Die finnischen Humpa-Metaller von „Korpiklaani“ sind in der Szene bislang oft nicht so ganz für voll genommen worden. Das liegt auch an den Vorbehalten, die so mancher gegen den sogenannten Wacken-Ballermann-Metal hegt – und die im Einzelfall sicherlich auch berechtigt sind. Allerdings tut man dem Finnen-Sextet durchaus ein wenig Unrecht, wenngleich sich nicht von der Hand weisen lässt, dass es sich zum fröhlichen Folk-Metal prima feiern lässt.

Jonne Järvelä und seine Jungs von Korpiklaani mimen gerne die metallenden Wandersleut aus dem hohen Norden. Foto: Peero Lakanen
Und dennoch ist da immer auch eine latente Schwermut im Sound der seit 2003 bestehenden Band vorhanden, deren Namen übersetzt soviel wie „Klan der Wildnis“ oder „Klan des Waldes“ bedeutet. Allerdings hat man mit Songs wie „Vodka“ oder „Tequila“ natürlich auch das eine oder andere für den eigenen Ruf getan…
Nur die Musik zählt – was der da singt, ist mir wumpe!
Nachdem die ersten drei Alben noch auf Englisch eingesungen wurden, ist man seit „Tervaskanto“ (2007) auf Finnisch unterwegs, was der musikalischen Eingängigkeit keinen Abbruch getan hat – aber durchaus teils ulkig für die dem Finnischen unkundigen Ohren klingt. „Kulkija“ heißt nun das zehnte Album um Sänger und Gitarristen Jonne Järvelä – das Wort bedeutet soviel wie Wanderer. Und da passt das stimmungsvolle, in warmen Farbtönen gehaltene Cover genauso gut dazu wie die insgesamt eher nachdenkliche Ausrichtung des mit über 70 Minuten durchaus umfangreich ausgefallenen Albums.
Es ist normalerweise ein Phänomen, das sich eher im Black- und Death-Metal-Bereich manifestiert: Man hört da jemanden singen – versteht aber kein Wort. Genauso geht es einem bei der Einfuhr von „Kulkija“: Etwa bei der traurigen Ballade „Harmaja“, bei der Järvelä den an sich ja gut verständlichen Brummbär gibt, bei dem man sich dennoch gerade fragt, ob er über die verlorene Liebe, das verlorene Portemonnaie oder die verlorene Unschuld singt… Gut, es gibt ja genug Hörer, die sagen: Nur die Musik zählt – was der da singt, ist mir wumpe! Anderen fehlt hingegen etwas, wenn sie den Inhalt nicht verstehen. Dennoch – und einmal ohne Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten geachtet: Der Musik tut das keinerlei Abbruch.
Das, was in den 14 Songs auf „Kulkija“ geboten wird, erinnert nicht selten an die Großtaten der britischen Folk-Metal-Vorreiter von Skyclad. Das liegt vor allem an der tollen Geige von Tuomas Rounakari, der bei Songs wie dem hymnischen „Aallon alla“ oder der positiven Nummer „Kotikonnut“ (Kokusnuss?!) teils wie entfesselt fiedelt. Aber auch Sami Perttula am Akkordeon trägt zum dichten und abwechslungsreichen Gesamtsound das Seinige bei. Er bringt sogar ein wenig französisches Flair mit ein, wenn er bei „Korppikalliota“ die Quetsche im Intro ganz alleine bedient.
Vielleicht auch nur ein Phänomen unserer schnelllebigen Zeit
Korpiklaani gehen auf „Kulkija“ recht ausufernd zu Werke, so etwa in „Kallon Malja“, einem fast zehnminütigen Stück, das auf den beiden genrefremden Instrumenten Akkordeon und Violine basiert – und trotz der langen Spielzeit, aber Dank eines ungewöhnlichen, jam-inspirierten Mittelteils, sehr abwechslungsreich daherkommt.
Dennoch hätten es im Gesamten vielleicht auch ein oder zwei Songs weniger getan. Wobei das vielleicht auch nur ein Phänomen unserer schnelllebigen Zeit ist – denn wenn man sich genug Zeit nimmt, um den Wanderer auf seinem Weg zu begleiten, dann kann er einem durchaus die eine oder andere nachdenkliche Stunde verschaffen. Muss ja schließlich nicht immer Party sein…
Wolfgang Weitzdörfer
- VÖ: 7. September 2018
- Label: Nuclear Blast Records
- Songs: 14
- Spielzeit: 71:21 Minuten
- Preis: ca. 16 Euro