Bad Füssing. Das Hotel- und Gastgewerbe ist neben der Kunst- und Kulturszene wohl diejenige Branche, die von Corona am meisten betroffen ist. Diesen Eindruck teilt auch Christian Holzapfel, Geschäftsführer des gleichnamigen Bad Füssinger Wellness- und Thermenhotels, das vor mehr als 70 Jahren im einstigen Weiler Füssing in der Gemeinde Safferstetten von Großvater Josef Holzapfel als Gasthaus seinen Anfang nahm und im Laufe der Jahrzehnte Stockwerk um Stockwerk erweitert wurde.
Im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n berichtet der 33-Jährige von den Auswirkungen der Coronakrise auf den Hotelbetrieb, die aktuelle Auslastung der beiden Holzapfel-Häuser sowie das Buchungsverhalten der Gäste. Zudem übt er Kritik an der seiner Meinung nach zu kurzfristigen Bekanntgabe eines Hygienekonzepts durch die Staatsregierung und daran, dass die Bewerbung der Wiedereröffnung zu spät und zu wenig intensiv vorangetrieben wurde. Sein Wunsch für die Zukunft: „Dass wieder alles so wird wie vor Corona.“
Herr Holzapfel: Welche direkten Auswirkungen hatte Corona auf den Betrieb Ihres Hotels? In welchen Bereichen war die Krise unmittelbar spürbar?
Die Auswirkungen sind groß. Unser Hotel war zwölf Wochen lang geschlossen – ein betriebswirtschaftlicher Schaden, der anfangs nicht absehbar gewesen ist. Wir sind davon ausgegangen, dass wir nicht so lange zusperren müssen und rechneten damit, dass wir Ostern wieder öffnen können. Ab 30. Mai war es dann offiziell wieder erlaubt Touristen aufzunehmen. Wir haben am 5. Juni wieder aufgesperrt, waren somit bei den ersten Füssinger Hotels mit dabei.
„Die Leute hatten während des Lockdowns genug Ruhe“
Wir waren in der Hochphase der Krise stets in engem Kontakt mit den Kollegen – ein positiver Nebeneffekt übrigens, weil wir Hoteliers mehr zusammengewachsen sind. Der Gedanke „Gemeinsam schaffen wir mehr“ hat sich bei vielen verstärkt, etwa was gemeinsame Werbeaktionen anbelangt, um wieder Gäste nach Füssing zu holen. Es war jedenfalls wichtig, dass nicht nur die Hotels wieder eröffnen, sondern auch die Restaurants.
Wie schaut es aktuell bei den Buchungen aus? Trauen sich die Leute wieder nach Bad Füssing?
Wir haben das Thema Wohlfühlen, Entspannen, Ruhe, Baden, Gesundheit – und ich denke, die Leute hatten während des Lockdowns genug Ruhe. Sie wollen jetzt raus in die Natur, in die Berge, an die Seen und ans Meer. Das heißt: Diese Gegenden profitieren gerade etwas mehr vom langsam wiederkehrenden touristischen Aufschwung.
Wir haben hier tolle Radwege mit großem Radwegenetz. Ich selbst bin mit meiner Familie in der Corona-Zeit oft im Kurpark oder am Inn spazieren gegangen. Das tut gut – und die Gäste, die hier sind und um diese Freizeitmöglichkeiten wissen, schätzen das auch sehr. Diese Angebote gilt es nun einem noch größeren Publikum schmackhaft zu machen. Es gilt, den Besuchern zu vermitteln, dass bei uns auch das Umland seine Reize hat, man bei uns schöne Ausflüge in die Natur machen kann.
Das Buchungsverhalten ist – im wahrsten Sinne des Wortes – noch sehr verhalten. Wir haben viele Stammgäste, die höheren Alters sind und sich noch nicht trauen hierher zu kommen. Das geht oftmals auch von deren Familienangehörigen aus, die sich Sorgen machen. Wir versuchen gerade eine andere Zielgruppe anzusprechen, was recht gut funktioniert: jüngere Leute zwischen 30 und 45, aus einem Umkreis von rund 200 Kilometern, die zwei, drei Tage hier bleiben wollen. Doch das ist eben alles sehr kurzfristig. Ich kann heute nicht sagen, welche Belegung wir in zwei Wochen haben.
„Es bedarf auch eines erhöhten Werbeeinsatzes“
Ist der Preis auch eine Stellschraube, um etwa mit günstigen Angeboten die Leute ins Holzapfel zu locken?
Das ist bei uns nicht der Fall. Wir haben uns ganz bewusst gegen eine Preissenkung entschieden. Das Angebot mussten wir freilich gerade zu Beginn der Wiedereröffnung etwas zurückschrauben, mussten step-by-step alles langsam wieder hochfahren, etwa im Wellness-Bereich, in der Sauna, bei den Becken. Wir wollten bei den regulären Preisen bleiben. Wir verlängern zwar die Nebensaison, aber direkte Preisnachlässe betrachte ich in dieser Zeit als kontraproduktiv und nicht zielführend, weil die Preise einerseits ja so kalkuliert worden sind, dass wir davon leben können, und andererseits in bestimmten Bereichen deutlich höhere Kosten für Desinfektionsmittel, Handschuhe, Masken etc. auf uns zukommen.
Wie gestaltet sich die aktuelle Auslastung des Hotels Holzapfel?
Wir hatten im Juni 60 Prozent weniger Gäste als im Vorjahr. Der Juni war sehr schwierig. Im Juli kommen wir relativ nah ans Vorjahr ran, da können wir zufrieden sein. Aber es bedarf auch eines erhöhten Werbeeinsatzes. Wir dürfen ohnehin nicht mehr als 65 Prozent der Betten belegen, weil wir sonst im Restaurant die nötigen Abstände nicht einhalten können.
Die derzeit kommissarische Kurverwaltungschefin Birgit Kreuzhuber-Zöls hatte Anfang Juli im Hog’n-Interview von einem Hotelier berichtet, der sehr gut ausgebucht sei und bei dem steigende Nachfrage herrsche.
Dem kann ich nicht zustimmen. Es mag sein, dass es Einzelnen so ergeht, aber die Mehrheit der Betriebe haben immer noch gewaltig zu knabbern in Sachen Auslastung. Die fast drei Monate Ausfall müssen kompensiert werden. Um alles wieder auf den Stand des Vorjahres zu bekommen, müssten alle ja fast zu einhundert Prozent belegt sein, was ohnehin saisonalen Schwankungen unterliegt. Das geht ja gar nicht. Die Unterstützung und das Verständnis von Seiten der Stammgäste war durchaus vorhanden. Doch die Mehrzahl hat bei den Buchungen verhalten reagiert. Feststeht: Es läuft zwar alles wieder an, ja – aber wir dürfen uns nicht ausruhen.
„Es war definitiv viel zu kurzfristig“
War es sehr aufwendig ein entsprechendes Hygienekonzept auf die Beine zu stellen?
Sagen wir’s mal so: Es war umsetzbar. Aber es war definitiv viel zu kurzfristig. Das Hygienekonzept für die Innen- und Wellnessbereiche, das nicht nur unser Haus, sondern vor allem auch die Therme Eins betrifft, wurde von Ministerpräsident Söder sehr knapp vor einer möglichen Wiedereröffnung bekannt gegeben. Nur drei Tage vor der erlaubten Wiedereröffnung jener Bereiche haben wir per Mail das geforderte Hygienekonzept überhaupt erst zugesandt bekommen.
Wir mussten innerhalb weniger Tage das Konzept durcharbeiten und unsere Mitarbeiter schulen. Wir mussten zudem Masken, Desinfektionsmittel, Spender etc. bestellen. Da herrschte ehrlich gesagt großes Unverständnis, denn: Ob es nun in zwei Wochen, in sechs Wochen oder in drei Monaten der Fall sein wird – ich weiß doch als Behörde heute schon, dass irgendwann beispielsweise Bars und Discotheken wieder öffnen dürfen. Irgendwann. Dann kann ich mir doch zum heutigen Zeitpunkt bereits ein Konzept überlegen, das besagt: Wenn die Fallzahlen unter diese oder jene Hürde fallen, dann dürft ihr am 30. September 2020 eure Discotheken und Bars wieder aufmachen – und zwar unter gewissen Auflagen. Es muss doch möglich sein, solche Konzepte im Voraus an den Mann oder die Frau zu bringen, damit diese sich längerfristiger vorbereiten kann.
Wie sieht es in Sachen Personal aus? Mussten Kündigungen ausgesprochen werden? Kurzarbeit?
Kündigungen gab es keine. Wir haben unsere 75 Mitarbeiter größtenteils in Kurzarbeit geschickt. Das ist durchaus einschneidend, wenn man von heute auf morgen mit nur mehr 60 Prozent des Lohnes auskommen muss. Aber unsere Mitarbeiter haben durchwegs vollstes Verständnis in dieser prekären Lage für uns Geschäftsführer aufgebracht – und alle sind zuversichtlich geblieben, dass auch wieder andere Zeiten kommen. Das hat auch uns in gewisser Weise berührt. Wir sind ein Familienbetrieb, den es seit 1949 gibt. Das war für uns eine heftige Situation, in der Personalversammlung zu verkünden: Wir sperren zu. Das erste Mal überhaupt. Ungewollt.
Sehen Sie die Entwicklung Ihres Hotels aufgrund von Corona längerfristig ausgebremst?
Wir befanden uns gerade in der Planung für den großen Umbau, nächstes Jahr im Januar wär’s losgegangen mit der Kernsanierung und der Erweiterung des Wellness-Bereichs in beiden Häusern. Durch die Coronakrise sind diese Investitionen vorerst auf Eis gelegt, weil die Gesamtsituation zu unsicher ist. Als Unternehmer gibt es momentan zu viele nicht kalkulierbare Unwägbarkeiten.
„Das ist meinem Erachten nach versäumt worden“
Inwiefern ist das Hotel Holzapfel – wie auch alle anderen Füssinger Hotels – abhängig von der Kurverwaltung, deren Aufgabe es ist den Ort als Ganzes weiter zu entwickeln?
Letztlich ist jeder Betrieb für seine Belegung selbst verantwortlich. Natürlich ist es von Vorteil, wenn man sein Hotel in einem touristisch so erfolgreichen Ort wie Bad Füssing angesiedelt hat, in dem eine touristische Institution dahinter steht und mit Attraktionen wie etwa dem Kulturfestival jährlich viele Menschen anlockt. Aber es wird in der jetzigen Situation nicht in dem Maße geworben, wie wir uns dies alle wünschen. Das Werbe-Budget hätte in der aktuellen Lage meiner Meinung nach massiv erhöht werden sollen. Viel frühzeitiger, spätestens im Juni, hätte Bad Füssing wieder massiv in die Werbung einsteigen müssen, um die Gäste wieder in den Ort zu holen. Das ist meinem Erachten nach versäumt worden.
Ein weiteres Problem dabei: Mit dem Weggang von Rudi Weinberger ist dem Ort ein hohes Maß an touristischer Netzwerk-Kompetenz verloren gegangen – und das zu einem überaus ungünstigem Zeitpunkt, nämlich mitten in der Coronakrise. Zweifelsohne war die Zusammenarbeit mit der Kurverwaltung in den vergangenen Jahren stets sehr gut.
Die nun neu zu besetzende Stelle des Kur- und Tourismusmanagers wurde erst vor wenigen Tagen offiziell ausgeschrieben. Das hätte bereits eher geschehen müssen, denn die Stelle wird wohl nicht vor Ende des Jahres besetzt sein. Die Einarbeitungszeit kommt dann noch oben drauf…
Stichwort „Urlaub dahoam“: Wie bewerten Sie diesen Nebeneffekt der Corona-Krise?
Darauf setzen wir jetzt. Bayern hat so viele schöne Ecken. Der Urlaub dahoam ist bei den Gästen sehr gefragt. Wir bekommen Rückmeldungen wie: Jedes Jahr fahren wir nach Bibione, doch heuer kommen wir zu euch. Wobei Regionen wie der Bayerische Wald mit seinen Wandergebieten und der vielen Natur wohl etwas mehr davon profitieren.
„Denke nicht, dass jeder auf einem großen Geldberg hockt“
Inwiefern sehen Sie den Staat in der Pflicht, Hotels und Kurorte durch finanzielle Mittel zu unterstützen bzw. sogar zu retten? Oder geht es nun in erster Linie darum mit eigenen Ideen wieder auf die Füße zu kommen?
Es liegt immer am Betrieb selbst, dass dieser wieder auf die Füße kommt. Es bedarf aber auch – nach wie vor – einer gewissen staatlichen Unterstützung. Es hat viele Programme gegeben, unter anderem die Soforthilfe, die auch wir in Anspruch genommen haben, oder, wie jüngst verabschiedet, die Überbrückungshilfe – wobei davon vermutlich die wenigsten Betriebe die volle Summe ausschöpfen können: Denn dazu müssen sie im Zeitraum Juni bis August mehr als 70 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr nachweisen. Für Clubs, Bars und Discotheken, die seit März komplett geschlossen haben, dürfte das die große Rettung sein – aber für die Hotellerie nur bedingt.
So mancher denkt sich: „Bad Füssing, das Land, in dem Milch und Honig fließen. Die Hotels und Gastronomien haben jahrzehntelang vom Tourismus und vom Kurgeschäft im hohen Maße finanziell profitiert. Wie kann es sein, dass es nach nur drei, vier Monaten Lockdown bei vielen nun Spitz auf Knopf steht? Die müssen doch was auf der hohen Kante haben! Hatten die denn keine Rücklagen gebildet?“ Was entgegnen Sie diesen Stimmen?
Wir hatten in den vergangenen Jahren gute Zahlen, das stimmt. Aber es wurde sehr viel von Seiten der Betriebe, die nun wirklich top dastehen, in die Hotels investiert. Das Holzapfel hat folgenden Turnus: Alle viere Jahre machen wir größere Investitionen, alle zwei Jahre dann kleinere. Wir haben 2016 den Erdgeschoss-Bereich im Traditionshaus kernsaniert und das Restaurant umgebaut. 2018 kam ein Aufzug hinzu, mehrere Zimmer wurden renoviert. Investitionen wie diese stehen auch bei den Kollegen an. Ich denke deshalb nicht, dass jeder auf einem großen Geldberg hockt. Sicher: Diejenigen, die gute Rücklagen haben, stecken die Krise besser weg.
„Vor dem Virus sind wir nicht gefeit“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
(lacht) Dass wieder alles so wird wie vor Corona. Dass der Ort weiter floriert und wir nach wie vor hohe Besucherzahlen haben. Vor dem Virus sind wir nicht gefeit – wir werden’s heuer nicht wegbringen und auch nicht nächstes Jahr. Selbst wenn es einen Impfstoff geben sollte, rennen keine 80 Millionen Deutsche zum nächsten Doktor und lassen sich impfen.
Die ersten drei Wochen des Lockdowns waren für mich psychisch sehr belastend. Es sind schwierige Zeiten, die einen fordern – und die einen aber auch schätzen lernen lassen, dass die letzten Jahre sehr gut waren. In dieser Phase sind aber auch neue Ideen entstanden und man ist etwas zur Ruhe gekommen. Ich versuche mir künftig zu bewahren, dass ich mir selbst einen gewissen Freiraum nehme, um wieder kreativ zu werden.
Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Stephan Hörhammer