Dienstag, 28. April. Vor genau einem Jahr um diese Zeit befand ich mich inmitten von pompösen Hotels, bunten Casinos und Leuchtreklamen: Las Vegas, Nevada. Die Menschen bewegten sich dicht aneinander gedrängt in den Straßen – und maskiert waren lediglich die werbenden Maskottchen unterschiedlicher Nachtclubs…
366 Tage später (und rund 9.300 Kilometer Luftlinie entfernt) sieht die Welt ganz anders aus. Natürlich war mir bewusst, dass mein Geburtstag dieses Jahr anders verlaufen würde als in der glitzernden Scheinwelt Nevadas. Denn auch wenn Passaus Fußgängerzone zweifelsfrei dem bekannten Las Vegas Strip zum Verwechseln ähnelt und die Anzahl der Hochhäuser in beiden Städten nahezu identisch ist, schwebte mir eher ein gemütlicher Bar-Abend mit Freunden vor. Vielleicht auch ein gemeinschaftliches Grillen in der Sonne. Jedenfalls beinhalteten meine Pläne noch vor einigen Wochen weder den Verzicht auf reale Treffen noch die vielen, mich bedauernden Nachrichten (die tatsächlich nicht mein Alter betrafen!)…
Wenn der Kuchen per Brief kommt
Die aktuellen Einschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 sind mittlerweile wohl jedem bekannt. Und ich wage zu behaupten, dass die meisten diese zu spüren bekommen – die einen mehr, die anderen weniger. Natürlich entspricht es nicht der Idealvorstellung einer Studentin (in den besten Jahren) ihren Geburtstag allein zu verbringen. Doch es gibt meiner Meinung nach weitaus Schlimmeres – zumal Telefon, Videogespräche, Briefe und auch Soziale Netzwerke glücklicherweise doch etwas Persönlichkeit und Normalität vermitteln können.
In der Woche vor meinem 24. Geburtstag erhielt ich bereits so viel Post, dass mich der zuständige Zulieferer vermutlich mehr als einmal insgeheim verfluchte. Vermutlich steigt neben einer anderen bekannten Kurve auch die Zahl der Pakete derzeit exponentiell an. Ich denke, gerade jetzt, zu Geburtstagen, lange geplanten Festen, Hochzeiten oder anderen Anlässen, erweckt es in vielen Menschen besondere Anteilnahme, wenn diese nicht wie geplant stattfinden können. Anstatt eines selbstgebackenen Kuchens gab es einen Tassenkuchen von einer Freundin – ungebacken, versteht sich. Das Tütchen hatte die perfekte Größe für einen Briefumschlag. Auch meine Geburtstagskerzen zündete ich mir dieses Jahr selbst an.
Nicht weniger peinlich: das Geburtstagsständchen per Videochat
Langweilig wurde es trotz allem ganz und gar nicht: Denn gerade, weil ich keine Feier veranstalten konnte, bei der ich all meine Lieben um mich hatte, erhielt ich viele Anrufe. Sonst sind alle zur gleichen Zeit da, um zu gratulieren, doch in Zeiten des Social-Distancing ist das nicht so einfach. Gleichzeitig mit allen zu telefonieren geht nicht – und so hat man Glück, wenn die Sonne scheint und man ein Telefonat nach dem nächsten annehmen kann und gleichzeitig einen Spaziergang unternimmt.
Komisch ist es natürlich trotzdem, wenn die Familienmitglieder – verteilt auf verschiedene (Bundes-)Länder – vor den Computerbildschirmen sitzen und versuchen, einigermaßen synchron in ein Geburtstagsständchen einzustimmen, statt im gleichen Raum zu sein. Das macht die Zeit, in der man „besungen“ wird, jedoch kein bisschen weniger peinlich!
Noch Anfang März überlegte ich, wo ich meinen Geburtstag verbringen würde: Sollte ich das Wochenende abwarten, um zu meiner Familie nach Niedersachsen zu fahren oder, wie in vielen Jahren zuvor auch, einfach direkt in Passau bleiben? Auch wenn ich vielleicht eh in Bayern geblieben wäre, ist es ein anderes Gefühl, diese Entscheidung nicht selbst treffen zu können: Die Selbstverständlichkeit, mit der ich noch vor kurzer Zeit Zug- und Busreisen plante, einen USA-Trip buchte und Pläne für den Sommer schmiedete, wirkt auf mich mittlerweile fast so absurd wie die aktuelle Situation. Ich denke, so geht es vielen.
Und wie sehr die Schere auseinander geht…
„Verrückte Zeiten“ ist wohl eine der Phrasen, die Bekannte derzeit am häufigsten im Gespräch fallen lassen. Maskenpflicht, raue Hände vom Desinfizieren und die Aufforderung drinnen zu bleiben. Letzterer kamen die Freunde meines Computerspiele-liebenden Bruders schon vor Corona nach. Es ist interessant, wie sehr Menschen sich erst gegen bestimmte Veränderungen wehren, sie dann aber doch recht schnell als normal (oder akzeptabel) wahrnehmen. Und wie sehr die Schere auseinander geht:
Einerseits spielen Hamsterkäufe und eine besorgniserregende Portion Egoismus bei vielen Menschen plötzlich eine zentrale Rolle, andererseits bilden sich in kürzester Zeit Hilfsgruppen, Spendenaktionen und andere Initiativen. Auf Distanz gehen ist die neue Art zu sagen „Du bist mir wichtig!“ – und somit hoffe ich, dass mir niemand böse ist, wenn die diesjährige Dankes-Umarmung ausgeblieben ist…
Malin Schmidt-Ott