Zwiesel. Ist Franz Xaver Steininger tatsächlich dienstunfähig? Und: Hat sich der Bürgermeister a.D. wirklich der Vorteilsnahme und des Bankrotts schuldig gemacht? Seit Frühjahr dieses Jahres beschäftigen diese Fragen nicht nur die Stadt Zwiesel und den gesamten Bayerwald, sondern auch und vor allem die Justiz. Die Ermittlungen in beiden Fällen laufen. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, bleibt offen. „Die strafrechtliche Sache hätte eigentlich am 22. Juni verhandelt werden sollen – ist aber verschoben worden. Die Gründe sind mir nicht bekannt“, erklärt das derzeit amtierende Stadtoberhaupt Elisabeth Pfeffer dazu.
Die 54-Jährige und Jens Schlüter (42) führen seit der Suspendierung von „FXS“ (12. April) in ihrer Funktion als Zweiter bzw. Dritter Bürgermeister die Geschäfte der Stadt Zwiesel. Und das so lange, „bis eines der beiden Urteile rechtskräftig ist“. Wird Steininger schuldig gesprochen, müsste innerhalb von drei Monaten neu gewählt werden. Gibt es einen Freispruch, darf er wieder seinen Posten einnehmen. Bis dahin kann allerdings – soweit darf man sich angesichts der langsam mahlenden Mühlen der Justiz aus dem Fenster lehnen – einige Zeit ins Land ziehen. Dessen sind sich Pfeffer und Schlüter bewusst, wie sie unter anderem im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n betonen.
„Offiziell gibt es keine Doppelspitze“
Frau Pfeffer, Herr Schlüter: Wer ist aktuell amtierender Bürgermeister der Stadt Zwiesel?
Elisabeth Pfeffer: Diese Frage lässt sich relativ leicht beantworten: Ich bin amtierende Bürgermeisterin. Bestimmte Projekte habe ich aber an Jens Schlüter abgetreten.
Hintergrund dieser zugegebenermaßen rhetorischen Frage: Warum wird Zwiesel nach dem Ausscheiden von Franz-Xaver Steininger von einer Doppelspitze geführt?
Elisabeth Pfeffer: Offiziell ist das gar nicht so. Offiziell gibt es keine Doppelspitze. Eine solche Konstellation ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Wenn man so will, bin ich die alleinige Spitze. Nachdem sich aber abgezeichnet hatte, dass die Suspendierung von Franz Xaver Steininger im Raum steht, habe ich Jens mit ins Boot geholt. Wir verstehen uns ohnehin gut. Wir vertrauen uns. Deshalb haben wir uns schon vor dem Tag X darüber unterhalten, wie wir es machen würden, sollte es soweit kommen. Jens und ich wären schlechte Vertreter der Bürger, hätten wir uns in dieser Hinsicht keine Gedanken gemacht. Letztlich haben wir uns dann darauf geeinigt, dass er mich unterstützen wird.
Jens Schlüter: Gut erklärt. Aber man muss vielleicht noch ergänzen, dass wir beide berufstätig sind. Wenn dann von heute auf morgen die Ansage kommt, man soll Bürgermeister sein, ist man froh, Hilfe zu bekommen. So ist dieses Amt auch besser mit dem Beruf vereinbar.
Elisabeth Pfeffer: Eine Rechtsaufsicht interessiert es zunächst nicht, ob jemand Zeit hat oder nicht. Es heißt nur: Der Stellvertreter muss übernehmen – nicht mehr und nicht weniger. Ich habe an einem Freitag um 12.06 Uhr, das werde ich nie vergessen, von der Suspendierung erfahren. Im ersten Moment wusste ich dann nicht, wie ich das alles managen soll.
Jens Schlüter: Es war auch unklar, wie lange diese Interimszeit dauern wird. Selbst jetzt wissen wir noch nicht, wann diese Phase endet. Deshalb war es gut, breiter aufgestellt zu sein.
Wie schaut dann der Tag von Ihnen beiden derzeit konkret aus?
Jens Schlüter: Elisabeth ist die hauptamtliche Bürgermeisterin. Bestimmte Themen wie die Sanierung des Schlachthofes oder der neue Pop-Up Store im Stadtzentrum sind meine Aufgaben.
Elisabeth Pfeffer: Jens übernimmt Sachen, die ihm nach Absprache einfach besser liegen als mir schmunzelt). Klingt einfach – und ist auch so (lacht).
„Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation“
Wer übernimmt welche Amtszeiten?
