Passau/Freyung. Gemütliche Sessel, ein großer Saal, Popcorn und Cola – so kennt man das klassische Kino. Hierzulande weniger verbreitet ist hingegen das Autokino. Dabei ist das in den 30er Jahren entstandene Konzept so simpel wie genial: Die Zuschauer reisen in ihrem Auto an, parken mit Sicht auf eine große Leinwand und machen es sich in ihren Sitzen bequem. Der Ton wird über das Autoradio empfangen, indem eine zuvor bekannt gegebene Frequenz eingestellt wird. Vor allem in den USA erfreut sich diese Form des gemeinsamen Filmeschauens nach wie vor großer Beliebtheit.
Aufgrund der aktuellen Corona-Ausgangsbeschränkungen bleiben Deutschlands Kinosäle bis auf Weiteres geschlossen. Für die Passauer Kino-Betreiberfamilie Vesper ein Grund mehr, kreativ zu werden: „Kino hat viele Facetten“, weiß Juli Vesper. Die Leidenschaft für Filme liegt der Familie ihres Mannes seit Jahrzehnten im Blut. „Die Vorstellung, wie viele Menschen unter der aktuellen Isolation und dem Mangel an Freizeitmöglichkeiten leiden, hat uns letztendlich handeln lassen“, sagt Andreas Vesper.
Autokinos in Passau, Waldkirchen und Grafenau
Und da gerade in der Coronakrise für viele der Zusammenhalt an erster Stelle steht, schmiedete das Paar einen speziellen Plan: Gemeinsam mit dem Landkreis Freyung-Grafenau sollen ab Mai 2020 an drei verschiedenen Standorten Autokinos stattfinden. „Wir starten vom 20. bis zum 24. Mai auf dem Messe- und Dultgelände in Passau-Kohlbruck“, berichtet Andreas Vesper weiter. Dort wird es ebenfalls im Zeitraum 3. bis 7. Juni ausgewählte Kinostreifen zu sehen geben. Im Anschluss zieht das Autokino vom 10. bis zum 14. Juni nach Waldkirchen um. Auch in Grafenau sind Vorführungen eingeplant. Das Besondere dabei: Die Vespers haben einen Spendentopf unter dem Hashtag #VespersAutokinohilft ins Leben gerufen, in den pro Auto ein Euro und zehn Prozent der Sponsorengelder fließen, um (u.a. auch aufgrund von Covid-19) in Not geratene Kinder zu unterstützen.
Die Einnahmen sollen insbesondere Kinderheimen zugute kommen, die derzeit in mehrerlei Hinsicht unter den Einschränkungen zu leiden haben: „Viele Buben und Mädchen stammen aus sozial schwachen Familien und dürfen derzeit keine regelmäßigen Kontakte zu ihren Verwandten pflegen. Für Computer und Smartphones, die Video-Telefonie ermöglichen, fehlt das Geld“, erklärt Juli Vesper. Der jungen Mutter sei es ein besonderes Anliegen, daran etwas zu ändern. Einen weiteren Problempunkt stelle die Lehre in den Einrichtungen dar: „Auch hier sind die technischen Gegebenheiten oft nicht ausreichend vorhanden – viele Betreuer sind ohnehin ausgelastet und haben auch nicht die notwendige Ausbildung, um die Kinder zusätzlich zum Heim-Alltag zu unterrichten.“ Teilweise würden die Verantwortlichen sogar Lehrkräfte aus eigener Tasche bezahlen, um den Unterricht vor Ort zu gewährleisten.
Die Autokino-Macher wollen für Angehörige bestimmter Berufsgruppen – wie etwa die Mitarbeiter in Kinderheimen sowie Kranken- oder Altenpfleger – ein Kontingent an Freitickets bereitstellen. Um zu entscheiden, an welche „Corona-Helden“ diese Tickets am Ende ausgehändigt werden, nehmen die Organisatoren Vorschläge über Facebook an.
„Kontaktloses Popcorn“ mithilfe des Autokennzeichens
Die Sicherheit aller Mitarbeiter und Kinogäste soll beim Projekt Autokino stets im Vordergrund stehen. Denn obwohl dabei der persönliche Kontakt – anders als im klassischen Kinosaal – sehr viel geringer ist, gibt es einiges zu beachten: „Alle Zahlungen erfolgen ausschließlich online und im Voraus“, erklärt Juli Vesper. Nach Erwerb eines Tickets wird den Besuchern ein QR-Code zugesandt, den sie beim Einfahren auf das Gelände an die geschlossene Autoscheibe halten. Auch Snacks und Getränke müssen vorher bestellt werden. „Beim Kauf wird das Autokennzeichen angegeben. Unsere Mitarbeiter verpacken alles unter hygienischen Bestimmungen, die Tüten werden dann mit dem Kennzeichen versehen und vor Ort ausgeteilt.“
Auf der Facebook-Seite des Cineplex Passau gibt’s ein „Vorgeschmack-Video“ zu sehen:
https://www.facebook.com/CineplexPassau/videos/2923836977695243/?__xts__[0]=68.ARBN02iIiLGmsczqVCgUpP4CXZxIpazg-QwP4lYTx31S0wpI_RLmrEOLc2Cdj-FFszDT0DtKMMWET924BweT4j-mT5W7r_xI3jhyMLrsEyQS1AfOtHatA-7LdGlkt0SF5qX1tn7yjnRvWSFTgElBKy45DwQ12MSaz_ruu8GopUvZOBas80a0Qhauexqexu6M0N9WjAszvZhgW4Ra713lg7AF9r23k143z1LQhvCp34iMXGzy2ErU8WhNflkxfjSHkMQP2padLlz79GfQQv5hFc5iLhZZdYQK_qFq_YhwBhNrCPGKlwoDml55mSuV-yI1lrZCIgDbvp-sUKmnrpWV6FYHnWb5LQ&__tn__=-R
Dadurch erfolgt der komplette Kinobesuch kontaktlos. „Während des Films werden die Zuschauer dazu angehalten, nicht aus ihren Autos auszusteigen und die Fenster nur einen Spalt breit zu öffnen“, fährt Juli Vesper fort. Da es – gerade bei Kindern – wohl nicht zu vermeiden sei, dass ein Gast die Toilette aufsuchen muss, sollen auch hier besondere Vorkehrungen getroffen werden: „Es wird sich immer ein Mitarbeiter bei den Sanitätsräumen befinden, der etwa für das Desinfizieren der Türklinken verantwortlich ist.“ Ein besonderes Augenmerk gilt dabei ebenso dem Einhalten der Sicherheitsabstände.
Abstand muss sein: Nur zu zweit kommen!
Um zu vermeiden, dass das Autokino zu ungewollten Verabredungen zwischen Mitgliedern verschiedener Haushalte führt, soll es auch hier entsprechende Regelungen geben. Die Anzahl der Personen, die in einem Auto anreisen darf, ist auf zwei beschränkt. Ausnahmen sind Familien mit eigenen Kindern oder auch Menschen, die als Betreuungspersonen mitkommen.
Mit ihrer Idee möchten Juli und Andreas Vesper den Leuten die Möglichkeit geben, ein bisschen Normalität in deren aktuell recht eingeschränkten Alltag zu bringen. Zudem erhoffen sie sich mit der Auswahl der Spendenempfänger das Bewusstsein für die momentane Notsituation der Kinderheime zu verstärken.
„Ohne die Beteiligung anderer hätten wir das Projekt nicht so schnell auf die Beine stellen können“, zeigt sich Juli Vesper dankbar. Die zahlreichen Sponsoren hätten es überhaupt erst ermöglicht, mit den Planungen beginnen zu können. Doch auch bei der Behebung logistischer Probleme gab es unkomplizierte Unterstützung: „Da das Kino draußen stattfindet, brauchten wir dringend einen Schutz für den Beamer“, erzählt Andreas Vesper. Der Wohnwagenhersteller Knaus-Tabbert habe sich kurzerhand bereit dazu erklärt, einen derzeit nicht benötigten Wohnwagen zur Verfügung zu stellen.
„Autokino für Passau und den Landkreis Freyung-Grafenau“
Die Vorfreude bei den Vespers auf das „Autokino für Passau und den Landkreis Freyung-Grafenau“, wie es offiziell auf der Cineplex-Website betitelt wird, ist groß. Ob es mit dem Vorhaben auch tatsächlich klappt, bleibt abzuwarten. Die endgültige Entscheidung soll aber schon bald fallen. Jedenfalls: Ein Projekt, bei dem sich wohl nicht nur eingefleischte Kinogänger hinters Steuer setzen werden, sondern auch all diejenigen, die schon immer mal das Ambiente eines echten Autokinos live miterleben möchten. Der besondere Nebeneffekt: Man tut in diesen Corona-Tagen nicht nur sich selbst etwas Gutes, sondern auch Menschen, denen es gerade nicht so gut geht.
Malin Schmidt-Ott