Passau. Die Einsparmöglichkeit ist immens: Um bis zu 25 Prozent ließe sich der Stromverbrauch eines Haushalts verringern, wenn heimische Stromverschwender vom Netz gingen, wie Fachleute ermittelt haben. Doch: Wie macht man diejenigen Geräte aus, die den Stromzähler ins Rotieren bringen? Drei Gründer aus Passau haben ein kostenloses Programm entwickelt, das Privathaushalten dabei hilft, Stromfresser zu identifizieren und sie gegebenenfalls durch effizientere Neugeräte auszuwechseln.
Die App, die im Herbst erstmals online ging, begeistert die Fachwelt und räumt bei Gründerpreisen viele Auszeichnungen ab. Inzwischen zählt die Anwendung monatlich eine Nutzerzahl im fünfstelligen Bereich. „Und wir sind gespannt und motiviert zu sehen, was noch möglich ist“, sagt Sebastian Schmidt, neben Michael Hasler und Andreas Donig einer der drei Geschäftsführer von „Smartricity„.
Strom von 100 Kohlekraftwerken könnte eingespart werden
Die Passauer App beruht auf einer selbst geschaffenen Datenbank, die Stromverbrauch und Ausstattungsmerkmale von über 100.000 Geräten erfasst, sowie Machine-Learning-Algorithmen, welche die Nutzung des Geräts im Haushalt prognostizieren. Entpuppt sich ein Elektrogerät als Stromfresser, werden nicht nur energieeffiziente Alternativgeräte vorgeschlagen, sondern auch der Anschaffungspreis etwa eines neuen Fernsehers der jährlichen Ersparnis an Stromkosten gegengerechnet.
Die Kalkulation erfolgt basierend auf Durchschnittswerten, kann durch optionale demographische Angaben jedoch auch personalisiert werden. „Anhand der gelieferten Information kann jeder Verbraucher individuell entscheiden, ob sich ein Neugerät nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den eigenen Geldbeutel lohnt“, sagt Michael Hasler. Das Potenzial sei enorm: Im Schnitt ließen sich durch den Austausch von Stromfressern mehr als 300 Euro pro Jahr und Haushalt sparen. „Europaweit könnte so der Strom von über 100 Kohlekraftwerken eingespart werden“, informiert der 27-Jährige.
Dem erfolgreichen Start am Markt ging eine intensive Gründungs- und Konzeptionsphase voraus. Seit einem Uni-Projekt zum Energiesparen im Jahr 2015 ging dem Passauer BWL-Studenten Sebastian Schmidt das Thema nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte herausgefunden, dass private Haushalte in Deutschland 41 Milliarden Euro jährlich „im Nichts“ verschwinden lassen – aufgrund ineffizienter Altgeräte, die sich in beinahe jedem Haushalt verstecken. „Bildlich gesprochen: Der Strom, den über 100 Kohlekraftwerke produzieren, ist gänzlich überflüssig“, sagt Schmidt. Er begann nach Mitgründern zu suchen, verwandelte sein Zimmer in ein Büro und versuchte, Studium und Start-up-Idee unter einen Hut zu bekommen.
Ihr Verfahren haben die drei bereits zum Patent angemeldet
Mitstreiter fand Sebastian Schmidt in Michael Hasler und Sebastian Henneberg. Aller Anfang war dennoch schwer: „Wir waren drei Studenten mit einer tollen Idee“, erinnert sich der heute 30-Jährige. „Was folgte, waren Augenringe, literweise Kaffee und auch manche Fehlschläge, die sich in ein paar lustige Anekdoten und jede Menge Erfahrung verwandelten. Und dann, irgendwann, häuften sich die Erfolge, Schritt für Schritt.“ Unter anderem förderte das Exist-Gründerstipendium die drei Jungunternehmer. 2017 gewann das Start-up den überregionalen Businessplan-Wettbewerb „ideenReich„. 2018 erreichten die Niederbayern die Top-Ten der „Energie Start-ups Bayern„.
Schließlich kam der große Tag: Schmidt, Hasler und Henneberg veröffentlichten im vergangenen Herbst den Prototyp ihrer neuen Anwendung. Die Nutzerzahlen für „Smartricity“ steigen fast täglich: Aktuell lassen sich rund 15.000 Benutzer monatlich ihr Einsparpotenzial vorrechnen. Ihr Verfahren haben die drei bereits zum Patent angemeldet. Im März dieses Jahres verließ Sebastian Henneberg das Team. Ihm folgt Andreas Donig als neuer neuer Technologiedirektor.
Die drei Unternehmer haben noch viel vor: Sie wollen ihre Datenbank erweitern und „weiter kräftig die Werbetrommel rühren, um noch mehr Nutzer für unser Programm zu begeistern“, sagt Geschäftsführer Sebastian Schmidt. Dabei helfen sollen auch 36.000 Euro, die das junge Unternehmen aus dem bayerischen Programm „Start? Zuschuss“ erhält. Es fördert technologieorientierte Unternehmensgründungen aus dem Bereich Digitalisierung mit hoher Zukunftsfähigkeit. „Wir freuen uns über die Förderung und werden sie einsetzen, um unserer Vision einer energieeffizienteren Zukunft einen Schritt näher zu kommen.“
da Hog’n/obx-news