Freyung-Grafenau/Regen. Sie tauchen in letzter Zeit immer häufiger auf, verbreiten sich rasant im Internet: Bilder von Plastikmüll im Meer, von brennendem Computerschrott, von illegalen Mülldeponien in Afrika oder Fernost. Diese Bilder verstören, irritieren – aber meist nur kurz: Denn die Müllsünden sind ja weit von uns entfernt. Wir hier in Deutschland trennen fleißig unseren Müll und recyceln so viel Plastik wie möglich. Ist das wirklich so? Oder landet auch Müll aus niederbayerischen Haushalten etwa in Malaysia?
Malaysia ist Brennpunkt jüngster Recherchen eines Reporterteams der Wirtschaftswoche und des ZDF-Magazins Frontal 21. Die Journalisten entdeckten dort auf illegalen Deponien Plastikmüll aus Deutschland. Sie fanden heraus, dass es Plastikverpackungen der Supermarktketten Aldi und Edeka waren, die zuvor nie in den Handel gelangt waren. Wie die Kunststoffverpackungen nach Malaysia kamen, konnte niemand so recht nachvollziehen.
Landet auch ein niederbayerische Joghurtbecher in Fernost?
Müll darf ganz offiziell aus Deutschland exportiert werden. Aber nur dann, wenn er im Ausland recycelt wird. In deutschen Statistiken gilt der Müll, der nach Malaysia gekarrt wird, daher als vorbildlich entsorgt. Was jedoch in Wirklichkeit damit geschieht: Er wird auf illegalen Deponien abgeladen, wird verbrannt und vergiftet die Umwelt.
Wenn wir hier in Niederbayern unseren Hausmüll, unser Papier und unseren Biomüll in die dafür vorgesehenen Tonnen werfen, wenn wir Plastikmüll zum Wertstoffhof bringen, dann kümmern sich die großen Abfallwirtschaftsunternehmen um alles Weitere. In der Region sind das der Zweckverband Abfallwirtschaft Donau-Wald (Entsorger für die Landkreise Freyung-Grafenau, Regen, Deggendorf, Passau und für die Stadt Passau), die Kreiswerke Cham und der Zweckverband Abfallwirtschaft Straubing Stadt und Land.
Das Onlinemagazin da Hog’n hat nachgehakt: Wo landet der Müll aus unseren Tonnen? Ist es möglich, dass auch der leere Joghurtbecher, den ein Bayerwäldler zum Wertstoffhof bringt, am Ende nach Fernost verschifft wird? Alle Entsorgungsbetriebe waren durchaus auskunftsfreudig und teilten uns mit, was mit dem Müll passiert, den sie einsammeln. Allerdings verzweigt sich das Müll-Verwertungssystem an manchen Stellen weit…
Restmüll brennt gut, Bioabfall erzeugt Strom, Papier wird recycelt
Relativ leicht nachvollziehbar ist, was mit dem Müll passiert, den wir in die graue, braune und blaue Tonne werfen. Denn um Restmüll, Biomüll und Papier kümmern sich die Abfallwirtschaftsbetriebe großteils selbst. Die Pressesprecherin der ZAW Donau Wald, Karin Gegg, teilt uns dazu mit: „Restmüll aus der grauen Tonne sowie von den Sperrmüllsammelstellen wird im Müllheizkraftwerk München Nord thermisch behandelt.“ Heißt also: Unser Restmüll wird komplett verbrannt. Das Pendant aus Cham und Straubing landet in Schwandorf. Durch das Verbrennen wird Strom und Wärme erzeugt.
Papier kann man laut ZAW-Sprecherin Gegg zu fast einhundert Prozent recyceln. „Altpapier stellt heute den mengenmäßig wichtigsten Rohstoff für die Papierindustrie dar“, sagt sie. Über Altpapierhändler verkauft die ZAW Donau-Wald das Altpapier an Papierfabriken in Deutschland und Europa. Auch Cham und Straubing geben das Papier über Partnerfirmen an Papierfabriken in Deutschland und Österreich weiter.
Was in der Biotonne landet, verarbeiten die Entsorgungsbetriebe in eigenen Anlagen. Die Bioabfälle aus dem Bereich der ZAW Donau-Wald vergären in einer Biogasanlage in Passau. Aus ihnen wird letztendlich Strom gewonnen. Die Reste verarbeitet man zu Kompost. Cham macht mit dem Bioabfall dasselbe in der Vergärungsanlage Moosdorf. Auch die ZAW Straubing hat eine eigene Vergärungsanlage für Biomüll.
Wertstoffe: Wo landen Elektroschrott und Metall?
Komplizierter wird es, wenn man nachvollziehen möchte, wohin der Müll gelangt, den wir auf die Wertstoffhöfe bringen. Hier sind es vor allem Partnerunternehmen, die das Recyceln und die Verwertung der Abfälle übernehmen. Die Abfallentsorger aus der Region Freyung-Grafenau, Regen, Straubing und Cham arbeiten mit zahlreichen Betrieben zusammen. Sie teilen auf Nachfrage auch ausführlich mit, welche das sind.
Ein paar Beispiele: Metalle gehen über Metallhändler an Metallhütten, die den wertvollen Rohstoff wiederverwerten, teilt die ZAW Donau-Wald mit. Elektro-Altgeräte gelten als gefährlicher Müll. „Die Geräte vom Kühlschrank über den PC bis hin zum Rasierer werden zerlegt und die darin enthaltenen Schwermetalle und Kühlmittel sicher entsorgt sowie Kunststoffe und Metalle wiederverwertet“, informiert Karin Gegg. Ein regionales Unternehmen kümmere sich darum. „Dort werden die Geräte maschinell zerlegt und die gewonnenen Einzelteile zu den entsprechenden Recyclingbetrieben gebracht. Die Schadstoffe in den Elektro-Altgeräten, etwa Flammschutzmittel oder Schwermetalle, werden sicher entsorgt.“
Problembereich Plastik: Duales System schwer durchschaubar
In Cham ist es unter anderem das Unternehmen „Umweltservice Cham„, das sich um das Sammeln, Befördern und Kompaktieren der unterschiedlichen Müllarten kümmert. „Es ist Know-how nötig, um in diesem Bereich Geld zu verdienen“, sagt Michael Schmid, Vorstand des Unternehmens. Deshalb verrate auch nicht jedes Unternehmen, welche Wege der Müllentsorgung und Weiterverarbeitung es aufgebaut habe. Vor allem das so genannte Duale System, das sich in Deutschland um die Entsorgung und das Recycling von Verkaufsverpackungen kümmert, sei zum Teil sehr undurchsichtig – und man lasse sich „nicht in die Karten schauen“.
Das deutet auch Konrad Reitinger von der ZAW Straubing an. Er schreibt auf Hog’n-Nachfrage: „Nicht in allen Fällen bekannt sind die Mengenströme für Fraktionen mit gesetzlicher Regelung, wie das Verpackungsgesetz. Die Dualen Systeme behandeln die Verwertungswege teilweise als Betriebsgeheimnis.“
Seit 1991 sind Unternehmen der Lebensmittel- und Verpackungsbranche verpflichtet, die von ihnen in Umlauf gebrachten Verpackungen zurückzunehmen und zu verwerten. Im Zuge dieses Verpackungsgesetzes entstand das Duale System. Seither befassen sich Dienstleister damit, den Verpackungsmüll zu sammeln. Der erste große privatwirtschaftliche Anbieter, der das übernommen hat, war der Grüne Punkt. Mittlerweile gibt es sieben weitere Anbieter des Dualen Systems. Für den Landkreis Freyung-Grafenau ist derzeit die Landbell Group zuständig.
Dieser Anbieter sollte also wissen, was mit den Kunststoffverpackungen passiert, die auf den Wertstoffhöfen der ZAW Donau-Wald abgegeben werden. Auf Hog’n-Nachfrage erklärt Raffaela David, Pressesprecherin der Landbell Group: „Mehr als 95 Prozent der Verpackungsabfälle werden in Deutschland und anderen EU-Staaten sortiert und verwertet – der mit Abstand größte Teil.“
Entsorgung auf illegalen Deponien: „Wir nehmen das sehr ernst“
David betont immer wieder, dass es wichtig sei, der Bevölkerung die Bedeutung der richtigen Mülltrennung klar zu machen. Sie selbst sei geschockt von den Bildern aus Malaysia. Sie spricht dabei von den „schwarzen Schafe“ unter den Abfallentsorgern. In Deutschland existiere ein engmaschiges Netz an Kontrollen, so die Pressesprecherin: „Wir nehmen das sehr ernst.“
Kann nun also der Joghurtbecher aus Freyung oder Waldkirchen theoretisch auch in Malaysia landen? Die Landbell-Pressestelle äußerst sich dazu wie folgt: „Der Export in asiatische Länder ist eine Ausnahme. Die exportierten Verpackungsmengen liegen im unteren einstelligen Prozentbereich, mit rückläufiger Tendenz. Unabhängig davon, wo Verpackungen aus dem Gelben Sack oder der Gelben Tonne sortiert und verwertet werden, müssen sich Anlagenbetreiber nach deutschen Richtlinien zertifizieren lassen und festgeschriebene Standards beim Recycling einhalten.“
Seit dem 1. Januar 2019 gilt das neue Verpackungsgesetz. Es besagt, dass die Recycling-Quote bei Kunststoffen deutlich steigen muss. Bisher waren die Abfallbetriebe dazu verpflichtet, lediglich 36 Prozent der Kunststoffabfälle zu recyceln. Nun sind es 58,5 Prozent – bis 2022 soll auf 63 Prozent gesteigert werden. Das heißt für die Wirtschaft: Es müssen viel mehr Wege gefunden werden, recyceltes Material zu verwenden. Im schlimmsten Fall bedeutet es aber auch, dass mehr Abfall ins Ausland exportiert und dort – hoffentlich – vorschriftsgemäß recycelt wird…
Sabine Simon