Elisabeth Pfeffer: In der Regel bin ich drei Tage pro Woche da, Jens zwei. Es sei denn, es stehen Termine oder Sitzungen an oder es gibt wichtige Dinge, die besprochen werden müssen.
Es läuft irgendwie also alles unter dem Motto „Krisenmodus“?
Elisabeth Pfeffer: Nein, so würde ich das nicht bezeichnen. Wir befinden uns in einer Ausnahme-, aber in keiner Krisensituation. Die Stadt Zwiesel ist voll geschäftsfähig. Wir schieben schon auch an und treffen zukunftsweisende sowie unpopuläre Entscheidungen. Kürzlich sind beispielsweise die Eintrittspreise für das Bad erhöht worden, was nicht unbedingt zu Jubelarien geführt hat.
Jens Schlüter: Unser Ziel ist es, Ruhe in die Verwaltung zu bekommen – und auch in die Stadt. Ich denke, das ist uns bisher gelungen.
Hört man das auch bestätigenderweise aus der Bevölkerung?
Elisabeth Pfeffer: Uns gegenüber wird niemand was Negatives sagen. Logisch. Aber: Man wird oft auf der Straße angesprochen, dass es schön sei, wenn aus dem Rathaus wieder positive Stimmung nach außen getragen wird.
Rein theoretisch regiert aber nicht der Bürgermeister, der von der Mehrheit gewählt worden ist.
Jens Schlüter: Elisabeth und ich haben gemeinsam auch viele Stimmen bekommen. Und außerdem hat uns der Stadtrat zu den Stellvertretern gewählt. Wir haben also durchaus unsere Legitimation.
Elisabeth Pfeffer: Auch im Krankheits- oder Urlaubsfall wären wir ja eingesprungen. So ungewöhnlich ist also die aktuelle Situation nicht – die Dramaturgie rund um die Steininger-Geschichte mal ausgeklammert.
„Man muss die Mitarbeiter einfach mal wieder arbeiten lassen“
Bleibt durch die aktuelle Konstellation nicht Einiges, vielleicht sogar Wichtiges liegen in einer Stadt, die ohnehin Nachholbedarf hat?
Elisabeth Pfeffer: Ein deutliches Nein.
Jens Schlüter: Sogar das Gegenteil ist der Fall. Vieles, das ursprünglich liegen geblieben war, ist abgearbeitet worden.
Was ist denn nun – ganz allgemein betrachtet – Stand der Dinge rund um Franz-Xaver Steininger?
Elisabeth Pfeffer: Er ist nicht anwesend, nicht greifbar, nicht erreichbar. Letztendlich sind die Verfahren auch seine Privatsache. Ich weiß also null. Seit April habe ich ihn erst zweimal gesehen. Einmal beim Joggen, einmal bei der Einweihung des Gustav-Kagerbauer-Stadions.
Jens Schlüter: Mir geht es ähnlich, werde aber regelmäßig von den Zwieselern darauf angesprochen. Vielleicht ist es deshalb mal ganz gut im Rahmen eines Interviews zu betonen, dass wir nichts wissen über das weitere Vorgehen gegen und von Franz Xaver Steininger. Wir werden nicht über den Verlauf der Ermittlungen informiert und wir fragen auch nicht nach. Das ist, wie Elisabeth schon gesagt hat, Privatsache.
Gibt es Sachthemen, bei deren Bearbeitung Sie gerne FXS kontaktieren würden?
Elisabeth Pfeffer: Nein. Die Verwaltung weiß meistens Bescheid. Wir haben hier gute Mitarbeiter im Rathaus. Man muss sie nur einfach mal wieder arbeiten lassen.
Jens Schlüter: Unter Steininger war das vielleicht nicht der Fall, aber: Man muss den Verwaltungsangestellten Vertrauen schenken und wissen, dass man Bürgermeister immer nur auf Zeit ist. Die Verwaltung funktioniert im Extremfall ohne Bürgermeister. Umgekehrt wird’s schwierig.
„Wir haben das persönliche Gespräch mit ihm gesucht“
Elisabeth Pfeffer: Es liegt in der Natur der Sache, dass ich mich als BWL’erin und Jens sich als Förster mit Bauangelegenheiten, im Ordnungs- oder Einwohnermeldeamt nicht im Detail auskennen. Es ist nur klug, aus diesem Grund auf Experten zurückzugreifen. Und diese sitzen hier direkt im Rathaus.
Eine Bayerwald-Stadt wie Zwiesel ist ein Dorf, man kennt sich untereinander. Deshalb: Was denken Sie beide über den Menschen Franz Xaver Steininger?
Jens Schlüter: Elisabeth und ich haben ihm mehrmals Gespräche angeboten. Erst kurz vor den Ereignissen im Frühling hat er dieses Angebot auch angenommen. Damals haben wir über Persönliches gesprochen. Der Inhalt bleibt vertraulich. Aber: Uns allen im Stadtrat hat die Geschichte rund um den Menschen Franz Xaver Steininger berührt. Das haben wir ihm auch persönlich so gesagt. Es lässt, denke ich, keinen kalt, wenn jemand, mit dem man fast täglich zu tun hat, solchen Anschuldigungen ausgesetzt ist.
Elisabeth Pfeffer: Es stehen ja zwei Vorwürfe im Raum. Zum einen die Dienstunfähigkeit. In dieser Angelegenheit musste ich ja die Sitzungen leiten, in denen darüber abgestimmt worden ist. Das lässt einem nicht kalt – auch wenn man politisch vielleicht nicht immer einer Meinung war. Es steckt aber das Schicksal eines Menschen dahinter. Das darf man nicht vergessen. Zum anderen die strafrechtlichen Ermittlungen: Diese betreffen ausschließlich die Privatperson Steininger.
Ist eine Rückkehr von FXS als Bürgermeister auf welche Art und Weise auch immer vorstellbar?
Elisabeth Pfeffer: Ob dann alles wieder so sein könnte wie zuvor – darüber möchte ich nicht urteilen. Feststeht: Es sind die Vorwürfe da. Erhärten sich diese nicht, ist Franz Xaver Steininger weiter gewählter Bürgermeister der Stadt Zwiesel.
„So schlecht war das Miteinander bei Weitem nicht“
Ist nicht allein der Vorwurf bereits zu viel, wenn man ein sensibles Amt wie das des Bürgermeisters inne hat?
Elisabeth Pfeffer: Schwierig. Vorgeworfen wird einem ja öfter was. Letztlich zählt nur das Urteil – und das fällt in diesen Fällen ein Gericht. Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht durchaus denkbar, dass FXS in sein Dienstzimmer zurückkehrt. Es ist sein gutes Recht.
Was entgegnen Sie denjenigen, die behaupten, durch die Feststellung der Dienstunfähigkeit hätte der aktuelle Stadtrat auf fragwürdige Art und Weise das geschafft, was er seit den vergangenen Wahlen vorhatte: FXS aus dem Amt zu bekommen?
Elisabeth Pfeffer: Es gibt in jedem Gemeinde- bzw. Stadtrat unterschiedliche Meinungen. Und so schlecht, wie es in der Öffentlichkeit immer dargestellt worden ist, war das Miteinander in unserem Gremium bei Weitem nicht.
Jens Schlüter: Es hat auch bei uns einstimmige Beschlüsse gegeben. Bei anderen Abstimmungen waren die Meinungen unterschiedlich. Beispiel: FNBW. Hier haben wir das Verhalten und den Umgang mit den Mitarbeitern seitens Franz Xaver Steininger überhaupt nicht verstanden. Das ist kein Geheimnis – und das haben wir ihm auch so gesagt.
Elisabeth Pfeffer: Wenn man so will, ist der größere Vorwurf der der Vorteilsnahme und des Bankrotts, wegen dem er schlussendlich auch suspendiert worden ist. Und mit dieser Klage hat der Stadtrat gar nichts zu tun.
„Mir wär’s auch lieber, wir müssen uns darüber nicht unterhalten“
Schwingt nicht doch auch etwas Genugtuung mit bei Ihnen, Frau Pfeffer, als Gegenkandidaten von FXS bei den vergangenen Wahlen? Und bei Ihnen, Herr Schlüter, als offensichtlicher Steininger-Kritiker?
Elisabeth Pfeffer: Nein (mit Nachdruck). Ich bin Demokrat. Steininger hat bei den Wahlen mehr Stimmen bekommen als ich. Und das muss man akzeptieren.
Jens Schlüter: Mir wär’s auch lieber gewesen, wir müssten uns hier nicht über dieses Thema unterhalten. Aber es ist nun mal so.
Nicht nur wegen dieser Angelegenheit macht Zwiesel quasi dauerhaft negative Schlagzeilen: Wann und wie kommt die Stadt endlich zur Ruhe?
Elisabeth Pfeffer: Ich bin so selbstbewusst und behaupte, dass in den vergangenen vier Monaten bereits Ruhe eingekehrt ist. Wir haben Positives nach außen transportiert, wir sind für die Presse erreichbar – und wir reden mit den Mitarbeitern in der Verwaltung.
Danke für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer