Bad Füssing. „Bad Füssing allein funktioniert nicht“ – eine Aussage, mit der Kurdirektor Rudi Weinberger und Bürgermeister Alois Brundobler im ersten Teil des großen Hog’n-Interviews die Wichtigkeit eines attraktiven Umfelds für den Kurort betonen. Es geht nur über das große Ganze – nicht über Füssing allein. Zu diesem Umfeld gehört im weiteren Sinne auch der Bayerische Wald mit seinen touristischen Anziehungspunkten, von denen auch der Gast im Bäderdreieck profitiert. Im zweiten Teil werfen Brundobler und Weinberger unter anderem einen Blick auf den Tourismus im Woid sowie die Ambitionen ausländischer Investoren im Kurort Bad Füssing. Die beiden sind überzeugt: Brundobler und Weinberger sind überzeugt: „Gesundheit und Erholung wird unsere Zukunft sein. Wir müssen es schaffen, die ‚heile Welt‘ Natur etwas greifbarer und erlebbarer zu machen.“

Zwei wie Pech und Schwefel: Kurdirektor Rudi Weinberger (links) und Bad Füssings Bürgermeister Alois Brundobler ziehen seit vielen Jahren an einem Strang.
„Marke Bayerischer Wald wird wieder belebt – das ist gut so“
Herr Brundobler, Herr Weinberger: Wie beurteilen Sie den Tourismus im Bayerischen Wald?
Rudi Weinberger: Der Bayerische Wald war einmal – neben Österreich – die beispielhafteste Urlaubsregion mit einer hervorragenden touristischen Entwicklung. Nicht umsonst ist Steigenberger mit zwei Hotels im Woid vertreten gewesen. Da es dem Bayerischen Wald lange Zeit sehr gut gegangen ist, hat man in Sachen Tourismus aber dann viel schleifen lassen. Manche Dinge wurden schlichtweg verschlafen, es wurde nicht in Qualität investiert. Das kurze Übernachtungszahlen-Hoch nach dem Mauerfall hatte dazu beigetragen, ein bisschen von der rückwärtigen Entwicklung abzulenken.
In der Folge sind etwa in St. Englmar und Bodenmais viele Betriebe verloren gegangen. Diese Bereinigung war jedoch nicht nur ein Nachteil, nein – die dortigen Waidler legten im Anschluss wieder mehr Wert auf das Wesentliche und Qualität. Und davon profitieren sie noch heute. Einige Leuchttürme haben sich entwickelt, sodass der Bayerische Wald beim Tourimus wieder auf einem guten Weg ist.

„Dem Gast ist es doch egal, wo die Landkreisgrenzen verlaufen. Dem Gast ist nur wichtig, wo er welche Attraktion zu sehen bekommt.“
Alois Brundobler: Im Bayerischen Wald hat man erkannt, wieder auf das zu vertrauen, was für die Tourismusstrukturen wichtig ist. Dieser Bereich darf nicht von der Politik gesteuert, sondern muss von Fachleuten bearbeitet werden. Deshalb beobachte ich mit Wohlwollen, dass sich im Woid wieder touristische Bündnisse bilden und man gemeinsam versucht, die Region zu vermarkten. Die Marke Bayerischer Wald wird wiederbelebt – das ist gut so.
Rudi Weinberger: Dem Gast ist es doch egal, wo die Landkreisgrenzen verlaufen. Dem Gast ist nur wichtig, wo er welche Attraktion zu sehen bekommt. Er will etwas erleben. Es ist schade natürlich für Bad Füssing, dass der Haslinger Hof in der Gemeinde Kirchham liegt – so entgehen uns einige Steuereinnahmen. Dem Gast ist das aber völlig egal – und deshalb auch uns, aus touristischer Sicht. Ein prägender Schritt für den Bayerwald war es, sich Böhmen als Partner ins Boot zu holen. Was Tschechien zu bieten hat, ist erstaunlich. Krumau ist nur ein Beispiel. Dort ist sehr viel Potenzial vorhanden.
Wie betrachten Sie das Konstrukt „Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald„?
Rudi Weinberger: Das ist grunsätzlich eine gute Idee. Das Ganze wird so aufbereitet, dass der naturbegeisterte Gast sofort weiß, was er wo erleben kann. Diese Infos müssen gebündelt aufbereitet werden – genau das geschieht bei der FNBW.
Alois Brundobler: Wichtig ist auch, dass die Bevölkerung ein touristisches Bündnis dieser Art annimmt und akzeptiert. Der Rückhalt muss da sein – und da machen es sich die Waidler manchmal selber schwer…
„Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen, offen sein“
Wie arbeiten die Tourismus-Destinationen Bayerischer Wald und Bäderdreieck zusammen?
Alois Brundobler: Der Tourismusverband Ostbayern legt großen Wert darauf, dass hier Synergien geschaffen werden. Beide Regionen präsentieren sich deshalb miteinander auf Messen und bringen gemeinsame Broschüren heraus. Wir als Golf- und Thermenressort wären schlecht beraten, grandiose Ausflugsziele wie das Granitmuseum Hauzenberg oder die Skisprung-Hochburg Rastbüchl unseren Gästen vorzuenthalten.
Rudi Weinberger: Der Gast weiß ja nicht, dass er das Bäderdreieck verlässt. Später wird er seinen Urlaub mit vielen Erlebnissen in Erinnerung behalten – und womöglich wieder nach Bad Füssing kommen, weil es weitere Dinge gibt, die er gerne sehen möchte.
Alois Brundobler: Das Kirchturmdenken ist vorbei. Die junge Generation bringt neuen Schwung – auch in der Politik. Chams Landrat Franz Löffler, Landrat Sebastian Gruber, Olaf Heinrich – das sind offen denkende Leute mit guten Ideen. Regional-Egoismus liegt ihnen fern. Und wenn wir uns ehrlich sind: Uns bleibt auch nichts anderes übrig.

„Der Mineralienstrom, der sich dabei nach und nach entwickelt, macht sich besonders stark in Bad Füssing bemerkbar. Ein Glücksfall für uns.“ Foto: bad-fuessing.de
Jedes Wochenende kommen 25 Busse mit jeweils 50 Gästen aus Tschechien zu uns nach Bad Füssing, um die Therme zu nutzen. Anfangs hat es diesen Menschen gegenüber große Vorbehalte gegeben – sie würden sich nicht duschen, sie würden klauen. Das ist doch Schwachsinn. Erst nach und nach hat man kapiert, dass die Tschechen genauso sind wie wir – nur eben eine andere Sprache sprechen. Inzwischen sind sie gern gesehene Gäste, die zuvorkommend sind – und auch viel Geld bei uns lassen. Will heißen: Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen, Vorurteile abbauen, offen sein – nur so können wir überleben. Und das gilt nicht nur für Bad Füssing, sondern für alle Regionen.
Im Gegensatz zu anderen Destinationen kann Bad Füssing auf ein von der Natur gegebenes Alleinstellungmerkmal zurückgreifen – das Heilwasser. Besteht die Gefahr, dass die Thermalquellen irgendwann einmal versiegen?
Alois Brundobler: Nein. Geologische Untersuchungen haben ergeben, dass sich das Wasser immer wieder im Bayerischen Wald aufbaut und dann in tiefere Schichten sickert, wo es mit allerlei guten Sachen angereichert wird. Der Mineralienstrom, der sich dabei nach und nach entwickelt, macht sich besonders stark in Bad Füssing bemerkbar. Ein Glücksfall für uns, keine Frage. Die Gefahr, dass das Wasser irgendwann ausbleibt, besteht also nicht, weil es sich immer wieder von selbst regeneriert.
Wie kann die Qualität dauerhaft sichergestellt werden?
Alois Brundobler: Da gibt es genaue Kontrollen. Die Wasserader führt ja an Bad Füssing vorbei, unter dem Inn durch und dann weiter nach Österreich. Dort wird das Wasser geothermisch genutzt. Diese Vorgehensweise wird genau überwacht, sodass die Qualität bei uns dauerhaft sichergestellt werden kann. Das ist auch im deutsch-österreichischen Staatsvertrag so niedergeschrieben.
„Staatsregierung glaubt, dass der Araber der Heilsbringer ist“
Apropos ausländische Einflüsse: Gibt es – wie in anderen Urlaubsorten – arabische oder russische Investoren in Bad Füssing?
Alois Brundobler: Bisher sind keine dahingehenden Tendenzen erkennbar. Und das ist auch gut so. Wir haben sehr viele Familienbetriebe hier, das bedeutet: nachhaltige Interessen, in Bad Füssing zu bleiben. Wir konnten es jedoch nicht verhindern, dass in der Gründerzeit auch andere Bauträger aktiv werden. Glücklicherweise waren die späteren Betreiber dieser Eigentümergemeinschaften wiederum Einheimische, die den Wandel konsequent mitgegangen sind. Beispiel hierfür sind der Sonnenhof oder der Schweizer Hof, die groß investiert haben und auch weiterhin Geld in die Hand nehmen werden, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Das Element Wasser verbindet man zuallererst mit dem Kurort Bad Füssing. Foto: bad-fuessing.de
Rudi Weinberger: Ehrlicherweise muss man zugeben, dass gerade in der schwierigen Zeit nach 2002 darüber diskutiert worden ist, ob man sich für ausländische Investoren öffnen sollte. Zum Glück hatte es damals bereits negative Beispiele jener Glücksritter gegeben, sodass diese Idee schnell wieder verworfen wurde.
Alois Brundobler: Unsere Staatsregierung glaubt ja nach wie vor, dass der Araber der Heilsbringer für den bayerischen Tourismus ist… (lacht).
Rudi Weinberger: Wir möchten aber auch nicht unbedingt verschleierte Frauen hier in Bad Füssing haben.
Nicht? Das klingt aber nicht besonders tolerant.
Rudi Weinberger: Das hat keinesfalls mit unserer persönlichen Einstellung zu tun, sondern spiegelt lediglich die Meinung vieler Gäste wider. Diese haben Angst vor dem Fremden. Das ist nunmal so, das können wir nicht ändern. Und da wir potenzielle Urlauber natürlich nicht vergraulen wollen, müssen wir uns deren Wünsche beugen.
Alois Brundobler: Mit diesem Thema muss man in einem Tourismusort wie Füssing ganz anderes umgehen als in einer normalen Gemeinde. Einheimischen kann man viel erklären – dem Gast hingegen weniger. Das soll aber nicht heißen, dass wir nicht unseren Verpflichtungen beim Flüchtlingsthema nachgekommen sind. Wir hatten sehr früh Asylbewerber im Ort. Diese haben wir entsprechend untergebracht und betreut. Zum Glück haben sich sehr viele Privatinitiativen gebildet, die sich dem Thema angenommen haben. Wir haben das sehr sensibel abgearbeitet – in Ruhe. Man muss ja nicht über alles reden. Keine Frage der Denkweise, sondern eine Frage des Umgangs.
Zurück zur Ausgangsfrage: Füssing möchte sich freilich weiterentwickeln. Und natürlich gibt es immer wieder Interessenten, im Ort ein Fünf-Sterne-Haus zu errichten, das uns bisher ja noch fehlt. Selbstverständlich prüfen wir deren Angebote genau – uns ist aber wichtig, ein schlüssiges Konzept vorgelegt zu bekommen. Ist dieses vorhanden, sind wir offen für Neuerungen – und leisten auch unseren Anteil.
„Die ‚heile Welt‘ Natur greifbarer und erlebbarer machen“
Gibt es das Bestreben, auch junge Leute und Familien nach Bad Füssing zu locken?
Alois Brundobler: Unsere Zielgruppe ist und bleibt das ältere Publikum. Das soll aber nicht heißen, dass wir keine jungen Leuten im Ort haben wollen. Erlebnis und Action können wir nicht bieten. Das würde sich schneiden mit Gesundheit und Ruhe, was man mit Bad Füssing unweigerlich verbindet. Beide Klientele gleichzeitig zu bedienen, ist nicht möglich. Eine generelle Ausrichtung ist sehr wichtig, um einen klaren Plan und klare Ziele zu haben. Ich kann nicht jedem Trend hinterher hetzen…
Einige Häuser haben in der Vergangenheit versucht, mit ihrem Programm vor allem junge Leute anzusprechen. Wir haben das auch befürwortet und unterstützt. Letztlich haben sich diese Ideen aber nicht durchgesetzt und wurden inzwischen wieder verworfen.
Rudi Weinberger: Es hat verschiedenste Bemühungen gegeben, für Bad Füssing ein zweites wirtschaftliches Standbein neben dem Tourismus zu entwickeln. Ohne Ergebnis. Gesundheit und Erholung wird unsere Zukunft sein. Auch, wenn es ein bisschen theoretisch klingt, aber: Wir müssen es schaffen, die ‚heile Welt‘ Natur etwas greifbarer und erlebbarer zu machen. In diesem Zusammenhang gibt es bereits einige Überlegungen, die Grünflächen im Ort zu überarbeiten. Wie genau, das wollen wir noch nicht verraten…
Man darf also gespannt sein. Herzlichen Dank für das Interview – und weiterhin alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer