Elstner, sprach mich 2017 nach einem Konzert in Bottrop an und berichtete von seinem persönlichen Schicksal und dem daraus resultierendem Anliegen, das so wichtige und immer noch verdrängte Thema in unserer Gesellschaft und auch die systemische Perversion innerhalb von Institutionen noch stärker an die Öffentlichkeit zu bringen. Es dürfen nicht weiter durch Schweigen und Wegsehen Gräuel gegen Schutzbefohlene ermöglicht werden.
Ebenfalls kurz zusammengefasst: Worum geht’s in „Von Propheten“?
Um die Sensibilisierung gegen Indoktrinations- und Manipulations-Mechanismen und die Gefahren auf dem Weg von einer generellen Sinnsuche. Der Mensch ist frei geboren und hat seine Würde. Niemand hat irgendein Recht, diese zu nehmen. Nie und zu keiner Zeit. Das ist nicht verhandelbar, mit niemandem.
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder – ein sehr wichtiges, aber doch eher schweres Thema für einen Musiker. Warum hast du dich dennoch darum angenommen?
Weil es dieses Thema nun mal schlicht und ergreifend gibt und die Schicksale, von denen ich erfahren habe, können einen empathischen Menschen nicht kalt lassen. Durch dieses Lied habe ich die Möglichkeit, dem Thema einen Ausdruck zu verleihen und Betroffenen auch zu zeigen, dass es Menschen gibt, denen so etwas zwar nicht widerfahren ist, sie es dennoch nicht ignorieren und eine klare Haltung für Prävention und Gerechtigkeit dazu einnehmen.
„Alles ist eine Gewissensfrage“
Dein Song handelt von Emanzipation, Aufklärung und Mündigkeit. Wie sehr siehst du dieses Werte-Triumvirat in der heutigen Gesellschaft (noch) vertreten?
Es gibt auf jeden Fall Menschen in unserer Gesellschaft, die tun, was sie sagen. Die Frage ist jedoch, welche Motivation und wessen Interesse dem zugrunde liegt. Letztlich zeigt sich alles in den Taten der Akteure und Institutionen – und da braucht es nur den Mut hinzuschauen und vor allem auch den Charakter, den eigenen Irrtum einzugestehen. Ich persönlich gebe die Hoffnung nicht auf, weil sonst ist alles verloren. Hin und wieder kann man schon zu dem Schluss kommen, wenn man aufgehört hat, sich von den Oberflächlichkeiten täuschen zu lassen.
Insbesondere die Vertreter der Institution Kirche sind in den vergangenen Jahren immer wieder des Missbrauchs an Kindern überführt worden. Wie konnte es deiner Meinung nach soweit kommen? Und: Was muss getan werden, um dies künftig zu verhindern?
Darauf möchte ich mit zwei meiner Aphorismen antworten.
- „Die Integrität von Institutionen beweist sich einzig und allein in ihren Taten und nicht in ihrem eigenen Anspruch oder gar Glauben daran. Integrität ist eine Handlung und diese gilt es immer wieder zu überprüfen.“
- „Der Glaube öffnet dem Bösen die Tür zur Unschuld der Wahrheit. Die Ideologie lässt es hinein.“
Alles ist eine Gewissensfrage und das, was innerhalb der Kirche passiert, zeigt deutlich das Gegenteil seit nunmehr zwei Jahrtausenden. Dieses Thema ist tragischerweise ein generelles und gesamtgesellschaftliches Problem. Und die Frage, woraus unsere Gesellschaft besteht, kann sehr schnell die eindeutige Antwort bringen – und wenn es systemisch wird, dann haben wir alle versagt.
„Hoffnungsschimmer für mehr Gerechtigkeit“
Was möchtest du mit „Von Propheten“ als Musiker, als Mensch bewirken?
Zum einen Menschen, denen Schlimmes widerfahren ist, zu zeigen, dass sie verstanden werden und es klare Ursachen für eben all das gibt. Falls es auch noch gelingt, mehr Menschen zum aktiven Denken und zur Selbstreflexion anzuregen und sie eine klare Stellung zu belegten Ungerechtigkeiten einnehmen und das zu ihrer generellen aufrechten Grundhaltung machen, dann wäre es ein weiterer Hoffnungsschimmer für mehr Gerechtigkeit bei allem, was da noch kommt…
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer