Passau. Maximale Lebensmitteltransparenz vom Feld bis zum Teller – dafür will sich das Passauer Start-up „Regiothek“ einsetzen. Die Macher hinter dem Projekt haben deshalb eine Plattform entwickelt, die den Ursprung von Lebensmitteln bis ins Detail nachvollziehbar macht. Kleine, engagierte Betriebe erhalten dadurch die notwendige Präsenz in der digitalen Welt. Die Startregion ist Niederbayern und das westliche Oberösterreich.
Begeistertes Staunen, unangenehmes Staunen, eine Erkenntnis
Es war der Holzofen der kleinen Bäckerei Grafmühle in der Nähe von Passau, der den Zündfunken für die Regiothek versprühte. Zufällig war Alexander Treml, einer der drei Gründer, dort für einen Studentenjob gelandet: Es galt, Brot und Semmeln auf den umliegenden Märkten zu verkaufen und dem Bäcker-Müller und seinen Leuten bei allem zu helfen, was gerade so ansteht.
In Alexanders Kopf passierten vor allem drei Dinge: Begeistertes Staunen darüber, dass es diesen winzigen Betrieb mit eigener Mühle, traditionellem Holzofen und Bio-Rohstoffen aus der Umgebung überhaupt noch gibt. Zweitens: Leicht unangenehmes Staunen darüber, wie wenig er selbst über Getreide, Saaten, Mahlen und Backen wusste – trotz des täglichen Brotes. Und drittens die Erkenntnis: Hier gibt es jeden Tag so viel Arbeit, dass die Bäckersleute nicht wirklich dazu kommen, den Menschen da draußen zu erzählen, was sie Großartiges zu bieten haben.
Im Internet fand Alexander Treml ein paar statische Verzeichnisse von Anbietern regionaler Produkte, an anderen Stelle Infos zu Nahrungsmitteln und Ernährung, viel Unklarheit um den Begriff „Regionalität“ und so manche ungepflegte Seite von eigentlich sehr gepflegten Betrieben. Orientierung? Schwierig. Zwei mal drei macht vier: Die Idee zur Regiothek war da. Informationen bündeln, Transparenz schaffen, im Sinne engagierter Betriebe und Menschen, die sich dafür interessieren, wo ihr Essen herkommt.
Nicht nur dem Grafmühlener Bäcker, auch den Inhabern von anderen kleinen Lebensmittel-Betrieben sowie Freunden und Bekannten erschien die Idee großartig. Mit Anton Kohlbauer und Simon Nestmeier fand Alexander Treml die optimalen Mitstreiter für das Projekt.
Wunsch nach nachhaltigen Lebensmitteln steigt
Die Regiothek ist seit zwei Jahren die erste Ausgründung der Uni Passau, die das begehrte EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums erhielt, mit dem jährlich die innovativsten bzw. aussichtsreichsten Gründungsideen aus der Hochschulforschung der BRD gefördert werden. In den kommenden Wochen ist die Regiothek mit diversen Info-Ständen auf Wochen- und Bauernmärkten der Region vertreten, um mit Anbietern und Verbrauchern in Kontakt zu treten. Projektstart war am 1. Januar 2017 – nun ist der Halbzeitstand erreicht.
Es hat sich gezeigt, dass der Wunsch nach nachhaltigen Lebensmitteln aus der eigenen Umgebung steigt. Dennoch finden viele Verbraucher häufig nicht zu den Anbietern in ihrer Nähe. Internetrecherchen zu Hofläden, kleinen Handwerksbetrieben, Dorfläden oder regional einkaufenden Gastronomen sind aufwändig – und die auffindbaren Informationen oft recht dürftig. Hier will die Regiothek ansetzen und Abhilfe schaffen.
Entstehen soll dabei ein zentraler Ort im Internet für sinnvoll produzierte Lebensmittel aus der eigenen Umgebung. Praktisch umgesetzt wird dies wie folgt: Gestützt auf die sogenannte „Cross-Channel-Strategie„, die von einer EY-Studie als das zukunftsweisende Modell der Lebensmittelbranche angesehen wird, können Anbieter die Plattform nutzen, um ihre Produkte online zu bewerben und offline zu verkaufen.
Interessant für Betriebe, die „nichts zu verstecken“ haben
Das Ideal des Projektes beinhaltet die kleinparzellige Landwirtschaft mit umweltbewusstem Wirtschaften, ein auf altes Können bedachtes Lebensmittelhandwerk und eine Gastronomie, die auf Kochkunst setzt statt auf Convenience. Motto: „Regional ist das neue Bio“.
Im Zuge dessen, will die Regiothek den Verbrauchern vor allem Transparenz über den Produktursprung bieten: Betriebe, die gerne genaue Auskunft über die Herkunft ihrer Produkte geben, sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Lieferbeziehungen angemessen zu kommunizieren: „Unseres Wissens nach gibt es weltweit keine Plattform, auf der öffentlich sichtbar Wertschöpfungsketten der Lebensmittelwirtschaft produktgenau visualisiert werden“, sagt Anton Kohlbauer vom Gründerteam. Die Plattform ist also interessant für diejenigen Betriebe, die einerseits „nichts zu verstecken“ haben und für die anderseits hohe Transparenz ein Unterscheidungsmerkmal darstellt.
Technologien aus der Hochschulforschung
Technologisch wird das Projekt durch den Lehrstuhl für Medieninformatik begleitet und kann sich somit auf kürzlich entwickelte IT-Technologien stützen. Die speziell für das Projekt entwickelte „Ontologie“ (WissensDatenbasis) berechnet automatisch Produktkategorien und trägt zur Verbesserung von Suchfunktionen bei. Darin eingebunden sind eben jene Nischeninformationen, etwa zu alten Obstsorten oder gefährdeten Nutztierrassen.
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Titelbild: Langlebenhof Passau
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- Alle weiteren Infos zur Regiothek sind zu finden auf der Website unter www.regiothek.de (einfach klicken).