Passau. In der Medienbranche spricht man gern vom „passenden Werbeumfeld“. In den Pausen von „Germany’s Next Topmodel“ etwa wird Prosecco beworben, in Sportmagazinen gerne der ein oder andere Fitnessriegel angepriesen – und im Feuilleton der „ZEIT“ das neueste Buch vom Philosophen Jürgen Habermas angekündigt. Werbende suchen ihrer Kundinnen und Kunden dort, wo sie sich am wahrscheinlichsten aufhalten.
In professioneller Aufmachung buhlt auch das Passauer Hochglanz-Magazin „PAparazzi“ um Anzeigenkunden – für das „passende Werbeumfeld“ sollen nach eigenen Angaben „außergewöhnliche Themen“ und „die Vielfalt der Region Ostbayern“ sorgen. Ein Blick ins Heft zeigt, wie „außergewöhnlich“ sich die Themenauswahl in der Tat gestaltet: journalistisch teils fragwürdig, angereichert mit verschwörungstheoretisch anmutenden Inhalten…
Eine Vermengung von Wahrheit, berechtigter Kritik und Lügen
Das Magazin, herausgegeben von der custommedia Verlags GmbH mit Sitz in Passau, ist nach eigenen Angaben „eines der einflussreichsten und reichweitenstärksten Hochglanz-Lifestylemagazine Ostbayerns“ – mit einer Auflage von monatlich 20.000 Stück. Beim schnellen Blättern durchs Heft mag man dem durchaus Glauben schenken. Doch die verschriftlichten Ergüsse des Chefredakteurs und Herausgebers haben mit Hochglanz recht wenig zu tun.
Das zuletzt rund 70 Seiten starke Heft besteht zum überwiegenden Teil aus „Werbung, die“ – so wird es von Seiten des Verlags beworben – „nicht nach Werbung aussieht“. Journalistisch beschränkt sich der Herausgeber zumeist auf seinen Seite-3-Kommentar und seine Kolumne namens „Schwere Kost“. In Letzterer arbeitet er sich auf ein paar Seiten an Themen ab, über die die Leserinnen und Leser seiner Meinung nach endlich einmal die „Wahrheit“ erfahren müssten. Das beginnt beim vermeintlich moralischen Verfall der Gesellschaft, geht über die Rolle von „Ideologie“ und „Freiheit“ in unserer heutigen Welt – und nimmt am Ende teils krude, ja gar verschwörungstheoretische Ausmaße an – etwa wenn sich über die „Mainstream-Presse“ und „sogenannte Flüchtlinge“ echauffiert wird. Der Boden von Logik und Rationalität scheint jedoch völlig verlustig gegangen zu sein, seitdem der Chefredakteur sein neues Lieblingsthema für sich entdeckt hat: Corona.
Satte 19 Seiten lang mühte er sich mit der „schwersten Kost aller Zeiten“ in der Mai-Ausgabe ab, um seinem Publikum seine Sicht auf die Pandemie zu offenbaren. In aller Kürze: „Die angebliche ‚Pandemie‘ ist ein Schwindel“. Die Argumentation des Hobby-Virologen stützt sich dabei auf nur allzu bekannte Verschwörungstheorien; vermengt werden Wahrheit und berechtigte Kritik mit absurden Theorien und Lügen. De facto sei Corona ein einzigartiges Konstrukt einer geldgierigen Elite – mit Bill Gates als einen der Hauptakteure und Italien als „willfährigen Lieferanten dramatischer Bilder“.
Im Recht ist bekanntlich stets der, der definiert, was richtig ist
In der Juni-Ausgabe wird dann mit feuchten Augen auf den Erfolg des 19-seitigen „PAparazzi“-Pamphlets rekurriert: „Wie tief muss eine Gesellschaft sinken, bevor sie aufwacht?“, stimmt der Chef auf Seite 3 ein. Und legt dann bei seiner „schweren Kost“ erst so richtig los: „Erwartungsgemäß“ seien unter den Rückmeldungen „auch etwa 20 Prozent negative, ja sogar wütende Reaktionen“ gewesen. „Auffallend daran war jedoch, dass Sämtliche [sic!] dieser Kommentare von Laien ohne nennenswerte medizinische oder naturwissenschaftliche Ausbildung verfasst waren – wohingegen die positiven Rückmeldungen zwar auch von normalen Lesern, aber eben auch von sehr, sehr vielen Experten kamen, die mit der Materie vertraut sind“. Woher der Chefredakteur über die Ausbildung seiner Kritikerinnen und Kritiker Bescheid weiß, bleibt sein Geheimnis. Ob seine Fans jeweils eine Zertifizierung beilegten oder einfach mit „Experte“ signierten, ebenso. Aber im Recht ist bekanntlich stets der, der definiert, was richtig ist.
Über „Hexenverbrennungen“ und „Latrinenjournalismus“
Verblüffend hingegen: Keiner der anscheinend unzähligen „Experten“ wollte sich namentlich in dem Werbeblatt zitieren lassen. Wahrscheinlich deshalb, um nicht dem „Scheiterhaufen der persönlichen Diffamierung einer öffentlichen Hexenverbrennung zum Opfer zu fallen“, mutmaßt der Autor. Offensichtlich sei gegen seine Wahrheit das „gesamte Arsenal des Latrinenjournalismus“ aufgefahren worden. Doch Rettung naht: Zitiert wird über vier Seiten ein „Exklusivabruck [sic!] eines Auszuges dieser Aufstellung von tatsächlichen „Schwergewichten“ aus Medizin, Wissenschaft und Forschung“. Der „Abruck“ ist so exklusiv dann aber auch wieder nicht, sondern stammt von der fragwürdigen Nachrichtenplattform „Rubikon“.
„Möglicherweise sucht“ der Chefredakteur „einen Sinn in der Pandemie, wo es keinen gibt“, schreibt Marleen Heimann im Passauer Bürgerblick (Juni 2020). Man darf sich fragen: Was will der Erste Schreiberling des „PAparazzi“-Hefts damit bezwecken? Wieso schleudert einer über mehrere Seiten mit teils absurden Thesen in einem Magazin um sich, das nebenher für Wandern in Tirol, Behandlungen für Altersflecken und atmungsaktive Bettdecken wirbt? Offenbar ist dem Kolumnisten jedes Mittel Recht, um Reichweite, Aufmerksamkeit, ja letztlich Profit zu machen. Ob seine Kundinnen und Kunden wohl wissen, was für ein „Werbeumfeld“ sie sich da ausgesucht haben?
Kommentar: Johannes Greß
Anmerkung: Der Chefredakteur und Herausgeber von „PAparazzi“ war auf Hog’n-Nachfrage zu den im Text genannten Einwänden zu keiner Stellungnahme bereit.
hm… ich frag mich, warum meinungsfreitheit von verschwörungsleugnern so wenig toleriert wird, und warum auf fakten immer mit meinungmache reagiert wird… das stimmt nachdenklich
Ein französisches Sprichwort lautet; Suche die Frau, die dahintersteckt (cherchez la famme). Wir können es variieren auf: Suche den Geldgeber, der dahintersteckt. Leider wirsd heute alles, was nicht in die staatlich (auch Tiefer Staat) verordnete Meinung passt, als Verschwörungstheorie abgetan
Nie war die „Schere“ so groß, das von „neutraler und eben richtiger“ Meinung in Presse und „Staats TV“ natürlich öffentlich und vor allem „RECHTLICH“ aufgezeigt wird …. und der eigenen Meinung … getragen von Verschwörung und rechts oder links oder Reichsbürger oder auch „Q“ Querdenker ….. weil das aktuell nun offensichtlich alles verboten ist. … eben die eigene Meinung dazu …. Die gibt es nicht mehr. Reißt einer von „uns“ das Maul auf, winkt gleich ein Bußgeldbescheid von 250,-€ … Erziehungsgebühr und trägt einer von „uns“ seine Maske nicht ordnungsgemäß, dann verfolgen Dich auf offener Straße selbsternannte Sherrifs in Rentnerkleidung und Schaum vorm Mund …. ungeachtet der üblichen staatl. Rückendeckung …. aber erlaubt, weil …..er will sich ja nur selbst schützen vor dem „alles zerstörenenden Virus“ gleichzusetzen mit der damaligen Pest und Cholera. Beschnitten von unserer Selbstverantwortung per Eilgesetz wartend auf die nächste „LockDown“ Verkündung sitzen wir nun diesen Virus zu Hause aus und hoffen auf das Wunder „Impfung“. Frei nach dem Motto, die Mäuse freuen sich allemal, … weil nun endlich der Mensch als „Versuchskaninchen“ für die Phase 1 bis 3 herhalten muss. In diesem Sinne …. auf ein gutes 2021 !!!
Echt traurig, dass nur gewisse ihre Meinung kund tun dürfen. Wer hat dich dafür bezahlt?
Journalisten sollen objektiv sein und IMMER eine zweite Meinung einholen. Dein Artikel ist sehr Einseitig. Einfach nur traurig, erwas daher zu plappern ohne auf die vielen Informationen, die es zu diesen Themen gibt, hinzuweisen. Also lass die Leute vom Mitbewerber in Ruhe und nimm dich selbst an der Nase!
Da ich keine regelmäßige Leserin der PAparazzi bin, hatte ich eigentlich gehofft, dass der zitierte Artikel ein Ausrutscher war. In der Septemberausgabe, die mir zufällig in die Hände gefallen ist, geht es jedoch munter weiter. „Die Meinungsfabrik: Die historischen Hintergründe der offenkundigen Konformität westlicher Leitmedien“. Tolle Idee: Das Lifestylemagazin für Verschwörungstheoretiker… wer hat nicht darauf gewartet?
Interessant wäre, wie viele unserer Mitbürger diese Texte lesen und wie ich nur noch den Kopf schütteln können.
nein leider nicht…mir ist dieses Pamphlet bei meiner Hausärztin untergekommen. das erste fand ich schon recht krude. Im zweiten dort aufliegenden Heft ging es gegen die letzte Generation“. kann man ja kontrovers diskutieren aber wenn da steht „sogenannter Klimawandel“ dann ist eigentlich schon klar welch Geistes Kind dahinter steckt. Prompt entbrannte ein Dialog im Wartezimmer. muss ich fast wiedergeben: Hast du gelesen dass die Industrie die bezahlen damit sie sich auf die Straße kleben. Das schreibt der da. Der wird das ja auch recherchieren…sowas erfährst nicht im Fernsehen…ich musste mich dann einfach einmischen und fragte was die Industrie denn davon hätte die zu bezahlen. Schweigen…und dann meinte einer: damit sie uns alle unter Kontrolle bekommen ….
wohl gemerkt: nette Leute hier bei uns im herrlichen Niederbayern von nebenan!
Kann man denn irgendwas unternehmen gegen dieses Magazin? Vielleicht Boykottaufruf der dort werbenden Firmen?
Gegendarstellungen sind wohl nicht zielführend. Ich verstehe es einfach nicht…
Renate
Bei solchen Kommentaren wird einem Angst und Bange. Begriffe wie „Meinungsfreiheit“, „Rechtstaat“ usw. scheinen für Sie keine Bedeutung zu haben. Eigentlich sollten solche Zeiten gerade in Deutschland der Vergangenheit angehören…da läuft es mir kalt über den Rücken…