Freyung-Grafenau/Zwiesel. „Das ist Jahr für Jahr ein Schlag ins Gesicht und Herabwürdigung der Bevölkerung ländlicher Räume.“ Landrat Sebastian Gruber ist erbost. Grund für seine Aufregung ist das alljährlich erscheinende sog. „Schwarzbuch“. Darin blickt der Bund der Steuerzahler (BdSt) auf die Top 100 der bundesweiten Steuerverschwendungen. Darunter sind auch heuer wieder zwei Projekte aus dem Bayerischen Wald, die unter derselben Überschrift laufen. „Geplante Behördenverlagerungen werden Steuerzahler Millionen kosten“, fasst der BdSt die aus seiner Sicht sinnlos verprassten Steuergelder im Landkreis Freyung-Grafenau sowie in Zwiesel zusammen.

Zu den Top 100 der deutschlandweiten Steuerverschwendungen gehören dem Schwarzbuch zufolge auch die Behördenverlagerungen nach Freyung-Grafenau und Zwiesel. Screenshot: schwarzbuch.de/da Hog’n
Konkret meint das Schwarzbuch damit die Gründung eines neuen Verwaltungsgerichtes mit 40 Mitarbeitern in FRG sowie die Verlegung von 300 Finanzbeamten nach Zwiesel. „Diese beispielhaft genannten Behördenverlagerungen sind zwar ein starkes Signal, dass die schwächsten Landkreise im Freistaat Bayern unterstützt werden sollen. Allerdings ist zu hinterfragen, ob durch Behördenverlagerungen schwache Regionen tatsächlich gerettet werden können und einer Abwanderung langfristig entgegengewirkt werden kann. Auch aus der öffentlichen Verwaltung selbst wurden gegenüber dem Bund der Steuerzahler Bedenken und Befürchtungen geäußert, dass durch Behördenverlagerungen bisher gut funktionierende Verwaltungen geschwächt werden könnten“, wird als Begründung im entsprechenden Beitrag auf schwarzbuch.de angeführt.
Gruber: Behördenverlagerung bringt nicht nur Arbeitsplätze mit sich
Diese Einordnung kritisiert Freyung-Grafenaus Landrat im Rahmen einer Pressemitteilung vehement. „Bisher bin ich davon ausgegangen, dass der Bund der Steuerzahler alle Steuerzahler vertritt. Liest man aufmerksam das sog. Schwarzbuch, entsteht von Jahr zu Jahr vermehrt der Eindruck, dass es der Bund der Steuerzahler nicht ausschließlich und zurecht auf überteuerte Prestigeprojekte abgesehen hat. Stattdessen stürzt sich der Bund der Steuerzahler vollkommen deplatziert auf wichtige, nachhaltige, strukturpolitische Entscheidungen.“ Sebastian Gruber ist es bewusst, das Behördenverlagerungen kein Allheilmittel seien. Gleichzeitig sind sie seiner Meinung nach aber ein „wichtiger und unverzichtbarer Baustein für ländliche Regionen.“ Ansiedlungen von Behörden würden nicht nur Arbeitsplätze schaffen, sondern auch weitere positive Effekte nach sich ziehen – u.a. hinsichtlich Kaufkraft, Wertschöpfung vor Ort, Stärkung der bestehenden Infrastruktur, gesellschaftliches Engagement.

FRG-Landrat Gruber: „Der Bund der Steuerzahler stürzt sich vollkommen deplatziert auf wichtige, nachhaltige und strukturpolitische Entscheidungen.“
„Der Bund der Steuerzahler beruft sich dabei auf Aussagen aus der öffentlichen Verwaltung, wonach Bedenken und Befürchtungen geäußert wurden, dass durch Behördenverlagerungen bisher gut funktionierende Verwaltungen geschwächt werden könnten. Da hat der Bund der Steuerzahler wohl nur Beamte gefragt, die sich an den bisherigen Standorten nachvollziehbarerweise wohl fühlen. Der Bund der Steuerzahler wäre gut beraten, auch diejenigen Beamten zu fragen, die aus dem Bayerischen Wald stammen, an irgendwelchen Dienstorten im Freistaat arbeiten und gerne wieder in die Heimat zurückkehren wollen. Auch das sind Steuerzahler, die aber offensichtlich den Bund der Steuerzahler nicht interessieren“, so Gruber abschließend.
Wir haben auch Zwiesels Bürgermeister Franz-Xaver Steininger um eine Stellungnahme zu diesem Thema gebeten. Eine Rückmeldung blieb bis dato aus.
da Hog’n
Es ist sehr schade ,dass der Bund der Steuerzahler die raumordnungspolitisch so wichtigen Behördenverlagerungen in den ländlichen Raum recht oberflächlich und billig kritisiert ,ohne sich intensiver mit den positiven Folgen der Behördenverlagerungen zu beschäftigen (u.a. Gründung von Start ups , Ansiedlung junger Familien , neue hochqualifizierte Arbeitsplätze für junge Menschen aus der Region ,Imagegewinn, Stärkung des Selbstbewusstseins etc).Gerne hätten wir den Verfassern der Kritik mit unserer Kompetenz und positiven Hinweisen auf Beispiele in anderen deutschen und europäischen Ländern ausgeholfen – wenn sie uns gefragt hätten!Denn das Thema ist ja nicht neu.
Behördenverlagerung ist nicht allein ein ökonomisches Rechenexempell! Es geht um Gleichwertigkeit und räumliche Gerechtigkeit – auch und gerade für den Bayerischen Wald!
Univ.Prof. Dr. Holger Magel
Ehrenpräsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum und MItglied der Enquetekommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“