Viechtach. Mehrfach verurteilt wegen Beleidigungen, schweren Körperverletzungen und dem wiederholten Tragen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen: Walter Strohmeier, so genannter Stützpunktleiter Ostbayern der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ , ist „kein unbeschriebenes Blatt“, wie die Richterin am vergangenen Mittwoch im Laufe der etwa dreistündigen Verhandlung am Viechtacher Amtsgericht feststellte.

Kopf der rechtsextremen Szene im Raum Südostbayern: Der mehrfach vorbestrafte Gewalttäter Walter Strohmeier, hier bei einer Kundgebung der Kleinstpatei „Der III. Weg“. Foto: Hog’n-Archiv
Mit hochrotem Kopf und spürbar angespannt sitzt der gebürtige Drachselsrieder neben seinem Verteidiger im Sitzungssaal. Anders als unter anderem 2011 (drei Jahre Haft) und 2017 (elf Monate Haft zur Bewährung), als Strohmeier jeweils wegen Körperverletzung vor Gericht stand, geht es dieses Mal um die Veruntreuung von Geldern seines ehemaligen Arbeitgebers.
„Ich habe die Realität und die Kontrolle verloren“
Er wolle sich auf keinen Fall herausreden, „aber vielleicht kann ich Ihnen zumindest erklären, wie es zu dem Ganzen gekommen ist“, sagt Strohmeier zur Richterin gewandt. Schon immer habe er ein Faible für Glücksspiele gehabt. „Ich habe seit Jahren regelmäßig gepokert. Das war auch vielen bekannt.“ Ein Problem sei das nie gewesen, ging es ja meist nur um kleine Beträge. Irgendwann habe er sich in einem Online-Casino angemeldet und immer häufiger auch Roulette gespielt. Mit dem Kontostand sei es zunächst rauf und runter gegangen. „Die Betreiber wollen einen ja schließlich bei der Stange halten. Deshalb gab es schon auch immer mal wieder kleinere Gewinne.“

Irgendwann habe er sich in einem Online-Casino angemeldet und immer häufiger auch Roulette gespielt. Symbolbild: pixabay.com/ Greg Montani
Von der Hoffnung auf den großen Coup träumend, habe er sich dann immer mehr darin verloren – und im September 2018 tatsächlich 32.000 Euro gewonnen. Wirklich einen Cent habe er davon jedoch nie in der Hand gehalten. Denn das Geld war recht schnell wieder verspielt. „Ich habe dann ehrlich gesagt die Realität und die Kontrolle verloren“, beschreibt der 33-Jährige heute durchaus selbstkritisch die damalige Zeit.
Mitte 2018 habe er nach langer Jobsuche eine Anstellung im Büro eines Viechtacher Bauunternehmers gefunden. Dort hatte er auch Zugang zum PayPal-Geschäftskonto, über das er ab Januar 2019 über ein halbes Jahr hinweg insgesamt mindestens 250 Überweisungen – unter anderem auf das Konto eines Online-Casinos – tätigte und so einen Gesamtschaden von mehr als 45.000 Euro verursachte.
„Es war völlig unabsichtlich“, bekräftigt der Angeklagte, als er erzählt wie es zur ersten Überweisung auf ein Online-Casino gekommen war. „Ich hatte mein Google-Zugangskonto auf dem Computer im Büro und dem Rechner bei mir zuhause synchronisiert.“ Und da er einmal nach einem Arbeitstag ungewollt noch mit den Zugangsdaten seines Chefs eingeloggt gewesen sei, habe er zu Hause unwissentlich eine Casino-Rechnung über dessen PayPal-Konto abgewickelt.
„Meine Steuerberaterin hat da auch nichts gesagt“
„Ja ich hätte das sofort mitteilen sollen“, gibt er an. „Ich wollte das Geld dann einfach möglichst bald zurücküberweisen und die Sache rückgängig machen.“ Stattdessen beglich Strohmeier immer mehr Casino-Forderungen über das fremde Konto. Bald waren es rund 25.000 Euro, die der Unternehmer ohne sein Wissen in die Spielsucht seines Angestellten „investiert“ hatte.
Warum er überhaupt nicht mitbekommen habe, was da abgebucht werde, möchte der Verteidiger von dem Geschädigten wissen. „Sie haben ja erst durch den Anruf Ihrer Bank davon erfahren. Schauen Sie sich denn die monatlichen Abrechnungen nicht an?“ Ein leicht resignierendes „Nein“ ist die Antwort. „Ich habe von Buchhaltung und dem Ganzen einfach keine Ahnung“, sagt der Unternehmer. Er sei halt mehr der Handwerker. „Meine Steuerberaterin hat da auch nichts gesagt und die Posten einfach als Privatausgaben verbucht.“ Deshalb sei ihm das „erst aufgefallen, als die Bank anrief, weil die Löhne nicht mehr beglichen werden konnten“.
Seit 2018 stecke das Unternehmen in einer schwierigen Lage. „Das nun ist vermutlich das, was mir den Rest gibt.“ Er stehe kurz vor der Insolvenz. Er habe auch nicht gewusst, dass sein Mitarbeiter von zu Hause Zugriff auf das PayPal-Konto hatte. „Ich weiß, dass es PayPal gibt. Aber von der ganzen Technik verstehe ich einfach nichts“, sagt er, sich selbst etwas verteidigend.
Besonders getroffen habe ihn all das jedoch persönlich. „Ich habe den Walter, nachdem mich die Bank angerufen hatte, sofort angesprochen. Als er mir dann zwei Tage später das geschuldete Geld zurücküberwiesen hat, war das für mich wieder erledigt.“ Strohmeier durfte im Betrieb bleiben – und hatte auch weiterhin Zugriff auf das PayPal-Konto.
„Über 100.000 Euro in den Sand gesetzt“
Dass er zu diesem Zeitpunkt die geschuldeten 25.000 Euro überweisen konnte, lag an einem erneuten Gewinn, diesmal in Höhe von über 120.000 Euro. „Ich hab mir davon 30.000 Euro auszahlen lassen und das Geld zurückgezahlt. Allerdings gibt es seitens der Betreiber ein monatliches Auszahlungslimit.“ Deshalb blieben die restlichen 90.000 Euro weiterhin auf dem Spielkonto geparkt.
Diesen Gewinn verspielte er in wenigen Tagen – ohne ihn „je in Händen gehalten zu haben“. Lediglich für Umzugskosten, eine Waschmaschine und etwas Farbe seien rund 7.000 Euro verwendet worden. „Das ist wirklich eine Sucht. Ich habe Tag und Nacht gespielt.“ Und so seien aus dem Gewinn ganz schnell erneut 20.000 Euro Schulden bei seinem Arbeitgeber geworden. Geld, auf das dieser bis heute wartet.

Und so seien aus dem Gewinn ganz schnell erneut 20.000 Euro Schulden bei seinem Arbeitgeber geworden. Symbolbild: Hog’n-Archiv
Dass das niemandem aufgefallen ist, sei dabei gar nicht so unwahrscheinlich, wie Strohmeier auf Nachfrage zu verstehen gibt. „Ich habe schon immer viel am Laptop gesessen und oft abends noch Sachen erledigt. Nur jetzt habe ich stattdessen häufig Roulette gespielt.“ Auch nachts im Bett sei das Handy nicht selten Stunden noch in der Hand gewesen, während seine Frau neben ihm schlief.
Auch sein Bewährungshelfer, der als Zeuge geladen ist, gibt an, dass er von Strohmeiers Interesse für Glücksspiele wusste. „Er hatte immer wieder erzählt, dass er pokert und auch gelegentlich in Casinos war. Das war zwar auffällig und ich habe ihn auch darauf angesprochen. Aber es gab keine Anzeichen, dass es ein akutes Problem geben könnte.“ Dass sein Klient „über 100.000 Euro in den Sand gesetzt hat“, wie es die Richterin ausdrückt, habe er erst am 20. Mai kurz vor der Verhandlung erfahren. „Leider hat mich der Walter erst jetzt selbst in Kenntnis gesetzt. Hätten wir früher bescheid gewusst hätten wir ja vielleicht helfen können.“
„Wer soll Ihnen eine Bewährung rechtfertigen?“
Stattdessen kam es bis Ende Juni 2019 erneut zu zahlreichen Überweisungen über das PayPal-Konto. Darunter finden sich – neben den Casino-Rechnungen – auch weitere Posten wie die Bezahlung eines Wohnzimmerstuhls. „Ich war zu der Zeit komplett pleite. Das konnte ich aber meiner Frau nicht sagen und habe deshalb einen bereits bestellten Hocker über das Firmenkonto bezahlt.“
Insgesamt 250 Fälle der Veruntreuung stehen letztlich zu Buche. Zwei Jahre Haft und eine Vermögenseinlage in Höhe von über 19.900 Euro verhängt die Richterin schließlich. Von einer Bewährung, wie vom Verteidiger gefordert, sieht das Schöffengericht allerdings ab. Denn auch wenn Strohmeier zwar geständig war und für eine Familie sorgen muss, er zudem für ein weiteres Kind unterhaltszahlungspflichtig ist, fragt die Richterin: „Herr Strohmeier, mal ganz ehrlich: Wer soll Ihnen denn unter diesen Umständen eine Bewährung rechtfertigen?“
Nachdem bereits Anfang 2019 das Ganze aufgeflogen war, habe er das Verhalten fortgesetzt. „Ihr Chef hat Ihnen ja quasi damals schon Ihre Bewährung gegeben, indem er Sie nicht angezeigt hat.“ Auch das lange Vorstrafenregister und eine noch bestehende Bewährungsstrafe müssten hier berücksichtigt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
da Hog’n
Ein süchtiger Nazi bestiehlt seine Freunde/Arbeitgeber und ist eine Gefahr für Leib und Leben anderer: bitte Vollzug und wegsperren mit Sicherheitsverwahrung