Passau. Es ist Anfang Juli und gerade erleben wir die längsten Tage des Jahres. Und auch, wenn die vergangenen Wochen eher an den Herbst erinnerten, kehrt nun langsam besseres Wetter ein. „Sommer ist keine Jahreszeit, sondern ein Gefühl“, davon sind nicht wenige überzeugt. Auch die Wise Guys singen in ihrem Song: „Sommer ist, was in deinem Kopf passiert.“ Und doch verbinden die meisten von uns die warme Jahreszeit mit Freizeitaktivitäten wie Grillen, Tagen am See, Fahrradtouren oder Gartenparties.
2020 ist ein besonderes Jahr, das wurde mittlerweile oft genug betont. Und so ist auch der Sommer für viele anders – zumindest für diejenigen, die ihn am liebsten mit großen Feiern, Festival-Besuchen, langen Partynächten oder anderen Aktivitäten verbinden, bei denen größere Menschenmengen involviert sind.
„Wieso, man darf doch wieder!?“
Bereits im März, zu Beginn der Coronakrise, beschloss die Universität Passau, die beliebte Innwiese („Campuswiese“) zu sperren. Die Grünfläche an der Uni ist ein beliebter Treffpunkt für Studenten (und in den letzten Jahren auch vermehrt für Schüler). In den Sommermonaten ist die Wiese selten menschenleer vorzufinden – bereits zum Frühstück wird gegrillt, es werden diverse „sportliche Aktivitäten“ in Verbindung mit Plastikbechern, Tischtennisbällen und hopfenhaltigen Getränken zelebriert. Ob die leereren Hörsäle in Verbindung mit dem beliebten Treffpunkt stehen, sei an dieser Stelle dahingestellt…
In diesem Jahr jedoch verwehrte ein Metallzaun monatelang den Zutritt. Und so sehr viele die täglichen Innwiesen-Treffen vermissten: Immerhin blieb die Grünfläche so sauber wie lange nicht mehr. Doch nur, weil der beliebte Treffpunkt nicht zugänglich war, hielt (hält) sich nicht jeder an die Empfehlung weiterhin auf größere Menschenansammlungen zu verzichten. Spätestens seit der Aufhebung des Versammlungsverbotes für bis zu zehn Personen Mitte Juni lautete (und lautet) das Credo: „Wieso, man darf doch wieder!?“
Nun wird der Bauzaun wieder entfernt – eine Erleichterung für viele Studenten. Die Abstandsregelungen gelten natürlich auch hier weiterhin – ob und wie weit diese eingehalten werden, wird sich zeigen. Doch so beliebt die Campuswiese als Treffpunkt auch sein mag: Warum das Verhalten der Besucher hier anders sein sollte, als an anderen öffentlichen Orten, ist unbegründet. Vielleicht ist die Wiedereröffnung sogar eine Entlastung für andere Grünflächen in der Nähe, da es nun einen Platz mehr gibt, an dem die Sonne genossen werden kann. Und so kehrt für viele ein bisschen mehr Normalität zurück.
Bereits nach der Wiedereröffnung der Geschäfte im Mai schien ein Seufzer der Erleichterung durch die Bevölkerung zu gehen. Endlich wieder Shoppen (nun ja, vor Ort – schließlich boten verschiedene Onlineshops durchgehend die Möglichkeit, das persönliche Konsumverhalten zu stillen). Und nun also die nächsten Lockerungen. Die Reaktionen auf die Rücknahmen verdeutlichen die Bedürfnisse der Menschen. Und während der Wunsch nach Konsum und Besuchen in Nagelstudios teilweise kritisch betrachtet oder sarkastisch kommentiert wurde, ist das Verlangen nach persönlichen Kontakten wohl dem Großteil der Bevölkerung bekannt.
Appell an den gesunden Menschenverstand
Der Mensch ist ein soziales Wesen, auch wenn Persönlichkeitstypen und andere Faktoren zu individuellen Unterschieden im Bedarf nach Nähe führen.
Und so kann und sollte auch niemand dafür verurteilt werden, dem Wunsch nach persönlichen Kontakten nachzukommen. Trotzdem sollte der Appell an den gesunden Menschenverstand nach wie vor ernst genommen werden. Bei der ein oder anderen Ansammlung stellt sich dem Beobachter die Frage, ob ein solcher existiert. Wenn riesige Gruppen sich zum Besäufnis treffen, beispielsweise. Nein, es soll niemandem der Spaß verwehrt werden – und doch ist fraglich, ob der Verzicht darauf wirklich so unmöglich scheint. Oder ob sich über Menschen lustig gemacht werden muss, die nach wie vor vorsichtig sein möchten. Denn die Verharmlosung des Virus oder das Ins-Lächerliche-Ziehen der Abstandsregelungen kann ein Schlag ins Gesicht sein. Für Risikopatienten beispielsweise – oder für Menschen, die bereits eine geliebte Person aufgrund des Virus verloren haben…
Malin Schmidt-Ott